Vibia aus Pulst, Noricum

Geb. 2.-3. Jh. n. Chr.

Geograph. Lebensmittelpunkt: Pulst (römische Provinz Noricum).

LebenspartnerInnen, Kinder: Enkel: Vibius, Sohn des Ursus.

V. ist lediglich aus einer einzigen Inschrift aus Pulst, in der Nähe von St. Veit an der Glan, bekannt, die aber dennoch einiges über diese Frau aussagt. So war sie einst eine stolze und vermögende Großmutter, da sie ihrem im Alter von lediglich vier Jahren verstorbenen liebsten Enkel („nepoti karissimo“), Vibius, einen wunderschönen Grabstein setzten ließ. In diesem ließ sie den Enkel selbst darstellen, denn die Stele zeigt über der Inschrift in einer mit einem flachen Bogen überspannten Nische das Brustbild eines Knaben. Dieser ist mit einem Ärmelgewand mit Scheibenfibeln gekleidet und hält in seiner linken Hand einen Vogel. Zudem trägt er kurzes Haar und eine einzelne längere Haarsträhne, eine sogenannte Horuslocke, an seiner rechten Seite. Das Tragen dieser Strähne, die auch Jugendlocke genannt wurde, war bei den Kindern des Pharaos im Alten Ägypten Brauch und wurde im römischen Reich von den Anhängern des Isiskultes übernommen. Sie galt als äußeres Zeichen des Kindes und wurde mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter abgenommen. Im Kärntner Raum war der Kult der Isis sehr nahe mit dem Kult der „Landesgöttin“ Noreia verbunden. So befindet sich auch in Hohenstein, ganz nahe Pulst, ein bedeutendes Heiligtum der Isis-Noreia. Ob es sich bei dem Vogel in den Händen des Knaben um ein weiteres Zeichen für den Isis-Kult handelt – es existieren in Noricum weitere Abbildungen von Kindern mit Horuslocke und Vogel –, oder V. vielleicht ihren Enkel doch mit dessen liebsten Spielzeug abbilden ließ, lässt sich nicht sicher entscheiden. Auf jeden Fall scheint aufgrund der Gestik – es sieht so aus, als würde V. den Kopf des Vogels mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand streicheln – eine liebevolle persönliche Verbindung zwischen dem Knaben und dem Tier zu bestehen. Unbekannt ist auch, ob der Vater des Jungen, Ursus, Vibius Sohn oder Schwiegersohn war. Auch ob Vibius der einzige Enkel der V. war, kann nicht nachvollzogen werden. Jedenfalls muss sie sehr betrübt über den plötzlichen Tod ihres geliebten Enkels, dessen Name wohl nicht zufällig gewählt wurde, gewesen sein, um ihm einen so außergewöhnlichen Grabstein setzen zu lassen.

Qu.: Grabinschrift gefunden in Pulst heute ebendort an der Stalltür des Pfarrhofs.

L.: CIL III 4994; ILLPRON 381; CSIRÖ II 2 32-33 Nr. 137; lupa Nr. 861.

 

Marita Holzner