Tausk Martha
geb. Frisch; Frauenrechtsaktivistin, Parteifunktionärin und Bundesrätin
Geb. Wien, 15.1.1881
Gest. Nijmegen, Niederlande, 20.10.1957
M. T. ist eine der – wie so viele andere Frauen auch – Vergessenen, eine Pionierin der Sozialdemokratie, eine Verfechterin der Frauenrechte und eine Frau, die in ihrer Zeit und unter den damals herrschenden Bedingungen eine ungewöhnliche Karriere gemacht hat.
M. T. wurde am 15. Jänner 1881 als Martha Frisch in Wien geboren. Sie stammte aus einem bürgerlichen, sozialdemokratisch orientierten Elternhaus. Die Eltern M.s waren Migranten aus dem Osten der Monarchie. Der Vater betrieb eine Druckerei in Wien, war Mitbegründer der Arbeiterzeitung (1889) und hatte sehr gute Kontakte zu den führenden Sozialdemokraten der Zeit. Die Mutter, Anna Kluhova, engagierte sich im Allgemeinen Österreichischen Frauenverein.
M. hatte das Glück, einen Zugang zu Bildung zu bekommen. Sie absolvierte die Handelsschule, bekam Privatunterricht und besuchte einen Gymnasialkurs für Mädchen. Die Matura legte sie aber nicht mehr ab, denn sie heiratete zuvor. M. war 17 Jahre alt, als sie die Bekanntschaft von Victor Tausk, ihrem späteren Ehemann, machte. Zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit war M. noch minderjährig, deshalb mussten die Eltern ihre Zustimmung zur Heirat erteilen.
M. und Victor zogen bald nach ihrer Hochzeit nach Sarajevo. Victor musste die Abschlussprüfungen für sein Jusstudium an der Universität Sarajevo ablegen. In Sarajevo wurde im Februar 1902 ihr erster Sohn, Marius, geboren. Im Jahr darauf kam ihr zweiter Sohn Victor Hugo zur Welt. M. war unglücklich in Bosnien, die Ehe mit Victor verlief sehr unerfreulich und ihr fehlte ein inspirierendes Umfeld, das sie dort vermisste. Im Jahr 1905 entschieden sich M. und Victor zurück nach Wien zu gehen. Sie lebten getrennt voneinander. 1908 wurde ihre Ehe geschieden. M. arbeitete damals in der Druckerei ihres Vaters als Buchhalterin. Auch wenn sich ihre Lebensumstände sehr verändert hatten, war sie überglücklich wieder in Wien sein zu können. In diese Jahre fiel auch der Beginn ihres politischen Engagements. Auf Anraten Otto Bauers, eines Freundes der Familie, trat M. 1911 in die Sozialdemokratische Partei ein. Schon bald profilierte sie sich als hervorragende Rednerin und als begeisterte Verfechterin für Frauenrechte. Sie trat in den ersten Jahren vor allem für die Erlangung des Frauenwahlrechts ein.
Nachdem die Druckerei von M.s Vater geschlossen wurde, arbeitete M. in verschiedenen Betrieben als Buchhalterin. Da die Söhne in einem Internat in Krumau waren, war es M. möglich, nach Zagreb, wo sie Freunde und Familie hatte, zu übersiedeln und dort zu arbeiten. M. hielt von Zagreb aus intensiven Kontakt zu den SozialdemokratInnen, unter anderem zu Adelheid Popp und Friedrich Adler. Es war Adelheid Popp, die M. nach Graz zu einer „Proberede“ einlud, um ihr einen Start in der steirischen Politik zu ermöglichen. M. hatte Erfolg mit ihrer Antrittsrede und wurde 1917 im Parteisekretariat Graz angestellt. Mit Ende des 1. Weltkrieges hatten Frauen nun das erreicht, wofür sie so viele Jahre kämpften – das Wahlrecht. Im Februar 1919 gab es zum ersten Mal Wahlen in Österreich, an denen Frauen teilnehmen durften. M. T. war schon Ende 1918 in die provisorische Landesversammlung der Steiermark eingezogen. Dort war sie als erste (und einige Wochen lang einzige) Frau in Österreich vertreten. In ihrer ersten Sitzung als Mandatarin, am 6. November 1918, wurde M. weder begrüßt noch persönlich angesprochen. Der Altersvorsitzende Franz Wagner begrüßte nur „[…] die Hochverehrten Herren Repräsentanten der neuen Landesregierung“. M. engagierte sich für eine neue Dienstbotenverordnung und arbeitete im Unterrichtsausschuss, in dem sie für die Aufhebung des Eheverbotes für Lehrerinnen eintrat. Auch in der Internationalen Arbeit engagierte sich M. 1923 wurde sie am Kongress in Hamburg Gründungsmitglied der Sozialistischen Arbeiter Internationale. 1927 wurde M. in den Bundesrat entsandt und legte ihr Mandat im steirischen Landtag nieder. M. war wenig erfreut über ihr neues Arbeitsgebiet in Wien. Sie war der Meinung, dass „der Bundesrat […] eine ganz sinnlose, überflüssige Körperschaft ohne Existenzberechtigung“ ist.
1928 wird M. von Friedrich Adler als internationale Frauensekretärin nach Zürich ins Sekretariat der Sozialistischen Arbeiter Internationale (SAI) berufen. Sie wurde Mitarbeiterin von Friedrich Adler und wurde Herausgeberin der ersten Zeitschrift für die Schweizer Arbeiterin „Frauenrecht“. Im Jänner 1929 erschien die erste Nummer der Zeitschrift.
1934 entschied sich M. nach Österreich zurückzugehen, dass sie dort allerdings nicht lange bleiben konnte, war ihr klar. Im Jahr 1939 emigrierte sie daher in die Niederlande zu einem ihrer Söhne und lebte fortan in Nijmegen. Sie engagierte sich auch dort – diesmal für ÖsterreicherInnen, die nach dem Krieg zurückkehren wollten. Unbezahlt und unbedankt von der österreichischen Politik. Im Oktober 1956 starb M. T. in Nijmegen.
Ausz.: Im Rahmen des Projekts „WOMENT!“ wurde 2003 (Graz – Kulturhauptstadt Europas) eine Tafel zur Würdigung der Leistungen M. T.s im Hof des Landhauses in Graz angebracht.
Werke
Literatur / Quellen
Qu.: Stenorgraphisches Protokoll über die erste Sitzung der steiermärkischen provisorischen Landesversammlung am 6.11.1918, S. 1 (Landesarchiv Graz). M. T. an Minka und Fran Govekar, Pfingsten 1927 (Narodna in Univerzitetna Knjižnica, Ljubljana. Universitätsbibliothek Ljubljana).
L.: Dorfer 2008