Stampfer Maria Elisabeth, von Walchenberg, geb. Dellatorre; Autorin eines Hausbuches
Geb. wohl Februar 1638 (Taufe 18. Februar)
Gest. 28.11.1700
Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Andreas Dellatorre († September 1648) und Barbara Tengg († Mai 1667); Geschwister: Johannes Ignatz (1632-1679); Anna Theresia (1632-1644); Franz (1634-1642).
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit Hans Adam Stampfer (1623-1695); Kinder (insgesamt 16): namentlich bekannt sind: Eva Maria (geb. etwa 1657 oder 1658, † vor 1708), verheiratet mit 1. Thomas Joducus Hirstel, Apotheker in Judenburg; 2. Christian Diewalt aus Murau, Hammermeister; Anna Elisabeth (geb. etwa 1658 oder 1658; † vor 1711, verheiratet mit Georg Andreas Kärner von Kärnersberg aus Mürzzuschlag, Hammermeister und kaiserlicher Rat; Maria Barbara (1660-1691), verheiratet mit Johann Laurenz Leopold von Lauriga zu Loberau aus Leoben; Hans Josef (1662-vor 1727), verheiratet mit Rosina Katharina Theresia Freiin Kemet(t)er von Tribein; Begründer der Linie Meiselberg; Hans Friedrich (1664-1724), verheiratet mit Anna Maria Primbsch von Königsbrunn (†1729); Maria Klara (1665-1673); Maria Margareta (1665 -1673); Franz (1671-1727); Begründer der Linie Trabuschgen; Catharina Constantia (†1711); Karl Sigmund (1676-1682); Maria Klara (Cäcilia) (geboren und † 2. Juni 1677); Ferdinand Vinzenz (1679-1682); Maria Elisabeth (1680-vor 1727)
Laufbahn: M. E. St. war die Tochter des Kanzleischreibers Andreas Dellatorre (ursprüngliche Schreibweise: della Torre), dessen Vorfahren aus Oberitalien in die Steiermark zugewandert und im Festungsbau tätig waren, und dessen zweiter Ehefrau Barbara Tengg; ihr Vater war Tuchscherer und Ratsbürger in Voitsberg. Geboren wurde M. E. wohl im Februar 1638 als jüngstes von vier Kindern, nach dem Zwillingspaar Johannes Ignatz und Anna Theresia (1632) und einem Sohn Franz (1634) in Graz geboren. Überliefert ist nur der Tag ihrer Taufe, der 18. Februar 1638. Sowohl Anna Theresia als auch Franz erreichten das Erwachsenenalter nicht, und so besaß M. E. im Alter von sechs Jahren nur mehr einen sechs Jahre älteren Bruder. Johannes Ignatz starb als kaiserlicher Forstmeister im Alter von 47 Jahren in Wiener Neustadt.
E. wuchs in Graz auf. Im September 1648 starb ihr Vater. Der Pfleger der fürstlichen Herrschaft Eggenberg bei Graz Andreas Rodl von Schwanne(n)bach (†1659), ein Verwandter mütterlicherseits, wurde neben dem Bruder der Mutter Hans Tengg 1651 zum Vormund der Dellatorre-Kinder bestellt, um die Verwaltung des Erbes, das vom Kaiser bewilligte Gnadengeld, für die Kinder sicherzustellen. Barbara Tengg zog mit ihren Kindern in das Haus „Zum weißen Lamm“ von deren Vormund in der Schmiedgasse in Graz. In diesem Gebäude war auch das Wirtshaus „Zum weißen Lamm“, in dem die Eltern M. E.s einst ihre Hochzeit gefeiert haben. Im Alter von sechzehn Jahren übersiedelte E. M. aus unbekannten Gründen in das Haus ihres Onkels Hans Tengg, in das kaiserliche Amtshaus (heute Prinzenamtshaus, Hauptstraße 79) nach Vordernberg, wo Hans Tengg seit 1646 als Amtmann fungierte.
Im Haus ihres Onkels lernte sie wohl ihren späteren Ehemann, den 15 Jahre älteren Hans Adam Stampfer kennen, der 1656 das Radwerk Nr. 2 in Vordernberg erworben hatte, Aufnahme in die Radmeisterkommunität fand und Ratsbürger der Marktgemeinde geworden war. Im selben Jahr, da der Gewerke nach Vordernberg gekommen war, fand auch die Eheschließung statt, nämlich am 18. Juli. Die Heirat dürfte aus persönlicher Zuneigung und nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen erfolgt sein, denn mit einer Mitgift von 800 fl war E. M. für den Radmeister nicht unbedingt eine gute Partie. Über das persönliche Verhältnis der Eheleute gibt ein Brief des Radmeisters an einen Verwandten vom 16. Juli 1660 Aufschluss, in dem er seine Frau „en passant“ als seine Liebste erwähnt.
Der Ehe entsprossen insgesamt 16 Kinder in einem Zeitraum von 1657 oder 1658 bis 1684, von denen neun das Erwachsenenalter erreichten; von einem Kind lassen sich weder Name noch archivalische Quellen finden – möglicherweise eine Totgeburt – und unter den beiden zuletzt geborenen Kindern, die 1682 und 1684 gleich nach der Geburt gestorben sind, war ein Knabe. Neben ihren eigenen Kindern hatte E. M. noch ein Ziehkind. Das etwa fünf- oder sechsjährige Mädchen, eine Enkelin ihres älteren Bruders, Theresia Wurm, die 1688 oder 1689 ins Haus der Stampfer kam, starb allerdings schon im Mai 1689.
Wirtschaftlich prosperierte das Radwerk Hans Adam Stampfers. 1666 erwarb er ein Kupferbergwerk in der Walchen bei Öblarn. Mit dem Erwerb und der Errichtung eines Bergwerkes in der Fragant bei Obervellach in Kärnten 1690 war ein Ortswechsel verbunden. Der neue Wohnsitz der Familie wurde das im August 1691 erworbene Schloss Trabuschgen. 1685 war Hans Adam Stampfer nobilitiert und in den Reichsadel aufgenommen worden (von Walchenberg). In Kärnten erfolgte die Aufnahme in die Landmannschaft. Schließlich erwarb Stampfer noch 1694 ein Haus in Klagenfurt (heute Alter Platz Nr. 29), das er nach seinen Bedürfnissen herrichten ließ, und Schloss und Gut Meiselberg nahe Maria Saal.
Mit dem Tod ihres Hans Adam Stampfers am 3. Juni 1695 begann für E. M. ein neuer Lebensabschnitt. Sie hatte sein Testament zu vollstrecken. Laut dem letzten Willen ihres Mannes wurden ihr für eineinhalb Jahre die alleinige Verfügungsgewalt über seinen gesamten Besitz und sein Vermögen übertragen; für diesen Zeitraum oblag ihr auch die Verantwortung der beiden Kupferbergwerke, zu deren Administration ihr die drei Söhne zur Seite gestellt wurden. M. E. war somit zu einer Gewerkin geworden. Während dieser Zeit war ihr Lebens- und Wirkmittelpunkt vornehmlich in Obervellach. Franz Adam lebte mit seiner Mutter auf Schloss Trabuschgen – ihm gehörte das Schloss zur Hälfte –, während Hans Friedrich mit seiner Familie in Vordernberg und Hans Josef mit seiner Frau auf Meiselberg residierte. Die drei Ansitze spiegeln auch die Aufteilung der Familie in drei Linien wider. Die Gewährung des Ansuchens ihrer Söhne um die Erhebung in den Freiherrenstand am 10. November 1700 hat E. M. noch erlebt, doch verstarb sie am 28. November desselben Jahres auf Schloss Trabuschgen und fand am 14. Dezember an der Seite ihres verstorbenen Ehemannes in der Pfarrkirche Obervellach ihre letzte Ruhestätte. Von M. E. sind zwei Ölgemälde im Privatbesitz erhalten, die sie als reife Frau darstellen (Hilzensauer, 2007, S. 530, Abb. 111 und 112). Bekannt und berühmt wurden die St. und ihre Familie durch ihr „Hausbuch“, das sie ihren Kindern zum Gedächtnis bestimmt hat.
Im Rahmen der Dokumentarreihe „Die österreichische Eisenstraße“, produziert für die Fernsehsendung „Ins Land einischaun“ (ORF 2) von Ranfilm (Regie: Alfred Ninaus), wurde M. E. St. einem breiteren Publikum bekannt; ihr war Teil IV „Von der Gewerkin zur Managerin“ (2000) gewidmet, jedoch, wie bereits der Titel verrät, wurde sie unter den Auspizien künstlerischer Freiheit dargestellt.
W.: „Hausbuch“: Pichl meinen Kindern zu einer Gedechtnus (1679ff.) (Steiermärkisches Landesarchiv, Graz, Handschrift 1223), in steirischer Mundart geschrieben; grundlegende Edition: von Zahn, 1887; Übertragung der Edition von Zahns ins zeitgenössische Deutsch: Gustav Hackl, Das Hausbüchl der Stampferin, einer geborenen Dellatorrin, Radmeisterin in Vordernberg. Mit einer Schilderung des Lebens in einem altsteirischen Gewerkenhaus von Marianne Rabcewicz, Graz 1926, (21928); Thaler, 1982 (in Anlehnung an Hackls Ausgabe); Neuedition des Vorsatzes und Ausschnitte der Eintragungen bis zum Jahr 1679 auf Basis der Handschrift: Kormann, 2010, S. 132-135.
Mit dem Schreiben des „Hausbuches“, das sie annalistisch anlegt, hat M. E. St. 1679 begonnen und setzt es bis 1694, sechs Jahre vor ihrem eigenen Tod, fort. Das früheste von ihr notierte Datum ist 1654, das Jahr, in dem sie nach Vordernberg kam und ihren Mann kennenlernte. Die erste Eintragung betrifft Krankheit und Tod ihrer Mutter, die letzte Aufzeichnung handelt von der schweren Erkrankung von zweien ihrer Töchter. Bei der Eintragung des Todes ihrer Mutter (fälschlich 1669) und bei anderen retrospektiven Vermerken sind ihr zeitliche Fehler unterlaufen, für den Zeitraum 1679 bis 1694 erweist sie sich als historisch zuverlässige Chronistin.
Im Buch dokumentiert sie ihre eigenen Schwangerschaften, die Heiraten ihrer Kinder, die Geburt ihrer Enkelkinder, die Bildungsreisen der Söhne, Todesfälle, die wirtschaftlichen Erfolge, aber auch Rückschläge, den Erwerb von Häusern und Schmuck, ferner Katastrophen wie Lawinen, Überschwemmungen, Brände und Seuchen; vermerkt werden auch politische Ereignisse wie die Bedrohung durch die Türken (Großer Türkenkrieg 1683-1699) oder die Auseinandersetzungen mit dem französischen König Ludwig IV. (Pfälzischer Erbfolgekrieg 1688-1697). Ihre Aufzeichnungen zeugen von ihrem großen Interesse an medizinischen Fragen und ihrer Kenntnis an Arznei- und Heilkräuterkunde sowie deren (erfolgreiche) Anwendungen; das von ihr angelegte Arzneibuch hat sich nicht erhalten. Im „Hausbuch“ hielt sie das Rezept für die Herstellung des „Nürnberger Pflasters“, das sie 1689 erlernt hatte, für die Nachwelt fest. Darüber hinaus hat sie die Erklärung eines Buchstabensegens aufgezeichnet. Das Buch ist auch ein Zeugnis ihrer Frömmigkeit, denn viele Eintragungen enden mit einer Anrufung Gottes.
L.: Hilzensauer 1999, Hilzensauer 2007, Kormann 1995, Kormann 2004, Kormann 2010, Thaller 1982, Zahn 1887
Ingrid Roitner