Chladek Rosalia

Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin
Geb. Brünn, Mähren (Brno, Tschechien) 21.5.1905
Gest. Wien, 3.7.1995

R. Ch. wurde am 21. Mai 1905 in Brünn als Tochter eines Lederkaufmanns geboren. Sie besuchte die Volksschule und das Lyzeum in Brünn. 1920 nahm sie an einem Sommerkurs der Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus in Hellerau, einem Ort bei Dresden, teil. 1921 wird sie dort als ständige Schülerin aufgenommen. 1924 schließt R. Ch. ihr Studium in Hellerau mit dem Lehrdiplom für Körperbildung ab und wird sofort als Lehrerin aufgenommen.
1924 tanzt R. Ch. zusammen mit Mitschülerinnen sechs Tänze zu Kompositionen von Chopin, Kódaly und Smetana in Dresden. Dieser Auftritt ist ihr Debüt als Tänzerin. In den folgenden Jahren tritt R. Ch. als Solotänzerin in Brünn, Wien, Basel und Sizilien auf, dazwischen arbeitet sie auch als Lehrerin am Konservatorium in Basel. 1929 erleidet R. Ch. eine Knieverletzung; trotzdem gibt sie in den folgenden Jahren einige Gastspiele in Mitteleuropa. Sie tanzt 1931 zur Eröffnung der Wiener Festwochen die „Festliche Tanzsuite“, im selben Jahr erringt sie den zweiten Platz bei einem Solotanzwettbewerb in Warschau. Ab dem Wintersemester 1931 hält R. Ch. Tanzveranstaltungen und Kurse an der Volkshochschule Ottakring in Wien ab. 1936 kreiert Ch. über fünfzehn Tänze und entwickelt eine rege Gastspieltätigkeit. 1943 choreografierte und tanzte sie ein dreiteiliges Tanzdrama nach Frederic Chopin. 1942-1952 arbeitete sie als Leiterin der Ausbildungsstätte „Tanz für Bühne und Lehrfach“. Ab 1952 übernimmt sie den Vorstand der Abteilung für künstlerischen Tanz an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien.
1950 lernt R. Ch. bei einem Aufenthalt in den USA die dortige Tanzszene kennen. Die Eindrücke, die sie dort sammelte, verarbeitete sie in den Tänzen aus dem Zyklus „Afro-amerikanische Lyrik“. 1954 setzt R. Ch. den Schlusspunkt ihrer Solokarriere mit der Tanzschöpfung „Sancta Trinitas“ für den Internationalen Kongreß für katholische Kirchenmusik.
Ab 1955 steht die pädagogische Tätigkeit für R. Ch. im Zentrum ihrer Lebensinteressen. 1963 wird der Sonderlehrgang „Moderne tänzerische Erziehung und Tanzpädagogik-System Rosalia Chladek“ an der Akademie für Musik und darstellende Kunst eingeführt. 1970 wird R. Ch. emeritiert, sie führt danach den Unterricht nach dem System Chladek als gesonderten Hochschullehrgang weiter. 1972 wird die „Internationale Gesellschaft Rosalia Chladek“ (IGRC) gegründet, die von sechs Ländern vertreten wird und bis heute besteht. R. Ch. unterrichtet noch als 90-jährige bis kurz vor ihrem Tod. Am 3. Juli 1995 stirbt R. Ch. nach kurzer Krankheit in Wien.
R. Ch. wurde sowohl im Elternhaus als auch in der Schule sehr streng erzogen. Disziplinierte Haltung und Arbeit waren vorrangige Prinzipien, Literatur und Musik waren in dieser Art von Erziehung nicht vorhanden. Ausgleich zum starren und kalten Elternhaus findet die junge R. in der ortsansässigen Schule für rhythmische Gymnastik. Die Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus besucht die 15-jährige gegen den Willen des Vaters. Die Entscheidung, sich dem Willen des Vaters zu widersetzen, scheint richtig gewesen zu sein – R. Ch. hat ideale körperliche Voraussetzung für den Tanz.
Der Genfer Musikpädagoge Jaques Dalcroze beeinflusst R. Ch., obwohl sie nie seine persönliche Schülerin war, erheblich. Auch R. Ch.s Lehrerin Jarmila Kroschelova übt einen starken Einfluß auf das Unterrichtssystem der begabten Tänzerin aus.
R. Ch. stach bereits während ihrer Ausbildung aus dem Heer der Schülerinnen durch ihre optimalen körperlichen Fähigkeiten hervor. Die Bewunderung ihrer Lehrkräfte für ihre Tanzbegabung konnte R. Ch. nicht teilen, sie war voller Selbstzweifel und Skepsis. Die Bewunderung ihrer Technik war der Tänzerin weniger wichtig, sie legte auf den inneren Ausdruck ihrer Darbietungen größeren Wert.
R. Ch.s Tanzschöpfungen sind ernsten Inhalts und zeichnen sich durch das Fehlen jeglicher Mimik aus. Ihr Unterrichtssystem beruht auf verstandesmäßiger Kontrolle der Bewegungen. Das Tanzrepertoire R. Ch.s umfasste dem Nationaltanz verbundene Schöpfungen und Tänze mit religiösen Themen. Weiters sind die dramatischen Solotänze zu erwähnen.
Als Choreografin trat Ch. erstmals im Mai 1929 öffentlich in Erscheinung. In der Folge schuf sie 50 selbständige Ensemblewerke. In den Jahren 1933 bis 1952 nahm sie häufig mit Gruppenchoreografien an den klassischen Festspielen von Syrakus und anderen italienischen und griechischen Städten teil. Viele von R. Ch.s Gruppenchoreografien, Schauspiel- und Operninszenierungen sind in Wien aufgeführt worden. Besonders erfolgreich waren ihre choreografischen Beiträge zum „Faust“ und zum „Bauer als Millionär“ am Burg- bzw. Volkstheater 1938.
Am Konservatorium der Stadt Wien bieten heute ehemalige Chladek-Schülerinnen ein vierjähriges Vollstudium an. Sie haben in Eigenregie das „Studio“ eingerichtet, wo in einem breiten Kursangebot nach der Methode Chladek gearbeitet wird. So wird das Lebenswerk dieser großen Tänzerin weitergeführt und auch der jüngeren Generation zugänglich gemacht.
Ausz.: Seit 1997 erinnert die „Rosalia Chladek Straße“ im 22. Wiener Gemeindebezirk an sie.

Werke

Literatur / Quellen

Alexander 1980, Buschbeck 1973, Donath 1987, Eberl 1990, Klingenbeck 1936, Obermayer 1989, Potgieter 1984, Wagner 1996b

BiografieautorIn:

Karin Nusko