Varga Lucie, geb. Stern, Rosa, Rose Morin; Historikerin

Geb. Baden b. Wien, NÖ, 21.6.1904
Gest. Toulouse, Frankreich, 26.4.1941

Herkunft, Verwandtschaften: Stammte aus einem wohlhabenden und liberalen Elternhaus, wuchs bei ihrer Mutter, Malvine Stern, in Wien auf. 1931 Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde; österreichische Staatsbürgerschaft, 1938 französische Staatsbürgerschaft.

LebenspartnerInnen, Kinder: 1924-1932 mit Dr. Josef Varga verheiratet; Tochter: Berta Varga (*1925); 1933-1937 mit dem Historiker und Philosophen Dr. Franz Borkenau-Pollak verheiratet; 1938 Scheinehe unter dem Namen „Rose Morin“ zur Erlangung der französischen Staatsbürgerschaft.

Ausbildungen: Besuch der Schwarzwaldschen Schulanstalt; ab 1926 Studium der Geschichte und Kunstgeschichte in Wien, 1931 Promotion bei Alphons Dopsch mit einer Dissertation über mittelalterliche Geschichte.

Laufbahn: Unterrichtete an der Volkshochschule Urania in Wien, emigrierte 1933 nach Frankreich. In Paris Mitarbeiterin und Beraterin von Lucien Febvre, Professor am College de France, redaktionelle Mitarbeit bei der Zeitschrift „Annales d´histoire économiques et sociale“ und bei der „Encyclopédie France“, eigenes Forschungsprojekt mit dem Ziel einer Habilitation über die Religion der südfranzösischen Katharer; mehrere Publikationen über religionsgeschichtliche und zeitgeschichtliche Themen. Verfasserin eines antifaschistischen Fortsetzungsromans in einer Tageszeitung. Ab 1939 Mitarbeiterin der Presseagentur „Agences Havas“, diverse Hilfsarbeiten zum Broterwerb, 1940 Evakuierung nach Südfrankreich, arbeitete als Sprachenlehrerin in Toulouse, in Fabriken und in der Landwirtschaft. Veröffentlichte in den 1930er Jahren Studien zur Genese des Nationalsozialismus.

L. V. war die einzige Frau, die vor dem 2. Weltkrieg bei einer französischen Geschichtszeitschrift (Annales) mitarbeitete, mit ihrem Aufsatz „Zeitenwende“ veränderte sie den Blick der französischen Historie auf den Nationalsozialismus hinsichtlich der Interpretation im Sinne eines Religionsersatzes.

Qu.: Tagblattarchiv (Personenmappe).

W.: „Eine Untersuchung über die Entstehung des Schlagwortes vom ‚Finsteren Mittelalter‘. Phil. Diss.“ (1931), „Das Schlagwort vom ‚finsteren Mittelalter’“ (1932), „Der Katharismus. Ein methodisches Problem der Religionsgeschichte“ (1936), „Die Entstehung des Nationalsozialismus“ (1937), „Hexenglaube in einem ladinischen Tal“ (1939), „Zeitenwende. Mentalitätsgeschichtliche Studien 1936-1939. Eingel., übers. und hrsg. v. Peter Schöttler“ (1991)

L.: Dissertationsverzeichnis, ÖNB 2002, Schöttler 1991, Schöttler 1994, Schöttler 1997, Schöttler 2000, Schöttler 2002