Bitterlich Roswitha, Bitterlich-Brink, Wingen-Bitterlich; Malerin, Grafikerin und Dichterin
Geb. Bregenz, Vbg., 24.4.1920

Herkunft, Verwandtschaften: R. B. ist das erste von drei Kindern der späteren Gründerin des „Opus Angelorum“, Gabriele Bitterlich und des Landesregierungssekretärs Hans Bitterlich. Die Familie Bitterlich übersiedelt 1921 nach Schluckenau in Böhmen und 1928 nach Innsbruck.

Ausbildungen: R. B. absolvierte das Untergymnasium und die Frauenschule der Ursulinen in Innsbruck.

Laufbahn: Das künstlerische Talent R. B.s zeigt sich schon in ihrer frühen Kindheit. So verfertigt sie bereits im Alter von drei Jahren die ersten Bilder, mit fünf Jahren große Scherenschnitte und mit sechs Jahren einen sechzehn Meter langen Fries für das Kinderzimmer. Zu Weihnachten 1932 malt R. B. für ihren kleinen Bruder Hannsjörg ein Zwergenbuch mit zwanzig Aquarellen, sie bereichert diese Illustrationen mit selbstgeschaffenen Gedichten. Dieses Buch wurde 1933 von einem Berliner Verlag zur Reproduktion übernommen und in der „Gartenlaube“ veröffentlicht. Im Frühjahr 1932 wurden die Bilder R. B.s erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Die Ausstellung der Werke der nunmehr zwölfjährigen Künstlerin findet in Innsbruck statt und erregt einiges Aufsehen, es werden zweitausend Besucher in zwei Wochen gezählt. 1934 kam es zu einer weiteren Ausstellung in Innsbruck, die sich eines noch größeren Publikumsinteresses erfreute. Unter anderem finden in dieser Ausstellung die großen Ölbilder „Gastmahl des Todes“, „Gotische Madonna“, „Die Wahnsinnige“ und „Maria Verkündigung“ einige Beachtung. Im August kommt es zu einer dritten großen Ausstellung in Lienz in Osttirol. 1935 stellt R. B. im Glaspalast des Wiener Burggartens aus. Die Ausstellung wird von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg eröffnet. Das Interesse an den Bildern des „Wunderkindes“ ist so groß, dass es zu Warteschlangen an der Kassa kommt, wie den zeitgenössischen Zeitungsartikeln zu entnehmen ist. Ein 1936 von Hans Bitterlich, dem Vater R.s, im Selbstverlag herausgegebener Katalog verzeichnet bereits 359 Werke der sechzehnjährigen R. 1937 wird eine Komposition des Wiener Komponisten Erich Zeisl uraufgeführt: das von den phantastischen Visionen der jungen Innsbrucker Malerin beeinflusste musikalische Werk „Kleine Symphonie, vier Orchesterstücke nach Bildern der Roswitha Bitterlich“. Vier Bilder R. B.s werden von Erich Zeisl in Töne transformiert: die Vision des wahnsinnigen Geigers in der Zelle, die düstere Darstellung der „Armen Seelen“, die bizarre Illustration eines „Leichenschmauses“ und als Finale die „Vertreibung der heiligen Figuren aus der Kirche“. Der mystisch-bizarre Charakter der Bilder findet, laut Pressebericht, in dem musikalischen Werk „eine wahrhaft kongeniale Ausdeutung“. Die Neigung R. B.s zum Geheimnisvollen, die sich in ihren Bildern offenbart, wird in den Ausstellungskritiken häufig erwähnt, sie beschäftigt sich mit Engeldarstellungen, die wohl von den Visionen ihrer Mutter, Gabriele Bitterlich, beeinflusst sind. R. gestaltet, jetzt schon als erwachsene Frau, die Kapelle der Burg St. Petersberg bei Silz in Tirol, den Hauptsitz des von ihrer Mutter gegründeten „Engelwerkes“ (Opus Angelorum), mit ihren Malereien aus. Doch nicht nur in Österreich sind R.s Bilder zu sehen, Anfang Mai 1937 wird im Kopenhagener Kunstmuseum Charlottenburg eine R. B. Ausstellung vom österreichischen Generalkonsul eröffnet. 1941 erscheint ein graphischer Zyklus mit dem Titel „Till Eulenspiegel“ mit Texten von Hans Leip. Nach dem Zweiten Weltkrieg beeindrucken R. B.s Werke auch das New Yorker Publikum. 1951 werden in der Galerie St. Etienne Ölbilder, Aquarelle und graphische Arbeiten, die in der Zeit zwischen 1945 und 1950 entstanden sind, gezeigt. Die Kritiker der „New York Times“ attestieren der österreichischen Malerin eine künstlerische Verwandtschaft mit Bosch, Brueghel und Dürer, sie bewundern das Talent und die Vorstellungsgabe der Künstlerin. R. B. widmet schon seit Jahrzehnten ihr ganzes Talent der malerischen Nachgestaltung dessen, was ihre Mutter über die heiligen Engel niedergeschrieben hat. Dem Engelwerk gilt sie als seine authentische künstlerische Interpretin, doch ihre Kunst ist fast ebenso umstritten wie das Opus Angelorum selbst; sie wird von einigen KritikerInnen und KunsthistorikerInnen in den „Blut- und Boden-Stil“ des Nationalsozialismus eingereiht.
R. B. heiratete 1945 den katholischen Publizisten und NS-Widerstandskämpfer Michael Brink. 1946 wurde die gemeinsame Tochter Mechthild Maria geboren. 1947 starb Brink an Spätfolgen der KZ-Gefangenschaft. R. B. wanderte mit ihrem zweiten Ehemann Hubert Wingen und der Tochter nach Brasilien aus, wo die von Gabriele Bitterlich gegründete katholische Splittergruppe großen Zulauf hat.

Qu.: Tagblattarchiv (Personenmappe).
L.: Angel 1935, Leip 1941, Stelzl 1936, Vollmer 1953-1962, Archiv Munzinger 1943: 28.11.1935, Katalog Roswitha Bitterlich., Innsbruck o. J., NFP 3.11.1935, NFP 8.11.1935, NFP 7.12.1935, NFP 29.5.1937, NFP 6.6.1937, NWJ 7.12.1935, NWT 18.9.1934, Wiener Kurier 24.3.1951

Karin Nusko