Von den Brincken Gertrud, geb. Freiin von den Brincken, verh. Schmied-Kowarzik; Schriftstellerin
Geb. Gut Brinck-Pedwahlen, Kurland, Russisches Reich (Lettland), 18.4.1892
Gest. Regensburg (Deutschland), 17.11.1982
Herkunft, Verwandtschaften: Angehörige der deutschbaltischen Oberschicht Lettlands, Tochter von Maximilian Baron von den Brincken und Louise, geb. Baronesse von Bistram; Schwester Margarethe, verh. von Transehe-Roseneck.
Ausbildungen: Die Autorin stammt aus der damals zum russischen Zarenreich gehörenden Provinz Lettland, aufgewachsen auf dem väterlichen Gut Neuwacken, bis zum zehnten Lebensjahr Privatunterricht, danach deutsches Privatgymnasium in Mitau; 1904 Tod des Vaters. 1912/13 Studien an der Universität Dorpat/Estland, im Ersten Weltkrieg Krankenschwester im Lazarett Wenden/Livland, 1919- 1922 Kinderkrankenschwester beim Amerikanischen Roten Kreuz in Tuckum, daneben private Ausbildung zur Englischlehrerin, bis zur Heirat Privatlehrerin für Englisch.
LebenspartnerInnen, Kinder: Am 12.8.1925 Eheschließung mit dem österreichischen Universitätsprofessor Walther Schmied-Kowarzik (1885-1958) in Mödling bei Wien; drei Kinder: Wieland (geb. 1929), Ilse-Roswith (geb. 1934), Wolfdietrich (geb. 1939).
Laufbahn: Nach Ende des Ersten Weltkriegs entstanden aus den vormals russischen Provinzen die Staaten Estland und Lettland. Die großteils deutsche Oberschicht wurde enteignet, weshalb viele ehemalige Großgrundbesitzer nach Deutschland emigrierten. Die Autorin blieb auch nach dem Verlust des Familienbesitzes in Lettland, da sie für ihre Mutter, ihre verwitwete Schwester und deren kleine Tochter sorgen musste. 1925 Heirat mit Walter Schmied-Kowarzik, seit 1920 Ordinarius für Philosophie an der Universität von Dorpat/Estland. 1927 Übersiedlung nach Frankfurt/Main (Berufung des Ehemannes an die Pädagogische Akademie), später nach Gießen bzw. Friedberg/Hessen, 1939 nach Mödling bei Wien; Mutter, Schwester und Nichte blieben in Lettland. Walter Schmied-Kowarzik unterrichtete als Studienrat am Mödlinger Gymnasium, daneben lehrte er als außerplanmäßiger Professor Philosophie an der Universität Wien, nach Kriegsende wurde er 1945-1946 in einem amerikanischen Lager in Moosburg/Isar interniert. Anfang 1945 Flucht mit den Kindern vor den anrückenden Russen zu Verwandten nach Schloss Unterbruck/Oberpfalz, in der Nachkriegszeit wieder Betätigung als Englischlehrerin; ab 1949 lebte die Familie in Regensburg. Literarische Anfänge als Lyrikerin („Wer nicht das Dunkel kennt“ 1911), bis 1926 fünf Gedichtbände. Vermutlich bedingt durch die Übersiedlung nach Deutschland und die Geburt von zwei Kindern elf Jahre keine Buchveröffentlichung, Gedichte erschienen u. a. in Zeitschriften wie „Velhagen & Klasings Monatshefte“, „Baltische Monatshefte“, „Ostdeutsche Monatshefte“, aber auch im „Völkischen Beobachter“; 1937 erster Roman „März“. In Wien vermutlich kaum Kontakt mit der hiesigen Literaturszene, vorrangiges Thema blieb über die Zeiten hinweg das Baltikum bzw. dessen wechselvolles Schicksal. Dies traf sich mit Intentionen des NS-Regimes (im Zusammenhang mit dem Russlandfeldzug 1941 Besetzung des Baltikums durch deutsche Truppen), die Werke erfuhren zahlreiche Auflagen und standen auf Förderungslisten („Unterwegs…“, „Unsterbliche Wälder“). Der Roman „Niemand“ wurde gegen Kriegsende verfilmt, aber nicht fertiggestellt, nach Kriegsende verboten. Nach 1945 setzte sich die Autorin mit dem NS-Regime auseinander: Im Drama „Wasser in der Wüste“ bzw. dem daraus entstandenen Hörspiel „Der Kinderring“ thematisierte sie die Judenverfolgung. 1977 erschien die Autobiografie „Land unter“, 1980 der letzte Roman „Nächte“. G. v. B. gilt − neben Werner Bergengruen − als wichtigste Repräsentantin der heute nicht mehr existierenden deutschsprachigen Literatur des Baltikums.
Sie war befreundet mit Börries von Münchhausen und Josef Weinheber.
Ausz.: Die Autorin erhielt hohe Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz (1982).
W.: „Wer nicht das Dunkel kennt. Gedichte“ (1911), „Lieder und Balladen“ (1917), „Aus Tag und Traum. Balladen und Lieder“ (1920), „Schritte… Neue Lieder und Balladen“ (1924), „Das Heimwehbuch. Blätter vom Baltischen Baum. Ill. von Otto Becher“ (1926), „März“ (1937), „Herbst auf Herrenhöfen. Ein baltischer Roman“ (1939), „Unsterbliche Wälder. Roman“ (1941), „Unterwegs… Gedichte“ (1942), „Der Kanzelstein“ (1943), „Niemand. Roman“ (1943, Film-Fragment, gedreht 1944/45), „Helmut sucht einen Freund. Jugendbuch. Ill. von Lilo Kleeberg“ (1949), „Stimme im Dunkel“ (1949), „Heimwehbuch“ (1950), „Aina. Erzählung“ (1959), „Der Kinderring. Hörspiel“ (Gesendet 1959 RIAS-Berlin [nach dem Drama Wasser der Wüste]), „Abschied. Eine Auswahl aus ihrem Werk herausgegeben von einem Freundeskreis“ (1961), „Ismael. Fünf Fragmente. Mit sechs farbigen Radierungen von Erich Brauer“ (1971 = Nürnberger Liebhaberausgaben), „Judas Ischarioth. Ein lyrischer Zyklus“ (1974), „Daß wir uns trennen mußten…“ (1975), „Wellenbrecher. Zweistimmige Lyrik“ (1976), „Land unter. Erlebnisse aus zwei Weltkriegen, Bolschewikenzeit und Nachkriegsjahren“ (1976), „Die Sintflut steigt. Ein Spiel in 13 Bildern“ (1977), „Wasser der Wüste. Ein Schauspiel in 5 Aufzügen“ (1977, entstanden bereits in den 50er Jahren), „Eine Handvoll Alltäglichkeiten. Erzählungen“ (1980), „Nächte. Roman“ (1981), „Gezeiten und Ausklang. Gedichte aus dem Nachlaß. Herausgegeben von Winno von Löwenstern“ (1992)
L.: Bartels 1942, Garleff 1991, Giebisch/Gugitz 1985, Gesamtverzeichnis dt. Schrifttum 1976-1981, Gottzmann 2001, Killy 1989, Kindermann 1940, Kosch 1969, Kürschner 1939, Langenbucher 1941, Langer 1940, Nadler 1941, Petersen 1933, Radke 1984, Redlich 1989, Schmid-Bortenschlager/Schnedl-Bubenicek 1982, Vancsa/Pichler/Giebisch 1948, Wilpert 1992, Deutsche Bücherei Leipzig (http://www.ddb.de), Forschungsstelle Österreichische Literatur im Nationalsozialismus, Universitätsarchiv, Universität Graz
Karin Gradwohl-Schlacher