Strasser Jenny (Eugenie Luise Leona), geb. Berger; Parteifunktionärin

Geb. Wien, 18.1.1913

Gest. Wien, 20.7.2009

B. wurde als siebentes von acht Kindern eines Artistenehepaars geboren. Die Eltern waren bei verschiedenen Wanderzirkussen engagiert, später gaben sie diesen Beruf auf. Der Vater wurde Hilfsarbeiter, die Mutter arbeitete als Kinokassierin. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie waren äußerst beschränkt, vier der Kinder starben an Kinderkrankheiten. J. wuchs im Prater auf. Nach dem Schulabschluss arbeitete sie in einer Mineralölfirma, danach begann sie eine Banklehre, wurde aber 1932 infolge der Wirtschaftskrise gekündigt. Bereits als Kind war sie sozialdemokratisch organisiert, zunächst bei den Kinderfreunden, dann bei den Roten Falken, später bei der SAJ. Die sozialistischen Leopoldstädter Jugendlichen standen ideologisch weit links, was ihr prompt Schwierigkeiten einbrachte, als sie sich mit sechzehn Jahren als Maturaschülerin den Sozialistischen Mittelschülern in Ottakring anschloss. Außerdem war J. B. im Nachrichtendienst des Schutzbunds im 1. Bezirk tätig. Bereits 1933 begannen die Jugendlichen, ihre politischen Aktivitäten auf die Bedingungen der Illegalität umzustellen. Bei einem Einsatz beobachtete J. B., wie Postsäcke vom Postamt in die Polizeidirektion getragen werden und sorgte dafür, dass tags darauf über diesen offenkundigen Fall von Zensur in der Presse berichtet wurde. Wenige Tage vor dem Ausbruch der Februarkämpfe 1934 beobachtete sie Lieferungen von Ware, die sie für Verbandszeug hält, zum Sitz der Heimwehr. Man war daher auf den bevorstehenden Ausbruch von bewaffneten Auseinandersetzungen vorbereitet. Am 12. Februar schlägt sie sich mit einer List zum Goethehof durch, ist jedoch mangels Munition und schlechter Organisation zur Untätigkeit verurteilt. Im Sommer 1934 lernte sie ihren späteren Mann Peter Strasser (geb. 3.7.1917), Sohn der linksoppositionellen Kommunisten Isa und Josef Strasser und sozialistischer Jugendfunktionär, kennen. Zu dieser Zeit war J. B. Bezirksobfrau der RSJ Leopoldstadt, später Kreisleiterin für die Bezirke 2, 20 und 21 sowie neben Egon Breiner und Peter Strasser Mitglied des ZK der RSJ. Unermüdlich ist sie als Kurierin unterwegs, transportiert und verteilt illegales Material und ist an der technischen Herstellung von Untergrundpublikationen beteiligt. Im März 1936 wird sie aufgrund einer Denunziation verhaftet, ihr kann aber keine politische Tätigkeit nachgewiesen werden. Ihre Aufgaben übernahm während ihrer Haft Anni Feuermann.

Am 14. März 1938 verließen J. und Peter Strasser Wien ins Schweizer Exil. Ihr Weg führte sie im August desselben Jahres nach Frankreich. Nach kurzem Aufenthalt in Paris übersiedelten sie nach La Trouche in die Nähe von Grenoble, wo sie als Pächter einer Schutzhütte, die als Jugendherberge diente, ihren Lebensunterhalt bestritten. Die Herberge war auch Treffpunkt österreichischer Emigranten und Angehörigen der französischen Linken. Am 2. September 1939 wurde Peter Strasser verhaftet und war in verschiedenen Lagern interniert, u. a. in Les Milles, von wo er schließlich flüchtete. J. B., mittlerweile Mutter einer Tochter (geb. 8.7.1939), versteckte ihren Lebensgefährten. Kurz darauf heirateten sie. Peter Strasser wurde vom Vichy-Regime an Deutschland ausgeliefert und in einen Rüstungsbetrieb zwangsverpflichtet. 1942 kehrte J. St. nach Österreich zurück und erwirkte über die Verwandten ihres Mannes dessen Entlassung.

Nach 1945 wurde J. St. ins erste Frauenzentralkomitee der SPÖ gewählt. Sie widmete sich dem Aufbau der Sozialistischen Jugend Österreichs und organisierte Jugendlager und Schulungen. Die Zeit der Illegalität bezeichnete sie als ihre „schönste Zeit“.

Qu.: DÖW, Sammlung Erzählte Geschichte, Interview 084; DÖW 18882/15; VGA, Lade 24, Mappe 10 (Strasser Peter und Jenny), Verstorbenensuche: http://www.friedhoefewien.at.

L.: Etzersdorfer/Schafranek 1984, Jenny Strasser 70. In: AZ, 18.1.1983, Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus – zum Ableben von Jenny Strasser. Presseaussendung 22.7.2009: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090722_OTS0194/bund-sozialdemokratischer-freiheitskaempfer-und-opfer-des-faschismus-zum-ableben-von-jenny-strasser)

 

Christine Kanzler