Sild Cenzi (Kreszenzia, Zenzi), geb. von Ficker; Alpinistin und Verbandsfunktionärin

Geb. München, Bayern (Deutschland), 1.9.1878

Gest. Burg Stauf bei Nürnberg, Bayern (Deutschland), 26.8.1956

v. F. wurde am 1878 als Tochter des Rechtshistorikers und Alpinisten Julius von Ficker (1826-1902) und Marie Tschafeller in München geboren. Der Vater stammte aus Westfalen, die Mutter aus Südtirol. Sie hatte drei Brüder, Ludwig (1880-1967, Schriftsteller, Verleger, Essayist), Heinrich (1881-1957, Meteorologe und Klimatologe), Rudolf (1886-1954, Musikwissenschaftler), und eine Schwester. Das Interesse am Bergsteigen wurde ihr schon früh von ihrem Elternhaus vermittelt. Als Jugendliche sammelte C. gemeinsam mit ihrem Bruder Heinz in den bayrischen Voralpen und, nach der Übersiedlung der Familie nach Innsbruck, in den umliegenden Bergen erste Erfahrungen als Alpinistin. Die Geschwister unternahmen Bergfahrten ins Karwendel, das zu ihren bevorzugten Gebieten zählte, aber auch ins Wettersteingebirge, in die Ortlergruppe und ins Zermatter Gebiet. C. v. F.s Spezialität war das Steigen und Klettern im steilen, brüchigen Schrofengelände. Sie erlernte auch den alpinen Schilauf und sollte später als erste Frau die Großvenedigerspitze auf Schiern erreichen. 1899 wurde sie aufgrund ihrer alpinistischen Leistungen in den Österreichischen Alpenklub aufgenommen, dessen Ehrenmitgliedschaft ihr Anfang 1938 als erster Frau verliehen wurde. Im Sommer 1903 nahm C. v. F. gemeinsam mit ihrem Bruder Heinz, Willy Rickmer-Rickmers, Adolf Schulze und weiteren Alpinisten an einer Expedition in den Kaukasus (Georgien) teil, in deren Verlauf die Erstersteigung des fast 4700 m hohen Uschba-Südgipfels vorgenommen werden sollte. Als Schulze im ersten Anlauf kurz vor dem Ziel verunglückte, versorgte sie den Verletzten im Biwak und verzichtete selbst auf die Ersteigung des Gipfels. Der von ihrer Leistung beeindruckte Fürst Tatarchan Dadeschkeliani von Swanetien machte ihr den als „das kaukasische Matterhorn“ bezeichneten Uschba per Urkunde zum Geschenk. Anschließend nahm sie an der Überschreitung der rund 4000 m hohen Laila-Gipfel sowie an den Erstersteigungen des 3995 m hohen Schtawler und eines mehr als 3800 m hohen Berges teil, der von Rickmers den Namen „Tsentsi-Tau“ erhielt (heute: Schtapel). Im alpinistischen Milieu figurierte sie fortan als „Uschba-Mädel“. 1906 brach sie mit Rickmer-Rickmers und dessen Frau Mabel zu einer sechsmonatigen Forschungsexpedition nach Russisch-Turkestan auf. Im westlichen Pamir erstieg sie den Waschantagh und den Sary-Kaudal, beide über 5000 m hoch, sowie den fast 6000 m hohen Atschik-Tasch, mit dem sie die größte in ihrer Laufbahn erstiegene Höhe erreichte. Im Auftrag ihres Bruders Heinz nahm sie auf dieser Reise, wie auch bereits in Innsbruck, meteorologische Messungen vor.

Im Jahr 1908 heiratete C. v. F. den Wiener Rechtsanwalt und Alpinisten Hanns Sild (1880- 1937). Der Ehe entstammten die Söhne Ulrich (geb. 1911), Henning (geb. 1914) und Meinhart (geb. 1917), die von ihrer Mutter von klein auf im Bergsteigen unterwiesen wurden. Eine der zahlreichen Bergfahrten des Ehepaars führte sie 1913 erneut in den Kaukasus. Die geplante Ersteigung des Elbrus musste in großer Höhe wegen Schlechtwettereinbruchs aufgegeben werden. Politisch war C. S. in der deutschnationalen, antisemitischen Großdeutschen Volkspartei engagiert. Sie war Mitglied des Beirats des 1921 gegründeten „Verbandes deutscher Frauen ‚Volksgemeinschaft’“ in Wien und befasste sich mit dem Thema Schulreform. 1923 kandidierte sie erfolglos auf der Liste der Großdeutschen Volkspartei für den Nationalrat. 1926 bis 1929 war sie Obfrau des Reichsverbandes deutscher Frauenvereine Österreichs. Die folgenden beiden Jahrzehnte brachten für C. S. schwere persönliche Schicksalsschläge. 1937 verunglückte Sohn Ulrich im Hochschwab tödlich. Im selben Jahr starb Hanns Sild nach schwerer Krankheit. Die Söhne Henning und Meinhart fielen 1942 bzw. 1944 an der Front.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hielt sich C. S. alljährlich im Karwendel auf, wo sie sich im Karwendelhaus nützlich machte. Ihre letzten Felsfahrten unternahm sie 1954. Ein operativer Eingriff im Frühjahr 1956 erwies, dass sie unheilbar erkrankt war. Ihre letzten Lebensmonate verbrachte sie bei Freunden auf Burg Stauf bei Nürnberg, wo sie am 26. August verstarb.

Qu.: Österreichischer Alpenklub, Proksch-Archiv.

W.: „(Cenci von Ficker:) Ein Tag auf der Inntalkette. In: Österreichische Alpenzeitung, Jg. 25, 25. Juni 1903, Nr. 637“, „(Cenci von Ficker:) Über die Laila nach Swanetien. In: Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins, Jg. 1904, Bd. XXXV“, „† Oskar Rosman. In: Österreichische Alpenzeitung, 37. Jg., 5. Oktober 1915, Nr. 922“, „Mein Bergerleben in Heimat und Fremde. [Nach einem im Februar 1927 im Ö.A.-K. gehaltenen Vortrag mit Lichtbildern.] In: Österreichische Alpenzeitung, 49. Jg., Dezember 1927, Nr. 1068“, „Vor dreißig Jahren. In: Österreichische Alpenzeitung, 55. Jg., Oktober 1933, Folge 1138“, „Meine Bergfahrt mit Hans Lorenz. In: Österreichische Alpenzeitung, 57. Jg., Februar 1935, Folge 1154“, „Berge im Abendlicht. Vortrag, gehalten von Frau Cenzi Sild am 18. März 1937 im Ö.A.-K. In: Österreichische Alpenzeitung, 59. Jg., Mai 1937, Folge 1181“, „Die Errungenschaften der Großdeutschen Frauen. In: Die moderne Frau. Magazin für die Frau, 1. Jg., Nr. 7, 1. März 1927“

L.: Amstädter 1996, Degener 1928, Degener 1935, Gehmacher 1998, Pichl 1927, Sova 1999, Werner/Langl 1956, Schirmer, Gerhard: Cenzi von Ficker. Das Uschba-Mädl. In: www.landderberge.at/biografien/uschba.htm, www.aeiou.at, Kaukasusexpedition. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Bd. XXIX, Jg. 1903, Nr. 17, S. 210

 

Christine Kanzler