Zimmern Katharina von
letzte Äbtissin des Fraumünsters in Zürich
Geb. 1478
Gest. 17.8.1547
Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Freiherr Johann Werner der Ältere von Zimmern (†1496) und Gräfin Margarethe von Öttingen (1458-1528); Geschwister: Anna, Stiftsdame in der Fraumünsterabtei in Zürich (†1517); Verena, starb im Kindesalter, Kunigunda, starb im Kindesalter; Veit Werner (1479-1499), Johann Werner der Jüngere, Gottfried Werner (1484-1554), Margaretha und Barbara, Wilhelm Werner (1485-1575); Halbbruder Hensle, ein unehelicher Sohn Johann Werners von Zimmern, der zusammen mit den legitimen Kindern aufwuchs; verheiratet mit Eberhard von Reischach (†1531); Kinder: ein Sohn unbekannten Namens, früh verstorben; Anna, verheiratet mit Hans Heinrich Mandach.
Laufbahn: K.s Eltern hatten nach ihrer Verehelichung 1474 den Wohnsitz in Bregenz am damaligen Dienstort Werners von Zimmern genommen, wo dieser als Vogt Herzog Sigmunds von Tirol (†1496) waltete. Als Werner von Zimmern, K.s Großvater, sich altersbedingt in ein Stadthaus nach Meßkirch zurückgezogen hatte, übernahm Johann Werner von Zimmern das Amt und stieg zum Rat Herzog Sigmunds von Tirol auf. K. kam als viertes Kind 1478 zur Welt; von den vor ihr geborenen Mädchen Anna, Verena und Kunigunda überlebte nur Anna das Kindesalter. Als fünftes Kind kam 1479 als ältester Bruder Veit Werner zur Welt, gefolgt von vier weiteren Brüdern, Werner der Jüngere, Gottfried Werner und Wilhelm Werner sowie den beiden Schwestern Margaretha und Barbara, von denen 1485 Wilhelm Werner als jüngster der Geschwister geboren wurde. Spätestens seit 1478 lebte die Familie im alten Schloss in Meßkirch, wo wahrscheinlich K. geboren wurde. Während der häufigen Abwesenheit des Vaters übte Werner von Zimmern über die Familie eine Art väterliche Gewalt aus. Das Verhältnis zwischen Johann Werner von Zimmern und seinem Vater war nicht das beste. Von April bis Oktober 1483 brach Johann Werner mit einer Gruppe befreundeter Adeliger zu einer Pilgerreise ins Heilige Land auf. Als er zurückkam war sein Vater gestorben, und er konnte die vom Vater hinterlassene Herrschaft antreten.
Doch die Idylle einer standesgemäßen Lebensführung der Familie war keine lange Dauer beschieden.
In den Konflikt, der zwischen Kaiser Friedrich III. und Herzog Sigmund von Tirol bezüglich der Nachfolgefrage in Tirol ausgebrochen war, waren auch die Räte Sigmunds, darunter auch Johann Werner von Zimmern, involviert. Die Folge war, dass 1488 die herzoglichen Räte geächtet und ihr Besitz konfisziert wurde. Johann Werner von Zimmern musste das Reichsgebiet verlassen und suchte Zuflucht in der Eidgenossenschaft. Seine Frau, seine acht Kinder und der uneheliche Sohn Hensle, der zusammen mit den legitimen Kindern erzogen wurde, wurden von Schloss Meßkirch vertrieben. Zunächst bot Gottfried von Zimmern, der Großonkel und Vormund der Kinder, Zuflucht in seinem Schloss in Seedorf, bis die Familie in Weesen am Walensee wieder vereint war. Die beiden ältesten Brüder K.s Veit Werner und Johann Werner waren bereits zur entsprechenden standesgemäßen Erziehung und Ausbildung an den Hof des Pfalzgrafen und Kurfürsten Philipp (†1508) in Heidelberg gebracht worden. Die prekäre finanzielle Lage der Familie zwang dazu, dass auch der jüngste Bruder in die Obhut einer weitläufig verwandten Familie, nämlich zu Graf Georg von Werdenberg-Sargans in Graubünden kam. 1491 setzen Bemühungen ein, nicht zuletzt auf Empfehlung des angesehenen Dekans der Abtei Einsiedeln Albrecht von Bonstetten (1442-1504) K. und ihre ältere Schwester Anna in der Fraumünsterabtei in Zürich unterzubringen. 1491 erscheinen die Fräulein von Zimmern in den Akten des Zürcher Rates zusammen mit ihrer Cousine Ottilie von Bitsch als Postulantinnen, also als Anwärterinnen auf eine Chorfrauenstelle im Fraumünster. In den Rechnungsbüchern des Fraumünsters sind auch seit 1494 die Schwestern von Zimmern als Chorfrauen genannt. Als Ende Januar 1496 die Äbtissin Elisabeth von Wyssenberg starb, wurde wenige Tage danach die erst 18jährige K. als jüngste der nur vier wählbaren Chorfrauen zur Nachfolgerin bestimmt. Am 17. Juni 1496 wurde K. feierlich in ihr Amt eingesetzt. K. stand nun fünfundzwanzig Jahre der Fraumünsterabtei vor bis zu deren von K. selbst vollzogenen Übergabe an die Stadt Zürich. Über ihre Amtsführung als Fürstäbtissin ist wenig bekannt. Ohne Mitwirkung der Stadt bzw. des Konvents konnte sie über das Stiftsvermögen verfügen. In den Ratsakten der Stadt Zürich ist sie ganz selten genannt, was darauf schließen lässt, dass ihr Regiment kaum je zur Missbilligung Anlass gab. Zu Beginn ihrer Amtszeit bemühte sich K. die Zahl der Chorfrauen zu heben. Bis 1503 traten vier junge Frauen ein. Der Chorgesang dürfte ihr ein Anliegen gewesen sein; dafür gewann sie eine Verwandte, eine Nonne aus Sankt Blasien, die mit ihrer schönen Stimme den Chorgesang fördern sollte.
Als Äbtissin bemühte sich K. auch um bauliche Maßnahmen und Neuausstattung von Kirche und Stift. 1500/1501 sind teure Arbeiten an einer großplastischen, mehrfigurigen Ölberggruppe nachgewiesen, für dessen Bemalung Hans Leu der Ältere (um 1460-1507) belegt ist. Ferner wurden die Marien- und Dreikönigskapelle im Erdgeschoß des romanischen Südturms neu ausgemalt. Fenster und Türen der Kirche wurden erneuert. 1518 wird eine 1467 erwähnte Messglocke umgegossen, die Inschrift in der Krone erinnert an K. v. Z.
Darüber hinaus wurden umfangreiche und kostspielige Bauarbeiten im Bereich der Abteigebäude vollzogen. Von 1497 bis 1501 wurde ein neues Haus gebaut, doch lassen sich weder dessen Lage noch Funktion bestimmen. Im Bereich des äußeren Hofes wurden mit dem zwischen 1506 und 1508 veranlassten Neubau der Prälatur die einschneidensten baulichen Veränderungen getroffen. War die äußere Gestaltung der curia abbatiae mehr oder weniger schlicht gehalten, so wurde bei der inneren Ausstattung kein Aufwand gescheut, wie die mit Schnitzfriesen reich verzierten Decken in den Korridoren und die Vertäfelungen zweier Zimmer heute noch bezeugen. Das Gebäude wurde 1898 abgerissen. Zwei Zimmer wurden 1892 in den Neubau des Schweizerischen Landesmuseums integriert: der allgemein als „Wohn- und Empfangszimmer” bezeichnete Raum (Schweizerisches Landesmuseum, Raum 18; Abbildung der Tür zum Wohnzimmer deren Supraporte die Allianzwappen der Zimmern und Öttingen aufweisen, Helbing/Gysel [Hg.], 115) sowie das sogenannte „Gastzimmer” (Schweizerisches Landesmuseum, Raum 17; Abbildung Helbling/Gysel (Hg.), 113). Bildprogrammatik und Sinnsprüche der Wand- und Deckenfriese, die nicht ohne aktive Rolle bei der Auswahl K.s denkbar sind, verweisen auf das geistige Milieu, das in der Fraumünsterabtei in den Jahren vor der Reformation geherrscht haben mag, sowie auf die theologische Bildung und das Interesse am Humanismus von Zürichs letzter Äbtissin. Auch die Schule wurde mit großem Aufwand erneuert.
Ebenfalls im Schweizerischen Landesmuseum befindet sich der spitzovale silberne Siegelstempel aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert mit dem Bild der Heiligen Felix und Regula als Kephaloren, darüber der Hirsch aus der Gründungslegende der Fraumünsterabtei, darunter das Wappen K.s bzw. das der Zimmern (Abbildung des Siegels Helbling/Gysel (Hg.), 49). In den Jahren 1519-1522 lässt K. mit erheblichen Kostenaufwand eine Abteischule errichten.
In den Jahren vor dem Durchbruch der Reformation hat sich in Zürich ein Kreis gelehrter Humanisten versammelt. An der Fraumünsterschule lehrte Oswald Geisshüsler (Myconius), ein enger Freund des Zürcher Reformators Ulrich Zwingli (†1531). Auch K. hat sich mit den neuen Ideen auseinandergesetzt. Dies bezeugt ein Buch aus ihrem Besitz, das neun reformatorische Schriften enthält, nämlich alle Schriften Martin Luthers aus den Jahren 1522 bis 1524, in Zürich gedruckt, sowie zwei wichtige Predigten Ulrich Zwinglis: „Der Hirt. Wie man die wahren Christlichen Hirten und wiederum die falschen erkennt” und „Ein Predigt von der Ewigreinen Magd Maria”. Diese Schriften hat wohl K. selbst in einen Band zusammenbinden lassen. Das Buch befindet sich heute in unbekanntem Privatbesitz.
Ulrich Zwingli widmete ihr die Schrift „Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit”. Aber auch die Vertreter des alten Glaubens bemühten sich um sie. Doktor Johannes Eck (†1543) dedizierte ihr eine Streitschrift. Wohl nicht zuletzt unter dem Einfluss der Lehren Zwinglis, jedoch aus eigener Einsicht und Entscheidungsbefugnis, um der Stadt Unruhe und Unordnung zu ersparen, übergab sie das Stift, in dessen Gebäuden sie zuletzt einsam gelebt hatte, am 8. Dezember 1524 der Stadt. Die Stadt ihrerseits verpflichtete sich zu der von K. erbetenen Versorgung, die darin bestand, dass K. in ihrem Äbtissinnenhaus wohnen bleiben durfte und einer jährlichen Zahlung von 353 Pfund Zürcher Währung nebst Naturalleistungen wie Getreide, Wein und Holz sowie die Nutzung des Kraut- und Baumgartens. Zudem wurde ihr das Bürgerrecht verliehen.
K. blieb nicht lange im Äbtissinnenhaus wohnen, denn vermutlich vor dem Juni 1525 heiratete sie Eberhard von Reischach, einen verarmten Adeligen aus dem Hegau, der sich als Diplomat, Soldat und Söldnerführer im Dienste politisch erfolgreicherer Herren das Leben verdingen musste. Zunächst war er 1499 im Dienst der Stadt Zürich als Söldnerführer, dann stand er im Dienst Herzog Ulrichs von Württemberg (†1550). Die Verbindung zu Zürich blieb weiterhin eng. 1500 schenkte ihm die Stadt das Bürgerrecht, er heiratete Verena Göldli aus einem einflussreichen Zürcher Bürgergeschlecht, mit der er vier Kinder hatte und wohnte bis 1519 in der Stadt (Haus zum Rechberg am Neumarkt Nr. 6). In den Strudel der politischen Ereignisse rund um Herzog Ulrich von Württemberg (†1550), der 1516 und 1518 geächtet und dem das Herzogtum entzogen wurde, wurde auch Eberhard von Reischach hineingezogen, der mit der Anwerbung von Söldnern in der Eidgenossenschaft für den Herzog die Politik der Eidgenossen unterlief. Den Boden Zürichs konnte er nicht mehr ohne Gefahr für sein Leben betreten.
Was die ehemalige Äbtissin K. v. Z. und den verwitweten Kriegsmann Eberhard von Reischach bewog zu heiraten, und wie die Heiratsabrede zustande kam, ist nicht überliefert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass K. Eberhard vermutlich aus ihrer Zeit als Äbtissin kannte und Beziehungen Eberhards zu ihrer Familie eine Rolle gespielt haben mögen. Die Hochzeit fand vermutlich in Schaffhausen statt und dort verbrachte das Paar die ersten Ehejahre bis es 1527 nach Diessenhofen umzog. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor; der Name des früh verstorbenen Sohnes ist nicht bekannt. Die Tochter Anna blieb bis zu K.s Tod an ihrer Seite.
Die gut sechs Jahre dauernde Ehe mit Eberhard von Reischach muss sehr unruhig gewesen sein, überschattet von dem Bemühen Herzog Ulrichs von Württemberg, in dessen Dienst Eberhard weiterhin stand, sein Herzogtum wieder zu erlangen. In der Zuspitzung des Glaubensstreites in Zürich war es Eberhard von Reischach gelungen, den Rat von Zürich gnädig zu stimmen; 1529 kehrte er mit seiner Familie nach Zürich zurück. An der Seite Ulrich Zwinglis kämpfend, fiel Eberhard in der Schlacht bei Kappel 1531, die auch dem Reformator das Leben kostete.
Die letzten Lebensjahre nach Eberhards Tod dürften für K. ruhiger verlaufen sein. Bei der Rückkehr nach Zürich hatte sich das Ehepaar Reischach im Haus „Zum Bracken” im Oberdorf eingerichtet (Abb. Helbling/Gysel (Hg.), 91). Dort blieb sie bis 1540 wohnen; 1540 zog sie in das Haus „Zum Mohrenkopf” am Neumarkt 13, das heute noch steht (Abb. Helbling/Gysel (Hg.), 95) und wohnte dort bis zu ihrem Tod am 17. August 1547. Ihre Tochter Anna verkaufte dieses Haus, als sie im Todesjahr K.s Hans Heinrich Mandach heiratete und zog in das nebenstehende Haus, das der Familie Mandach gehörte.
Wirkung: In Zürich hat sich im Rahmen der 1988 vom Ökumenischen Rat der Kirchen an seine Mitgliedskirchen ergangene Empfehlung eine Dekade der Solidarität mit den Frauen in Kirche und Gesellschaft durchzuführen, eine vom Zürcher Kirchenrat eingesetzte Arbeitsgruppe konstituiert. Zum Abschluss der Dekade nimmt sich die Arbeitsgruppe vor, eine für die Kirche bedeutende Zürcherin aus dem Dunkel der Geschichte zu heben und bleibend sichtbar zu machen. Die Wahl fällt auf K. v. Z. 1999 wird eine Biographie in Auftrag gegeben, das Buch „Zürichs letzte Äbtissin Katharina von Zimmern 1478-1547, hrsg. von Irene Gysel/Barbara Helbling (Zürich 1999)” wird am 7. September 1999 der Öffentlichkeit präsentiert. Im Herbst 2000 formiert sich der Verein „Katharina von Zimmern” (Vereinspräsidentin: Jeanne Pestalozzi, Kirchenrätin der evangelisch-reformierten Landeskirche; der Vereinsvorstand ist ökumenisch besetzt), mit dem Ziel K. v. Z. ein Denkmal zu schaffen. Das Projekt wird von einer breiten Schirmherrschaft aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Kultur unterstützt. Nach Ausschreibung eines Wettbewerbs ergeht der Auftrag an die Plastikerin Anna Maria Bauer, eine Blockskulptur zu schaffen. Die elf Tonnen wiegende Skulptur, aus 37 Kupferblöcken bestehend, ist zu einem kompakten Quader von 997, 5 × 2065 × 595 mm (Höhe, Länge, Breite) geformt. Kupfer wurde gewählt, da es Weiblichkeit symbolisiere und da es immer wieder in neue Formen gegossen werden kann und steht somit für Wandel und Veränderung. Die Kupferblöcke nehmen die Form von Quadersteinen der Kirchenmauer auf. Die einfache und geradelinige Form der Skulptur erinnert sowohl an den Altar der katholischen Kirche als auch an den Altartisch der reformierten Kirche sowie an einen Sarkopharg. Dort wo die Skulptur ihren Standort hat, im Kreuzgang zwischen Fraumünster und Stadthaus, befand sich einst der Friedhof. Der Hof ist neu gestaltet worden. Auf einem Kupferband, das auf dem Kiesboden angebracht ist, stehen die Worte aus der Übergabeurkunde „Die Stadt vor Unruhe und Ungemach zu bewahren und tun, was Zürich lieb und dienlich ist.” Am 14. März 2004 wurde unter großer medialer Beachtung und im Beisein politischer Prominenz das Denkmal für K. v. Z. im Fraumünsterhof feierlich enthüllt.
Werke
Literatur / Quellen
L.: Abegg/Barraud Wiener 2002, Gysel/Helbling 1999, Helbling 2003, Pestalozzi 2004, Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung: Nr. 62, Montag 15. März 2004: Ein Erinnerungsort für alle Frauen. Einweihung des Denkmals für Katharina von Zimmern