Winkler von Forazest Jenny (Eugenie), geb. Herzberg; Alpinistin und Lehrerin

Geb. Buda/Ofen (Budapest, Ungarn), 14.4.1867
Gest. Wien, 24.7.1919

Herkunft, Verwandtschaften: J. H. wurde am 14. April 1867 in Buda/Ofen als Tochter des Friedrich und der Aurora Herzberg, geb. Rumler, geboren. Bis zu ihrem siebenten Lebensjahr lebte die Familie in Szeged/Szegedin, dann übersiedelten die Herzbergs nach Wien. Friedrich Herzberg verstarb 1878. Ausbildungen: J. besuchte die Lehrerinnenbildungsakademie, die sie mit Auszeichnung absolvierte, und war fast ihr ganzes Leben als Lehrerin tätig.

Laufbahn: Bereits als Kind wurde durch ihre Mutter Aurora ihre Liebe zum Alpinismus geweckt. Ausgehend von ersten Bergwanderungen im Gebiet um Payerbach wandte sie sich schließlich immer anspruchsvolleren Bergtouren zu, welche sie fast immer in Begleitung ihrer Mutter, zum Teil auch ihrer Schwester, unternahm. In den Jahren 1886 und 1887 bestiegen J. und Aurora Herzberg unter anderem den Sonnblick, den Großglockner und den Großvenediger. J. H. fühlte sich bald durch das mangelnde Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Frau seitens ihrer männlichen Alpinistenkollegen frustriert. Im führerlosen Bergsteigen, einer damals noch jungen Strömung des Alpinismus, konnte sie ihre alpinistische Erfahrung ungehindert verwerten. 1888 machte sie sich gemeinsam mit ihrer Mutter an die erfolgreiche Ersteigung des Triglav. Damit waren J. und Aurora Herzberg die ersten Frauen, die führerlos diesen höchsten Gipfel der Julischen Alpen erreicht hatten. Im selben Jahr wurde J. H. in den Österreichischen Alpenklub aufgenommen. Systematisch begingen J. und Aurora Herzberg in der Folge sämtliche wichtige Berggruppen der österreichischen, deutschen und Südtiroler Alpen, so etwa der Zillertaler Alpen, der Hohen und Niederen Tauern, des Dachstein, des Karwendel, der Allgäuer Alpen, der Julischen Alpen, der Dolomiten und der Ortlergruppe. J. H. bewältigte auf diese Weise rund hundert Gipfel der Ostalpen. Sie trat auch als literarisch anspruchsvolle Berichterstatterin der gemeinsamen Bergfahrten in alpinistischen Zeitschriften hervor. In ihren stark subjektiv gefärbten, humorvollen Berichten stellt sie immer wieder die urtümlichen Lebens- und Umgangsformen auf dem Lande dem von ihr als inhaltsleer und oberflächlich empfundenen urbanen bürgerlichen Gesellschaftsleben entgegen. Während ihrer Aufenthalte in den Bergen kleidete sie sich gerne in der ortsüblichen Tracht und begeisterte sich für die ländlichen Tänze.

1898 heiratete sie den Prokuristen Rudolf Winkler von Forazest, der eine Tochter, Augustine, in die Ehe mitbrachte. 1899 wurde Tochter Erika geboren, 1900 Hedwig und 1902 Sohn Rudolf. Mit ihrem Mann teilte sie die Liebe zu den Bergen. J. W. versuchte auch ihren Kindern das Bergsteigen, das sie als pädagogisch wertvoll erachtete, nahe zu bringen. Ihre letzte Bergfahrt machte sie mit ihren Kindern im Jahr 1916 auf die Raxalpe.

Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit brachten J. W. zahlreiche Schicksalsschläge. 1914 fiel ihr Bruder, General Herzberg. Im März 1919 starb ihr Mann Rudolf, wenige Wochen darauf ihr zweiter Bruder Theodor Herzberg. Am 24. Juli desselben Jahres starb J. W., die kurz zuvor als Lehrerin pensioniert worden war, an den Folgen der Mangelernährung und der Entbehrungen während des Krieges.

Qu.: Archiv des Österreichischen Alpenklubs.

W.u. a.: „Der Triglav (2864m). In: Der Tourist, 21. Jg., Nr. 14, 15.7.1889, 15, 1.8.1889 (= Vortrag, gehalten in der Sektion „Austria“ des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins am 2.1.1889)“, „Aus den Julischen Alpen. In: Österreichische Alpenzeitung, 12. Jg., 21.3.1890, Nr. 292“, „Wanderungen in den Lechthaler und Allgäuer Alpen. In: Österreichische Alpenzeitung, 16. Jg., 12.10.1894, Nr. 411, 16.10.1894, Nr. 412, 9.11.1894, Nr. 413“, „Zwei Bergfahrten. In: Österreichische Alpenzeitung, 18. Jg., 23.10.1896, Nr. 464, 6.11.1896, Nr. 465, 20.11.1896, Nr. 466“, „Aus der Brenta-Gruppe. In: Österreichische Alpenzeitung, 19. Jg., 25.11.1897, Nr. 492, 9.12.1897, Nr. 493, „Zwei alte Geschichten vom Grossen Buchstein. In: Österreichische Alpenzeitung, 20. Jg., 12.5.1898, Nr. 504, 26.5.1898, Nr. 505

L.: Österreichisches Familienarchiv 1963, Pichl 1927, Wödl 1919, Wundt 1901

Christine Kanzler