Benedikt Clotilde; Wohltäterin und Journalistin
Geb. Wien, 24.10.1868
Ges. Wien, 18.10.1939

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Moritz (Moriz) Benedikt (1835-1920), ao. Professor für Nervenpathologie und Elektrotherapie an der Universität Wien; Mutter: Louise oder Aloisia (Aloysia Lea Grimm) (1850 – 1905).

C. B.s Vater Moritz Benedikt war nicht nur der Begründer der Kriminalanthropologie und Kriminalpsychologie, sondern in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auch politisch aktiv. Er gründete zusammen mit Adolf Fischhof, den er auch ärztlich betreute, Ferdinand Kronawetter und Karl Lueger 1882 die Deutsche Volkspartei. 1883 publizierte er die anonyme Schrift „Politische Betrachtungen eines Unabhängigen”; bald danach zog er sich von der Politik zurück. Sein prominentester Patient war Kronprinz Rudolf, über den seine Tochter 1923 im „Neuen Wiener Journal” eine wichtige Erinnerung veröffentlichte. In Moritz Benedikts Erinnerungen kam sein persönliches Leben nicht vor.
Die Eheschließung von C. B.s Eltern 1868 war verbunden mit einem in den Zeitungen vieldiskutierten Skandal innerhalb der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde. Louise Grimm trat in Frankfurt am Main bei den Rabbinern Abraham Geiger, Salomon Formstecher und Joseph Landsberger zum Judentum über. Moritz Benedikt besaß nicht das Wiener Heimatrecht, sondern war nach dem damals noch ungarischen Eisenstadt zuständig. Er brauchte daher vom dortigen Rabbiner Esriel Hildesheimer, dem späteren Gründer des orthodoxen Berliner Rabbinerseminars, eine „Heiratsdelegation”, die dieser jedoch verweigerte, da − wie er an Benedikt schrieb − aus dem ihm übersandten Dokument nicht hervorging, dass sich die Braut der Mikwe, dem rituellen Tauchbad, unterzogen hatte. Daraufhin suchte Benedikt um das Wiener Heimatrecht an, erhielt es und ließ sich ohne Probleme vom Wiener Oberrabbiner Adolf Jellinek trauen.
C. B. wuchs in Wien auf; über ihre Ausbildung ist nichts bekannt. Sie engagierte sich in der jüdischen Wohltätigkeitsarbeit und war Vorstandsmitglied und 1917 Schriftführerin des 1893 gegründeten Israelitischen Frauen-Wohltätigkeitsvereins „Frauenhort” des Bezirks der seinen Sitz im Tempel „Chewra Beth Hatfia”, dem sogenannten Müllnertempel in der Müllnergasse, hatte. Der Verein gründete 1909 das Kaiser Franz Josef-Arbeiterinnen-Erholungsheim für israelitische Mädchen in Seebenstein in Niederösterreich. Im Juli 1915 schlossen sich 40 jüdische Wohlfahrtsvereine zum Dachverband „Weibliche Fürsorge” zusammen, um ihre Fürsorgeaktionen im Ersten Weltkrieg, zu denen auch die Ausspeisungen und die Pessachaktionen gehörten, besser koordinieren zu können. Deren Arbeitsausschuss gehörten neben C. B. mit Regine Ullmann, Sofie Grünfeld, Rosa Schur, Hermine Kadisch, Helene Kuranda und Margarethe Grunwald die führenden jüdischen Wohltäterinnen ihrer Zeit an. Die Gründung eines Dachverbands wurde, wie C. B. in „Hickls Wiener jüdischen Volkskalender” 1916/17 ausführte, von ihr schon vor Jahren propagiert, sie war jedoch „im eigentlichen Sinn ein Kriegskind”. Sein Vorbild war die „Frankfurter Fürsorge des Fräulein Pappenheim”. 1918 trat C. B. in „Dr. Blochs Österreichischer Wochenschrift” vergeblich für das Frauenstimmrecht in der jüdischen Gemeinde ein. In den zwanziger und dreißiger Jahren veröffentlichte C. B. in „Dr. Blochs Österreichischer Wochenschrift”, in der „Freien jüdischen Lehrerstimme”, im „Neuen Frauenleben” und in der jüdischen Zeitschrift „Die Wahrheit” zahlreiche Berichte, Rezensionen, Nachrufe, literarische Abhandlungen, Erzählungen und manchmal auch autobiographische Rückblicke, die wichtige Quellen sowohl für ihre Biographie als auch für die Wiener jüdische Geschichte darstellen.
Ein Thema, dem sich C. B. in ihrer Publizistik ebenfalls widmete, war die Literatur. 1917 berichtete sie von einer Vorlesung eigener Dichtungen von Max Brod in den Wiener Kammerspielen. 1918 rezensierte sie Brods Drama „Eine Königin Esther”. Ebenfalls 1918 warf sie in dem Aufsatz „Peter Rosegger und das Judentum” dem Dichter vor, dass er sich in der Judenfrage „ganz windfahnenmäßig” gedreht habe. 1918 publizierte sie auch einen Artikel über ein „Stündchen bei Josef Popper-Lynkeus”, den sie auf Vermittlung ihrer Freundin, der Schriftstellerin Else Feldmann, besucht hatte. 1935 veröffentlichte sie einen Aufsatz über Karl Lueger, in dem sie sich daran erinnerte, wie sie auf Purimbällen im Haus des Gemeinderats Ignaz Mandl durch mehrere Jahre mit Lueger tanzte. Lueger war ein Duzfreund ihres Vaters, und C. B. betonte: „Armen Juden hat Lueger bis zum Lebensende seine Förderung angedeihen lassen; solchen Juden, die er mitleidig ‚Nazarenernaturen‘ nannte, womit er unpraktische Idealisten meinte, wie Baurat Wilhelm Stiaßny, Gemeinderat Mittler, meinem Vater, hat er bis zum Tode seine warmen Sympathien bewahrt, wie auch dem gewiß guten Juden, Dr. Josef Bloch.”
C. B. war eine Journalistin und, wie sie sich selbst beschrieb, eine „unermüdliche Vereinsmeierin”, deren Lebensinteresse, soweit es den Quellen zu entnehmen ist, ihrer Arbeit und ihrem jüdischen Engagement galt. Sie wäre auch eine gute Historikerin der Wiener jüdischen Gemeinde gewesen, denn ihre Artikel zeugen nicht nur von ihrem Engagement, sondern auch von ihrem großen, detailreichen Wissen. Obwohl sie von ihrem familiären Hintergrund her zu konservativen Positionen neigte und sie sich später dem Zionismus annäherte nahm sie eine Zwischenposition ein und bezeugte damit den Pluralismus innerhalb des österreichischen Judentums.
Ob sie als eine professionelle Journalistin gelten kann, ob sie von ihren zahlreichen Veröffentlichungen leben konnte und musste, muss beim derzeitigen Forschungsstand allerdings dahingestellt bleiben.
Über ihr persönliches Leben ist wenig bekannt. C. B hatte drei jüngere Brüder, Arthur, der 1889 im Alter von 17 Jahren starb, der Kaufmann Emil, der 1935 starb, und Hermann, über dessen Schicksal nichts bekannt ist.
C. B. hatte keine Kinder und war 1895 nur ein Jahr lang mit dem Arzt Abraham Adolf Kronfeld verheiratet. Die Ehe wurde geschieden und sie führte fortan ihren Mädchennamen.
C. B. starb am 18. Oktober 1939 im Alter von 71 Jahren im jüdischen Altersheim in Wien und wurde am Wiener Zentralfriedhof im Familiengrab begraben.

W. u.a.: „Dr. Karl Lueger im jüdischen Kreise. Die Wahrheit, 15.3.1935“
L.: Adunka 2008, Benedikt 1906, Malleier 2003a

Evelyn Adunka