Sturm Hanna; Fabrikarbeiterin, Politische Aktivistin und Widerstandskämpferin

Geb. Klingenbach (Klimpuhl), Bgld. 1891

Gest. Zagreb, Jugoslawien (Kroatien), 1984

Herkunft, Verwandtschaften: Ihre Eltern stammen aus den kroatischen Dörfern im Burgenland Großwarasdorf/Veliki Boristof und Nikitsch/Filez. Der Vater war Tischler, Sozialdemokrat und Gewerkschafter; auf seine Initiative entstanden in einigen Dörfern im ungarisch-österreichischen Grenzgebiet Konsumläden. Er stirbt 1922.

LebenspartnerInnen, Kinder: Therese (geb. 1912), Studium in der UdSSR, 1935 verhaftet, in sibirischen Lagern, heiratete dort einen jugoslawischen Ingenieur, 1955 wird das Ehepaar rehabilitiert und übersiedelt 1957 nach Zagreb. Relli (1915-1919).

Laufbahn: H. St. wächst unter ärmlichen Verhältnissen auf und musste ab ihrem achten Lebensjahr zum Einkommen der Familie beitragen, indem sie in der Landwirtschaft und in Fabriken arbeitete. Zunächst ist sie in der Zuckerfabrik von Siegendorf tätig. Die Arbeit ist zwar für Kinder unter zwölf Jahren verboten, doch gegen Bestechungsgeld sind Notare bereit, die Arbeitsbücher der Kinder zu fälschen. 1907 zieht H. St. nach Wien und ist als Textilarbeiterin tätig. Sie ist bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr Analphabetin. 1908 tritt sie der Gewerkschaft bei und 1910 der SDAP. Aufgrund ihrer politischen Tätigkeit verliert sie ihren Arbeitsplatz in Wien. Sie übersiedelt nach Blumau/Niederösterreich, weil sie dort eine Stelle in einer Rüstungsfabrik hat. Wegen Sabotage wird sie im August 1917 verhaftet und im Jänner 1918 nach einem Freispruch entlassen.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie muss sie als Ungarin Österreich verlassen. Sie unterstützt den Kampf der Räteregierung unter Bela Kun, indem sie Geld für die Rote Armee sammelt und als Kurierin die Grenze von Österreich nach Ungarn mehrmals illegal überschreitet. Sie brachte nach Sturz der ungarischen Räterepublik Béla Kun illegal über die Grenze und versteckte ihn 3 Tage lang in ihrer Wohnung.

1922 wird sie zur Betriebsrätin der Neufelder Jutefabrik gewählt. Es gelingt ihr, die kroatischen ArbeiterInnen in den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen einzubinden. 1924 nimmt sie als Delegierte an einer internationalen Tagung in Moskau teil. 1925 tritt sie zur KPÖ über; bald darauf wird sie zur Vorsitzenden des Arbeitslosenkomitees in Eisenstadt gewählt. 1927 wird über sie „Stadtverbot“ verhängt. Im selben Jahr nimmt sie als Leiterin der österreichischen Delegation an einem internationalen Frauentreffen in Moskau teil. 1929 übersiedelt sie nach Berlin, später nach Bremen. Nach erfolgreichen Betriebsratswahlen wird sie 1930 des Landes verwiesen. 1930-1932 Aufenthalt in der UdSSR, Mitglied der KPdSU.

Zur Zeit des Austrofaschismus ist H. St. illegal politisch tätig und verbüßt mehrere Haftstrafen. Am 13.3.1938 wird sie verhaftet und vorerst in das KZ-Lichtenburg deportiert, 1939 nach Ravensbrück, wo sie als Handwerkerin (Sturm-Kolone) Widerstand leistet, indem sie den Insassinnen das Leben erleichtert und sogar einige von ihnen vor dem Gastod bewahren kann. Nach 1945 war sie Kronzeugin in mehreren Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg, Rastatt und Hamburg.

Von der Gemeinde Neufeld bekommt sie eine Schottergrube als Baugrund zur Verfügung gestellt. Sie baut sich eigenhändig ein Haus in dem sie bis 1984 lebt.

biograph. Mitteilungen, Hinweise: Film, Projektgruppe „Frauen im antifaschistischen Widerstand“.

Qu.: Tagblattarchiv (Personenmappe).

W.: „Die Lebensgeschichte einer Arbeiterin. Vom Burgenland nach Ravensbrück“ (1982)

L.: Berger 1987, BLÖF, Müller 1981, Sporrer/Steiner 1983, Werner/Benario 1961 (H. St. tritt unter dem Pseudonym „Marta“ auf)

 

Karin Nusko