Steiner Lilly, geb. Hofmann; Malerin und Grafikerin
Geb. Wien, 7.4.1884
Gest. Paris, Frankreich, 3.10.1961 (Fuchs: gest. 1962 in Wien)
LebenspartnerInnen, Kinder: 1904 heiratet sie den Industriellen Hugo Steiner, einen Schulkollegen von Karl Kraus und, seit 1903 Freund und Auftraggeber von Adolf Loos. 1927 übersiedelt das Ehepaar Steiner nach Paris, wo Hugo Steiner Geschäftsführer einer Knize-Filiale wurde. Nach 1945 kehrte Steiner nicht mehr nach Österreich zurück.
Ausbildungen:1899-1904 Kunstgewerbeschule für Frauen und Mädchen bei Ludwig Michalek. Steiner selbst bezeichnet sich als Bildnis- und Landschaftsmalerin sowie Graphikerin.
Laufbahn: L. St. widmet sich nach ihrer Ausbildung zur Künstlerin bis zum Alter von 33 Jahren ausschließlich ihrer Rolle als Mutter. Erst danach tritt sie – dafür umso progressiver – an die Öffentlichkeit.
Ohne männlichen Protektionismus gelingt ihr sogar, als eine von wenigen Künstlerinnen ihrer Zeit, die Aufnahme in den Hagenbund. Sie zählt heute zu den vergessenen Vertreterinnen des österreichischen Expressionismus in Graphik und Malerei. Ihr Werk ist, obwohl sie zwei ihrer wichtigsten Werke der Österreichischen Galerie Belvedere schenkte, bis heute nicht „museumswürdig“. Ihr Werk wird, wie das der meisten Künstlerinnen, nicht der Öffentlichkeit gezeigt.
1910 erbaute Adolf Loos für das Ehepaar Steiner eine architekturhistorische bedeutende Villa in Wien XIII, St.-Veit-Gasse 10. Das Haus Steiner wird bald eines der künstlerischen und gesellschaftlichen Zentren des damaligen Wien.
St. macht 1917 erstmals von sich reden mit dem Kaltnadelzyklus „Winter im Hochgebirge“, der im Rahmen eines kriegsbedingten, erzwungenen Aufenthaltes entsteht. Während des Ersten Weltkriegs erfolgt eine tiefe künstlerische Wandlung: Steiner erlebte „[…] Hunger und Elend, Freude und Freundschaft“ […]. „Jetzt hatte mich das Leben gepackt und ließ mich nicht mehr los. Jetzt kamen die ersten Bilder und die ersten Kompositionen, ich malte nicht mehr, um die Natur zu kopieren, sondern um meine inneren Bilder ans Licht zu bringen. Denn es war in mir etwas aufgebrochen, was ich mitteilen mußte.“ (Steiner 1926, S. 4)
Anfangs ist ihr Werk von Oskar Kokoschka beeinflusst („Abschied“), dann beruhigt sich der Stil: Nun folgt ein aus Farbe entstehender Bildaufbau mit energischem, dynamischen Rhythmus so z .B. „Junges Mädchen“, 1921; „Ausblick vom Belvedere“, 1925; s .auch „Gurrelieder,1921 „Trio“: 1922.
In Paris erhält sie nach ihrer Übersiedlung 1928 in Kunstkritiken jene Anerkennung, die ihr in Österreich versagt blieb. Es entstehen große figurale Kompositionen, zum Teil Kartons für eine Tapisserie-Manufaktur in Aubusson („Allégorie de la maternité“, „Belle au Bois dormant“.) Sie widmete sich anfangs hauptsächlich der Zeichnung und Radierung: es entstehen v.a. im Frühwerk Landschaften und Naturstimmungen (Sonnenaufgang, Föhn, Abend) in Buntstift der Nadel. Von den graphischen Zyklen sind vor allem die Lithographien zu Arnold Schönbergs „Gurreliedern“ und jene zum Thema „Mutter“ wichtig und bekannt.
Nach 1937 nimmt sie in ihren Werken auf politische Ereignisse bezug. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Österreich beginnt L. St. in ihren Bildnissen mit der Selbstthematisierung. (Selbstbildnis 1937). 1938 wird sie in ihrem Werk eindeutig politisch: In der „Composition baroque“ thematisiert sie den Untergang (Österreichs, der Welt?) nach der Machtübernahme Hitlers. In der Zeit der Machtergreifung Hitlers malt L. St. die für sie expressivsten Bilder. Neben dem bekannten Repertoire entstehen in Paris auch bedeutende Ausdrucksstudien von Dirigenten und Künstlern. Sie porträtiert Alban Berg und Arthur Honegger. Zeichnet die Hände Toscaninis, den Bildhauer Maillol bei der Arbeit.
St. gilt als Bindeglied zwischen dem Secessionismus und den expressiven Strömungen der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Aus dem heutigen Blickwinkel betrachtet, reiht sich ihr Oeuvre im Sinne einer für die österreichische Kunst bezeichnende, verspätete Auseinandersetzung mit Cezanne und die zunehmende Bedeutung der Farbe als Ausdrucksträger in ihrem Werk bruchlos in die österreichische Kunst der Zwischenkriegszeit ein und steht in nichts ihren männlichen Kollegen nach.
Ausz., Mtglsch.: 1952: Grand Prix de L`union des Femmes – Peintres et Sculpteurs für „Allégorie de la Maternité“, 3,5 x 2 m Karton für eine Tapisserie-Manufaktur, die in den Ateliers Simone Andrés in Aubusson gewirkt wurden. Sie ist Mitglied: Radierclub der Wiener Künstlerinnen, 1920 und 1925 korrespondierendes Mitglied des Hagenbundes im Inland, 1926 a. o. Mitglied des Hagenbundes.
Qu.: Nachlässe: WSLB: Handschriftensammlung Nr 162.124.; Hans Ankwicz-Kleehoven, Mappe Lilly Steiner: Künstlerarchiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien; Rudolf Schmidt: Künstlerarchiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien; Archiv der Neuen Galerie: Künstlerarchiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien; Wien Arnold Schönberg-Center.
W.: L. St. schuf zahlreiche graphische Mappenwerke und Illustrationen. Der Großteil des Werkes ist heute unbekannten Ortes. Für die Forschung ist kein Werkverzeichnis überliefert. Wichtige Werke sind nur aus älteren Abbildungen aus der Kunstliteratur bekannt. Die Werke gelangten (angeblich) in folgende Museen: Musée National d´Art Moderne (nicht bestätigt/Nachforschungen brachten kein Ergebnis); Musée du Jeu de Paume, Paris: „Mädchen mit Blumenstrauß“, „Der Kaktus“, „St. Sulpice“ (nicht bestätigt/Nachforschungen brachten kein Ergebnis), Musée du Petit Palais, Paris: „Der Garten des Luxemburg im Frühling“ (nicht bestätigt/Nachforschungen brachten kein Ergebnis), Graphische Sammlung Albertina: Zeichnungen und Aquarelle, Österreichische Galerie Belvedere, Bildersammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien: „Bildnis Alban Berg“, Gem. Mus. im Haag (Zeichnungen und Aquarelle), Museum der Stadt Ulm (Zeichnungen und Aquarelle) sowie in weitere, nicht genau verifizierte Werke in in- und ausländischen Museen.
L.: Vollmer 1955, Vollmer 1937, Fuchs 1977, Katalog 1980, Plakholm-Forsthuber 1994, Steiner 1926, Tietze-Conrat 1921, Wiener Abendzeitung 1954, Katalog 1928, Katalog 1975, Katalog 1993, Ankwicz-Kleehoven 1954, Waissenberger 1972, Tabor 1980