Stromberger Maria; Krankenschwester und Widerstandskämpferin
Geb. Metnitz, Kärnten, 16.3.1898
Gest. Bregenz, Vbg., 18.5.1957
M. St. wurde 1898 in Metnitz als Tochter des Handelsangestellten Franz Seraph Stromberger und der Gastwirtschaftsbesitzerin Maria, geb. Lapeiner, geboren. Mit vierzehn Jahren absolvierte sie einen Kindergärtnerinnenkurs, danach eine landwirtschaftliche Ausbildung. Anschließend arbeitete sie bei Verwandten zunächst in einem Hotel, danach als Köchin in einem Gasthaus. Mit über dreißig Jahren übersiedelte sie nach Bregenz, wo sie im Sanatorium Mehrerau eine Ausbildung zur Krankenschwester begann, die sie in Heilbronn fortsetzte und mit dem Diplom abschloss. Nach Beginn des 2. Weltkrieges kurzfristig in Göppingen beschäftigt, wurde sie anschließend in ein Kärntner Lazarett dienstverpflichtet. Berichte über die Verbrechen der deutschen Besatzer bewogen die überzeugte Katholikin dazu, ihre Versetzung nach Polen zu beantragen, um sich aus eigener Anschauung ein Bild zu machen. Am 1. Juli 1942 trat sie im Infektionsspital von Królewska Huta/Königshütte ihren Dienst an. Dort war sie erstmals mit Insassen des Konzentrationslagers Auschwitz konfrontiert. Daraufhin ersuchte sie um Versetzung nach Auschwitz, wo sie am 1. Oktober 1942 eintraf und dem Standortarzt Dr. Eduard Wirths als Oberschwester im SS-Krankenrevier zugeteilt wurde.
Die erschütternden Eindrücke, die sie von den Ereignissen im Lager gewann, bestärkten M. St. in ihrem Entschluss zum Widerstand. Sie erwarb bald das Vertrauen der im Revier beschäftigten polnischen Häftlinge. Gemeinsam mit ihnen gelang es ihr, Lebensmittel und Medikamente zur Versorgung von Lagerinsassen abzuzweigen. Zugleich erklärte sie sich zur Weiterleitung privater Post bereit. M. St. informierte die Häftlinge auch über die aktuelle militärische Lage. 1944 erfolgte schließlich die Einbindung M. St.s in den organisierten Lagerwiderstand. Im Auftrag der „Kampfgruppe Auschwitz“ stellte sie Kontakte zu Verbindungsleuten der bewaffneten polnischen Befreiungsbewegung her und beförderte Nachrichten, illegale Zeitungen, Medikamente, Waffen und Sprengstoff zwischen dem Lager und der Außenwelt. Von einem Heimaturlaub in Bregenz brachte sie zwei Revolver mit, die sie einem Angehörigen des polnischen Lagerwiderstands zukommen ließ. Mit ihrer Hilfe gelangten die von Hermann Langbein, dem Schreiber Wirths‘, erstellten Berichte über die Häftlingssterblichkeit in Auschwitz nach Wien. Diese wurden in einem Flugblatt verarbeitet, das in Wien in Umlauf gebracht wurde. Außerdem gab sie Informationen über die Pläne des medizinischen Personals an die Widerstandskämpfer weiter. Da die Geschehnisse im Lager ihr sehr zusetzten und ihre Gesundheit angegriffen war, trug sich M. St. mit dem Gedanken, einen Heimaturlaub in Bregenz zur Emigration in die Schweiz zu nutzen. Auf Bitten der Häftlinge erklärte sie sich jedoch bereit, nach Auschwitz zurückzukehren. Ihr Engagement für die Lagerinsassen brachte M. St. mehr als einmal in unmittelbare Gefahr. So wurde sie von einem SS-Sanitäter beim Abzweigen von Lebensmitteln beobachtet und bei Wirths denunziert. Da dieser die kompetente Mitarbeiterin schätzte, kam sie mit einer Verwarnung davon. Auch verweigerte M. St. ihre Unterschrift zu einem Passus eines vom Personal zu unterzeichnenden Rundschreibens, der sich auf die verpflichtende Mitwirkung an einer Vernichtungsaktion an ungarischen Juden bezog. Im Jänner 1945 veranlasste Wirths die Berufung M. St.s nach Berlin und schließlich ihre Einweisung in eine Prager Klinik aufgrund angeblichen Morphinismus. Vermutlich versuchte er die missliebig gewordene Schwester mit dieser Maßnahme dem Zugriff der Politischen Abteilung der Lagerverwaltung zu entziehen.
Kurz vor Kriegsende kehrte M. St. nach Bregenz zurück. Im Frühjahr 1946 wurde sie von den französischen Besatzungsbehörden unter dem Vorwurf, in Auschwitz Häftlinge durch Phenol-Injektionen ermordet zu haben, verhaftet und für mehrere Monate interniert. Erst auf Intervention ehemaliger polnischer Insassen wurde sie freigelassen. Gesundheitlich angeschlagen und durch ihre Erlebnisse in Auschwitz traumatisiert, gab sie ihren Beruf als Krankenschwester auf und trat 1949 als Näherin in eine Textilfabrik ein. Im Warschauer Prozess gegen den Lagerkommandanten von Auschwitz Rudolf Höss (1947) sagte sie als Zeugin aus. Der Bundesverband Österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus ernannte sie 1955 zum ersten Ehrenmitglied. 1957 verstarb M. St. nach einem zahnärztlichen Eingriff an einem Herzinfarkt. In Bregenz erinnern heute eine Gedenktafel am Sanatorium Mehrerau, ein Weg beim Landeskrankenhaus sowie eine Station des 2002 eröffneten Gedenkweges an M. St., die aufgrund ihrer Fürsorge und Solidarität von den Häftlingen als „Engel von Auschwitz“ bezeichnet wurde.
Qu.: DÖW 98, 4469.
L.: Eder o. J., Garlinski 1975, Johann-August-Malin-Gesellschaft 1985, Langbein 1995, Langbein 1995a, Walser 1988, Wolff 1987
Christine Kanzler