Sontag Lotte, Brainin, Sonntag; Widerstandskämpferin

Geb. Wien, November 1920

Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Jetti Genauer, verh. Sontag; Vater: Maurici Sontag. Fünftes Kind.

Freundschaften: „Mädlarbeit“ (Soldatenarbeit) in Belgien gemeinsam mit: Gundl Herrnstadt, Mara Gincburg, Cilli Spitz, Yuci Fürst, Hertha Ligeti, Nelly Klein-Sturm, Grete Dresner, Sidi Waldberg, Regine Krochmal, Helly Wolf, Trude Löwit, Ester Tencer.

Laufbahn: L. wurde als fünftes Kind von Jetti und Maurici Sontag 1920 in Wien-Brigittenau geboren. Ihre Eltern waren zu Beginn des Ersten Weltkriegs aus der Ukraine nach Wien geflüchtet. Die Familie lebte in äußerst ärmlichen Verhältnissen und wurde mehrmals delogiert, da der Vater arbeitslos war. Schließlich zog die Familie in eine Wohnung im 9. Bezirk. Hier besuchte L. S. die Volks- und Hauptschule. Die Familie war sozialdemokratisch orientiert und so kam L. zu den Roten Falken. Nach dem Verbot der kommunistischen (1933) und der sozialdemokratischen Organisationen (1934) war L. S. weiter, nunmehr illegal, aktiv. Sie wird bereits 1935 im Alter von 15 Jahren bei einer illegalen Zusammenkunft verhaftet und zu drei Wochen Polizeiarrest verurteilt. Als polizeibekannte Antifaschistin und Jüdin ist sie im nationalsozialistischen Wien doppelt gefährdet, 1938 kann sie mit Hilfe ihrer Brüder nach Belgien emigrieren. Im belgischen Exil stellt sich L. S. für die „Mädelarbeit“ (Soldatenarbeit) zur Verfügung und wird im Juni 1943 verhaftet. Sie wird über Monate hindurch von der Gestapo im Lager Malines, einem Sammellager für die Deportation der jüdischen Bevölkerung Belgiens, gefangen gehalten und gefoltert. Gemeinsam mit Hertha Ligeti wird sie am 17. Jänner 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und kann dort in den „Union-Metallwerken“ arbeiten. Dort wird u. a. Artilleriemunition hergestellt. Die Frauen, die im Union-Kommando arbeiteten waren zunächst im Birkenauer Frauenlager, später in eigenen Blocks zwischen Stammlager und Birkenau untergebracht. Die Frauen des Kommandos betrieben systematisch Sabotage indem sie die Munition so manipulierten, dass die hergestellten Granaten nicht explodierten. Die sogenannten „Pulvermädchen“ organisierten auch Sprengstoff für einen geplanten Aufstand in Auschwitz, der letztlich nicht stattfand (Sprengung eines Krematoriums). Vier Mädchen wurden dafür zur Verantwortung gezogen und hingerichtet. Der Lebensgefährte L. S.s, der Kunstgrafiker Benno Senzer, wurde ebenfalls in Belgien verhaftet, nach Auschwitz deportiert und in Morowitz, einem Außenlager, ermordet. Auch die Mutter von L. S., Jetti Genauer, überlebte das KZ nicht. Sie wurde am 7. April 1944 aus Malines nach Birkenau deportiert und sofort in den Gaskammern ermordet. Der Vater kam in Buchenwald um. Am 18. Jänner 1945 wird L. S. gemeinsam mit Hertha Ligeti und Yuci Fürst zum Todesmarsch nach Ravensbrück geschickt. Dank der Solidarität der inhaftierten Frauen in Ravensbrück können sie mit falschen Nummern und Winkeln überleben. L. S. kommt in das Vernichtungslager Uckermark. Sie flüchtet gemeinsam mit Juci Fürst, sie werden von sowjetischen Soldaten gerettet und gelangen schließlich nach Wien, wo sie als Sekretärin in der Redaktion der „Volksstimme“ arbeitet. 1946 lernt sie ihren späteren Mann Hugo Brainin kennen. Sie war in verschiedenen KZ-Organisationen engagiert und stellte sich als Zeitzeugin in Schulen zur Verfügung.

Qu.: Erzählte Geschichte, DÖW.

L.: Brainin 2005, Dokumentationsarchiv 1987, Kriss/Fuchs-Ligeti/Herrnstadt-Steinmetz 1990, Neiß 2005