Twardowski-Conrat Ilse Beatrice

(Jesi), verh. von Twardowski (auch Twardowska); Bildhauerin.

Geb. Wien, 20.1.1880
Gest. München, Deutschland, 9.8.1942

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Johannes Conrat und Ida Conrat, geb. Cron. Schwester der bekannten Kunsthistorikerin Erika Tietze-Conrat.

LebenspartnerInnen, Kinder: Heirat am 27.5.1910 in London mit Ernst von Twardowski, Generalmajor, geboren am 21.12.1849 in Posen, stammte aus polnischem Adelsgeschlecht. Kind: Elisabeth (geb. 15.6.1920 in München- gest. 6.8.2001 München).

Freundschaften: Freundin der Malerin Irma von Duczynska; Kollegin der Mitglieder des Arbeitsauschusses der VBKÖ (Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs), u. a. Olga Brand-Krieghammer, Louise Fraenkel-Hahn. Bekanntschaft mit Alma Schindler (sp. Mahler-Werfel).

Ausbildungen: Wuchs im großbürgerlichen assimilierten jüdischen Elternhaus im ersten Wiener Bezirks (Walfischgasse 12) auf; Johannes Brahms war oft zu Gast bei Hugo Conrat, der den Text für Brahms „Zigeunerlieder” umgeschrieben hat, auch Alma Schindler (sp. Mahler-Werfel) war oft zu Gast. Es gab große Gesellschaften mit bekannten internationalen KünstlerInnen, u. a. Khnopff, van der Stappen und A. Zemlinsky. Ihre Eltern leiteten einen lebhaften Salon, der um die Jahrhundertwende ein Treffpunkt für KünstlerInnen und Intellektuelle war. Wurde von Hauslehrern und Gouvernanten erzogen, obwohl ihre Schwestern Erika und Lili das Institut Hanausek gemeinsam mit Alma Schindler (sp. Mahler-Werfel) besuchten. Später (mit 16 Jahren) besuchte I. das Mädchengymnasium des Vereines für erweiterte Frauenbildung in der Hegelgasse, wo sie auch maturierte. Erster künstlerischer Unterricht im Zeichnen und Modellieren bei Josef Breitner, kam 18-jährig als Privatschülerin an die Akademie in Brüssel zu Charles van der Stappen (1843-1910), bei dem sie drei Jahre (1899-1901) studierte und dessen Naturalismus sie stilistisch zu vereinfachen strebte. Van der Stappen hatte mit seiner Frau mehrere Wochen lang bei Conrats gewohnt, als im Jahre 1900 der belgische Bildhauer eine Kollektivausstellung in der Secession hatte. Nach dem Tod ihres Vaters begleitete die Großmutter I. nach Brüssel, wo sie mit ihr bis zum Frühling blieb. Später kam sie wieder nach Wien, wo sie Einflüsse des Jugendstils aufnahm. Studienreise: Italien, Frankreich, England, Belgien, und Holland, auch Ägypten und Orient.

Laufbahn: Bildhauerin, schuf vorwiegend Figuren und Porträtbüsten (Marmor, Stein, Bronze, Gips) von bekannten Persönlichkeiten (z. B. Kaiserin Elisabeth, Feruccio Busoni, Karl Wolfskehl, Theodor Gomperz, Alma Mahler, usw.), auch Denkmale und Keramiken.

Im Jahre 1897, als sie noch 17 war, bekam sie den Auftrag für die Totenmaske, Büste und Grabdenkmal (Enthüllung 1903 am Wiener Zentralfriedhof) von Johannes Brahms. 1901 wurde die junge Bildhauerin auf der Internationalen Kunstausstellung in München mit der Goldenen Nadel für ihre „Tänzerische Nackte mit nassem Haar” ausgezeichnet. In Wien beschickte sie die Ausstellungen der Secession u. a. 1902 „Junger Mann” (Bronze), „Odi profanum vulgus et arceo” (Marmor und Gipsplastik), „Nasse Haare;” 1910 „Kunst der Frau“ einen „Weibliche Kopf” (Bronze), die Marmorbüste Kaiserin Elisabeth und eine Porträtstudie in Salzburger Marmor. 1907 veranstaltete die Galerie Miethke eine Ausstellung ihrer Werke (siehe Rezension von L. Hevesi). Für den Wiener Zentralfriedhof schuf sie das Grabmal Johannes Brahms, für die Arkaden der Wiener Universität das Denkmal „Zdenko Hans Skraup.” Porträtrelief in Halbfigur, Bronze. Für den Südpark von Breslau entstand „Der Gärtner” in Bronze und eine „Monumentale Bank.” 1914 folgte sie ihrem Mann von ihrem Wohnsitz Rom nach München.

Nach dem Ersten Weltkrieg musste sich C. ihren Lebensunterhalt als Hutmacherin verdienen, nebenbei entwarf sie Keramiken für die Keramikfabrik Allach. Ihre Jugendfreundin Ilse Leembrugger ermöglichte ihr mit finanzieller Unterstützung die Fortsetzung der künstlerischen Arbeit. Während der NS-Zeit war ihr die Berufsausübung offiziell untersagt; 1936 erfolgte der Ausschluss aus der Reichskammer für bildende Kunst (siehe Dokumente in ihrem Nachlass im Münchener Stadtarchiv). Infolgedessen bezog T.-C. ein Haus mit unzureichenden Arbeitsmöglichkeiten in einem Vorort Münchens, aber die meisten der in dieser Zeit entstandenen Arbeiten zerstörte sie wieder. Am 17.7.1942 erhielt sie einen ersten Deportationsbefehl zugestellt, aus dem hervorging, dass sie sich am 10.8.1942 für die „Abwanderung” bereithalten solle. Eine Freundin (Carola Frenzel) hatte ihr angeboten, sie im Wald zu verstecken. I. wollte sie jedoch nicht in Gefahr bringen und nahm sich einen Tag vor dem Abtransport das Leben. Sie wurde auf dem Neuen Israelitischen Friedhof beigesetzt. Ihre Tochter Elisabeth galt als Mischling I. Grades und wurde nicht deportiert, musste aber Zwangsarbeit in einem chemischen Betrieb dienen.

Ausstellungen u. a.: 1901 Internationale Kunstausstellung München (1901 Goldmedaille für „Nasse Haare” ), 1902-5 Secession, Wien, XIII. Ausstellung der Secession (1902) Odi profanum vulgus er arceo, Marmor, 47; Junger Mann, Bronze, 136; Portrait, Bronzeplakette, 139; Nasse Haare, Gips, 145, XVII. Ausstellung der Secession (März-Mai 1903) Ferruccio Busoni, Bronze, 122, 1907 Galerie Miethke Ausstellung, Wien („In Gedanken“ Bronze; „Mutter“ Marmor; „Eris“ Gips), 1908 Franz Hanckes Kunstsalon, Breslau, 1909 8 Künstlerinnen, Wien, 1910 Erste Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen, Österreichs, „Die Kunst der Frau”, 1912 Dritte Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, 1911/14 Rom Internationale Ausstellung, 1918/9 Münchner Kunstverein, 1934 Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen (GEDÖK), Berlin, Hamburg, Frankfurt, London, Paris, Venedig, München. VBKÖ Ausstellungen: XXXVII. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs, Wien. I. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Oesterreichs. „Die Kunst der Frau.” Wien: Moriz Frisch, 1910. Katalog der dritten Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Wien: Gerold, 1912. Zwei Jahrhunderte Kunst der Frau in Österreich: Jubiläums Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs [Hagenbund 26 Mai- 9 Juni 1930]. Vienna: Selbstverlag der VBKÖ, 1930.

Ausz., Mitglsch.: Gründungsmitglied (1910) und erste Vicepräsidentin der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, Organisation und Beteiligung an deren Ausstellungen (siehe unten), besonders für die erste „Kunst der Frau” Ausstellung im Jahre 1910. VBKÖ Arbeitsaussschuss-, Hängekommission-, und Jury-Mitglied. Das Ziel der neuen Vereinigung bezweckte, die Arbeiten ihrer Mitglieder vorzuführen und dadurch die Interessen der künstlerisch tätigen Frauen zu heben. 1910 reiste C. nach England, Holland und Belgien, um wichtige Kunstwerke von Frauenhand für die kommende Ausstellung zu erwerben, bzw. von privaten und öffentlichen Sammlungen zu entlehnen. Dreimal war sie als Vicepräsidentin der VBKÖ ausgewählt. 1901 Goldmedaille München Ausstellung („Nasse Haare“).

Werke

Literatur / Quellen

Qu.: Archiv der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, Österreichische Galerie Belvedere Archiv (Nachlass R. Schmidt), Österreichische Staatsarchiv (OeStA), Nachlass im Münchener Stadtarchiv, Alma Mahler-Werfel Nachlass, University of Pennsylvania, Werke im Besitz des Museums der Stadt Wien (Porträtbüste Johannes Brahms, Marmor).

L.: Biographische Gedenkbuch 2007, Doppler 2000, Hevesi 1907, Hirsch 1905, Jahresberichte der VBKÖ 1911-1917, Jansa 1912, Krapf-Weiler 2007, Kuzmany 1910, 1911, Johnson 1997, Meister 1934, Plakolm-Forsthuber 1994, Seligmann 1910, 1910a, 1927, 1930, Zifferer 1910, Die Kunst für Alle Band XXVI (Feb 1911): 202 (Abb), Kunstchronik, N.F. XIII: 281, ÖBL

BiografieautorIn:

Megan Brandow-Faller