Boschek Anna; Gewerkschafterin, Frauenrechtlerin und Nationalrätin
Geb. Wien, 14.5.1874
Gest. Wien, 19.11.1957

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Eisenbahnschlosser; Mutter: Landarbeiterin, später Textilheimarbeiterin; sieben Geschwister; Vormund: Anton Hueber, Obmann und Sekretär der österreichischen Gewerkschaftskommission.
Ausbildungen: Abbruch der Volksschule nach vier Jahren.
Laufbahn: Begann nach dem Tod des Vaters mit 9 Jahren zu arbeiten, Heimarbeit, mit 11 Jahren in einer Perlenbläserei, mit 14 nach einer Verätzung im Gesicht und auf den Händen Wechsel in eine Galvanisierungswerkstätte einer Mundharmonikafabrik. Die Lehre in einer Chinasilber-Fabrik musste sie wegen eines Augenleidens abbrechen. Sie war danach Fabrikarbeiterin, seit 1891 Spulerin in einer Ottakringer Trikotfabrik; Mitglied der Gewerkschaft der Textilarbeiter, 1891 Beitritt zum sozialdemokratischen Arbeiterinnen-Bildungsverein, Wahl in die Vereinsleitung; 1893 durch Anton Hueber Anstellung bei der Gewerkschaftskommission für die gewerkschaftliche Organisierung von Frauen. Delegierte des 1. österreichischen Gewerkschaftskongresses der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften 1893, seitdem Agitationstouren in die verschiedenen Gebiete der Monarchie. 1894 erstmals Delegierte zu einem Parteitag, nahm an fast allen Parteitagen vor dem Ersten Weltkrieg und in der Ersten Republik teil, trat jedoch nicht oft als Diskutantin in Erscheinung. 1894 Sekretärin der Gewerkschaftskommission, 1890 die erste Frau im Parteivorstand der SDAP; Geschäftsführerin des am 1. Mai 1898 gebildeten Frauen-Reichskomitees. Auf dem Parteitag 1900 in Graz kritisierte sie die Partei, dass diese die Forderung nach dem Frauenwahlrecht vernachlässige. Als eine der österreichischen Vertreterinnen Teilnahme an der ersten sozialistischen Frauenkonferenz im August 1907 in Stuttgart; Vorsitzende der Frauensektion im Bund Freier Gewerkschaften; im 1. WK in Fürsorgeaktionen und in der Frauenhilfsaktion aktiv; 1918 für die Sozialdemokraten in die Kommission für Frauenarbeit beim Ministerium für soziale Verwaltung delegiert; Abgeordnete des provisorischen Gemeinderates von Wien 1918-1919, dort Mitglied des Ausschusses zur Beratung der Gemeindeverfassung, Mitglied der Frauenkommission des Internationalen Arbeitsamtes seit 1919, Teilnahme an der Hauptversammlung in Genf 1932, Gewerkschaftskongress über Frauenarbeit 1928; Mitglied des Gemeinderates von Wien 1919-1920, Mitglied in der ersten Reichskommission der freien Gewerkschaften Österreichs, Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung SdP. 4.3.1919-9.11.1920, Abgeordnete zum Nationalrat (I.-III.GP) 10.11.1920-1.10.1930, Abgeordnete zum Nationalrat (IV. GP) SdP 2.12.1930-17.2.1934; 1934 wurde sie verhaftet und gab im Verhör an, von den Ereignissen überrascht worden zu sein. Nach sieben Wochen Haft stand sie unter Polizeiaufsicht. 1945 trat A. B. mit 71 Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus ihren politischen Funktionen zurück, blieb jedoch in der Sektion der SPÖ des 15. Bezirkes aktiv und nahm an allen Frauen- und Gewerkschaftstagungen teil. Noch als 80-jährige referierte sie bei politischen Schulungskursen, im Sommer 1957 hatte sie bei der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Wien ihren letzten großen Auftritt.
Ausz., Mitglsch.: 1891 Bekanntschaft mit Maria Krasa, die Mitglied in mehreren Arbeiterinnen-Vereinen war, durch sie kam A. B. zur Sozialdemokratie. Neben Adelheid Popp die zweite „Berufspolitikerin“ der österreichischen Sozialdemokratie, mit ihr und Therese Schlesinger drei Jahrzehnte die unveränderte Führungsschicht der sozialdemokratischen Frauenbewegung auf dem Parteitag. A. B. wurde in Form des Anna Boschek-Lehrmädchen-Heims, das zwischen 1957 und 1959 für 100 Lehrmädchen errichtet wurde, ein Denkmal gesetzt.

Qu.: Wienbibliothek im Rathaus, VGA; IfZ, Nachlass Motzko; AZ-Archiv; ÖGB-Archiv; WStLa; Tagblattarchiv (Personenmappen).
W.: „Was fordern die Arbeiterinnen“ (1903), „Gewerkschaftskongreß in Wien im Juni 1928“ (1929)
L.: Czeike Bd 1 2004, Hauch 1991, Hauch 1995, Lösch 1987, Neugebauer 1966, Pasteur 1986, Pluskal-Scholz 1964, Schneider-Hanusch 1954, Sporrer 1983, Steiner 1973, Wedel 2010,-Weinzierl 1975, www.onb.ac.at/ariadne/