Beth Marianne, geb. von Weisl; Rechtsanwältin, Soziologin und Orientalistin
Geb. Wien, 6.3.1890
Gest. Cresskill, County Bergen, N.Y. 19.8.1984 (Dunroven Nursing Home)
Herkunft, Verwandtschaften: Österreichische Staatsbürgerschaft, 1945 US-Staatsbürgerschaft; Rechtsanwaltsfamilie; die Mutter Charlotte, geb. Michlup, war vor der Heirat Lehrerin; der Vater Dr. Ernst Franz von Weisl, Rechtsanwalt, (3.5.1857 Záběhlitz bei Prag – 24.6.1931 Wien). Brüder: Dr. Wolfgang (Binyamin Ze’ev) von Weisl (27.3.1896 Wien – 24.2.1974), Arzt, Journalist, zionistischer Politiker und Dr. Georg Martin Weisl (30.11.1898 Wien – 18.11.1974 Wien), Rechtsanwalt.
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit Dr. phil. Karl Beth (12.2.1872 – 9.9.1959), Religionsphilosoph, Univ. Prof., Vorstand des Forschungsinstituts für Religionspsychologie; Ehe geschlossen am 11.9.1911 in Wien (Pfarre ev. AB); 2 Kinder: Erich (Eric Walter), geb. 7.6.1912 und Eleonore, geb. 19.11.1916; Sohn und Tochter starben kinderlos, daher keine direkten Nachkommen von Marianne Beth. Nicht verwandt mit dem Wiener Rechtsanwalt Dr. Karl Beth (*23.08.1897).
Freundschaften: M. B. war befreundet mit Marianne Hainisch und dem Frauenbewegungs-Zirkel rund um diese. Enge Freundschaft mit der Chemikerin Mona Spiegel-Adolf.
Ausbildungen: Privatunterricht bei der Mutter und Hauslehrern, Semesterprüfungen am Knabengymnasium; ab 1908 Studium an der Universität Wien, 1912 Promotion zum Dr.phil. (Orientalistik), 1919 Zulassung von Frauen zum Jusstudium, 1919-1921 Rechtsstudium Universität Wien, 13.6.1921 Promotion zum Dr.iur., erster weiblicher Dr.iur. in Österreich und erste Frau mit zwei Doktoraten in Österreich, 1924 Rechtsanwaltsprüfung; Beherrschung mehrerer Sprachen.
Laufbahn: Beeideter Dolmetsch für die englische Sprache, erster weiblicher Konzipient in einer Rechtsanwaltskanzlei (in der Rechtsanwaltskanzlei des Vaters); 3.7.1928 Eintragung als Rechtsanwalt in Wien (erste Rechtsanwältin Österreichs). Nach dem Tod des Vaters 1931 führte sie gemeinsam mit ihrem Bruder Dr. Georg Weisl die Kanzlei (Wien 1, Schottenring 10) weiter.
Da M. B. nach den nationalsozialistischen Rassengesetzen als Jüdin galt, musste sie ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin im Juli 1938 einstellen, die als Gerichtsdolmetscherin im August 1938. Mit Ende 1938 wurden alle „Juden“ aufgrund der 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27.9.1938 aus den Rechtsanwaltslisten gelöscht. M. B. emigrierte 1939 in die USA, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. Ihr Bruder Georg flüchtete nach Kanada und kehrte zum frühest möglichen Zeitpunkt nach Österreich zurück, während der andere Bruder Wolfgang in Palästina bzw. Israel blieb.
Mitarbeiterin bei psychologischen und soziologischen Fachzeitschriften; Generalsekretärin des Internationalen Anwaltsverbandes; Engagement im Umkreis des Bundes Österreichischer Frauenvereine, 1926 Mitbegründerin der „Österreichischen Frauenorganisation“, 1928 Mitbegründerin des „Vereins berufstätiger Frauen in Wien“; 1939-1942 Gastlektorin am Reed College in Portland/USA, Mitarbeiterin bei soziologischen und sozialpsychologischen Fachzeitschriften; bis 1945 Professorin für Soziologie am Reed College; nach 1945 nach eigenen Angaben „Privatgelehrte“; ab 1955 stellvertretende Leiterin des Universal Translation Bureau Chicago/Illinois.
Die „Österreichische Frauenorganisation“ setzte sich für die Neugestaltung des politischen Lebens durch die Frauen ein. Als Anwältin engagierte sich M. B. für die juristischen Forderungen der Frauenbewegung und für die rechtliche Information der Frauen überhaupt. Sie verfasste Artikel zu Diskussionen über den gesetzlichen Güterstand von Ehepaaren, über die Rechte des unehelichen Kindes; Artikel über die psychologische Auswirkung der Arbeitslosigkeit bei Frauen, Literaturforschungen in 10 Sprachen, Übersetzungen in 8 Sprachen.
Ausz., Mitglsch.: 1932 (1930 Leisch-Prost) Kant-Preis; gemeinsam mit der Chemikerin Mona Spiegel-Adolf und weiteren Frauen in der „Österreichischen Frauenorganisation“ tätig, die eine „Neugestaltung des politischen Lebens durch die Frauen“ anstrebte; mit Wilhelmine Löwenstein-Brill und Illy Kjaer im „Verein berufstätiger Frauen in Wien“, diese Organisation hieß ab 1930 „Vereinigung österreichischer Klubs berufstätiger Frauen“, gehörte als solche dem Bund Österreichischer Frauenvereine und der International Federation of Business and Professional Women‘s Club an und wurde 1938 aufgelöst. weitere Frauen in der „Gesellschaft der Freunde“, der M. B. angehörte und die dem BÖFV als Teilverein angegliedert war.
Qu.: UA Wien; ÖStA/AdR; WStLa, Meldewesen; Archiv der Rechtsanwaltskammer, Wien; Institut für Zeitgeschichte, München; Tagblattarchiv (Personenmappe), www.rootsweb.com. Autobiografischer Text mit Porträtbild in: Führende Frauen Europas. In sechzehn Selbstschilderungen.. Hg. v. Elga Kern. Ernst Reinhardt Verlag, München 1928, S. 94-115.
W. u. a.: „Neues Eherecht. Rechtsvergleichende Studie mit besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebung von Deutschland, der Schweiz und Österreich“ (1925), „Psychologie des Glaubens“ (1930), „Das Recht der Frau“ (1931)
L.: Klusacek 1966, Leisch-Prost 2002, Lind 2002, Prost 1987, ÖNB 2002, Sauer/Reiter-Zatloukal 2010, Schmid-Bortenschlager 1982, Stökl 1968, Teichl 1951, Weinzierl 1975
Autorin: Barbara Sauer
Soeben erschienen: Dietmar Goltschnigg (Hg.): Marianne Beth. Ein brüchiges Leben in Briefen aus Wien und dem amerikanischen Exil. Böhlau, Wien 2021.
https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/literatur-sprach-und-kulturwissenschaften/gender-studies/56674/marianne-beth-ein-bruechiges-leben-in-briefen-aus-wien-und-dem-amerikanischen-exil