Schreiber-Krieger Adele

Schreiber, Adele Georgina; Politikerin, Frauenrechtsaktivistin und Journalistin

Geb. Wien, 29.4.1872
Gest. Herrliberg/Zürich, Schweiz, 14.2.1957

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Dr. Josef Schreiber (1835-1908), kaiserlicher Rat, Kurarzt und Sanatoriumsbesitzer in Bad Aussee und Meran. Maßgebliche Rolle bei der Entwicklung Bad Aussees zum vornehmen Kurort Ende des 19. Jahrhunderts; Clara Schreiber, geb. Hermann (1848 – 1905), Schriftstellerin, Gründerin der Steirischen Alpenpost, Salondame in Bad Aussee und Meran; Schwestern: Lilli Baitz (1874-1942), geb. Schreiber; Elisabeth Margaretha: Kunstgewerblerin und Unternehmerin. Ida Virginia Schreiber (1868-1927), blieb unverheiratet, bis zu deren Tod, bei den Eltern, lebte nach 1910 fast mittellos in Wien.

Ihre Jugendjahre verbrachte A. Sch. im Freundeskreis (meist liberal gesinnte Politiker, Künstler und Publizisten) der Eltern in den mondänen Kurorten Bad Aussee und Meran. Ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis bestand zeitlebens zu ihrer jüngeren Schwester Lilli. Zahlreiche Freundschaften zu führenden internationalen Frauenrechtlerinnen.

LebenspartnerInnen, Kinder: Ab 1909 mit dem Berliner Arzt Dr. Richard Krieger verheiratet, keine Kinder.

Ausbildungen: Wenige Jahre in Pensionaten in Paris und Stuttgart; Autodidaktin im Bereich Publizistik; Gasthörerin an der Humbolt Universität Berlin (Volkswirtschaft, Bank- und Handelswissenschaft).

Laufbahn: Durch Eigeninitiative las A. Sch. bereits als junge Frau politische Schriften und „belieferte“ von Bad Aussee aus österreichische wie internationale Zeitungen mit sozialkritischen Artikeln. Sie hatte die konservative, bürgerliche Mädchenerziehung als große Einschränkung erlebt. Trotzdem gelang es ihr ein eigenständiges, kritisches Denken zu entwickeln. 1897 gelang es A. Sch. Bad Aussee zu verlassen, um sich in Berlin ein eigenständiges, unabhängiges Leben aufzubauen..

Sie brachte es in der Weimarer Republik zur sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten und war eine der bekanntesten deutschen Frauenrechtlerinnen. Zu ihren Vorträgen über Kinder- und Mütterschutz und die Gleichstellung der Frau kamen manchmal tausende von Frauen. A. Sch. engagierte sich als Journalistin besonders für den Schutz von ledigen Müttern und das allgemeine Frauenstimmrecht. Sie ließ sich allerdings nie von einer bestimmten sozialreformerischen Gruppe vereinnahmen. In zahlreichen Publikationen kamen ihre innere Unabhängigkeit und ihr Idealismus zum Ausdruck.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste sie in die Schweiz emigrieren. 1939 wurde ihr die deutsche Staatsbürgerschaft, die sie durch ihre Heirat erworben hatte, aberkannt. Sie verbrachte die Kriegsjahre in Großbritannien. Ab 1947 lebte sie in Zürich. Im Nachkriegsdeutschland (sie lehnte eine Rückkehr ab) geriet sie in Vergessenheit, äußerte sich aber im Exil bis zu ihrem Tod 1957 immer wieder öffentlich zu aktuellen Frauenfragen.

Ihre Biografin Asja Braune schreibt: „Adele Schreiber [war] bereits vor 1933 eine der wenigen Integrationsfiguren zwischen Arbeiterbewegung und bürgerlicher Kultur. Ihre Bedeutung war zu dieser Zeit völlig unbestritten.“ A. Sch. setzte sich intensiv für die Schaffung einer Frauenversicherung ein, kämpfte für das Frauenwahlrecht und für den Mutter- und Kinderschutz. Als Reichstagsmitglied der SPD ab 1920 bemühte sie sich auf politischer Ebene um die gesetzlich festgelegte Anerkennung und Mündigkeit der Frau.

Ausz., Mitglsch.: Zahlreiche Mitgliedschaften, vgl. Braune 2003. Verkehrsflächenbenennung: Adele-Schreiber-Krieger-Straße seit 2005 in Berlin Mitte.

Anekdoten, Zitate: „Ich wollte nicht als überflüssige Haustochter das Leben vertrödeln, wollte etwas werden, auf eigenen Füßen stehen.“

„Eine gewordene Frauenrechtlerin bin ich nicht, ich bin so geboren, ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich mich nicht in Aufregung darüber befand, dass Mädchen nichts Vernünftiges lernen und tun sollten. Wir waren 3 Töchter im Haus, ich war immer die, die von Frauenbewegung sprach.“
Nicht dienen, sondern fordern lernen [soll] das Weib – für sich und ihre Kinder!“

Werke

U.a.: (aus: Diss. Braune, Asja 2003): „Kinderwelt und Prostitution“ (um 1900), „Prügelkinder“ (1903), „Settlements. (Ein Weg zum sozialen Verständnis). In: Sozialer Fortschritt. Hefte und Flugschriften für Volkswirtschaft und Sozialpolitik, Heft 23“ (1904), „Hg.: Das Buch vom Kinde, 2 Bände“ (1906/07, darin: 1. Band: Die Kleidung des Kindes; Die soziale Erziehung des Kindes. 2. Band: Kinderhorte; Kindermisshandlungen), „Der Bund für Mutterschutz und seine Gegner. In: Kultur und Fortschritt, Heft 151“ (1908), „Romane aus dem Leben. aus den Erfahrungen des Bundes für Mutterschutz. In: Kultur 548 und Fortschritt, Heft 162“ (1908), „Mutterschaft. Ein Sammelwerk für die Probleme des Weibes als Mutter“ (1912, darin: Vorwort; Die Ansätze neuer Sittlichkeitsbegriffe im Hinblick auf die Mutterschaft; Missbrauchte und unwillkürliche Mutterschaft; Uneheliche Mütter; Ergänzende Einrichtungen der offenen Fürsorge; Einige Zahlen über Mütterheime in Deutschland; Die Lage der Frau als Mutter in den verschiedenen Ländern: Norwegen und Dänemark; Von kinderlosen Müttern, Stief-und Adoptivmüttern), „Frauen! Lernt wählen! Revolution und Frauenrecht“ (1912), „Hedwig Dohm als Vorkämpferin und Vordenkerin neuer Frauenideale“ (1914), „Nachwort; für Suttner, Bertha von: Die Waffen nieder!: eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner“ (1914), „Schutz unseren Frauen und Müttern, Vortrag hg. vom Vorstand der SPD“ (1919), „Rettet die Kinder! Bericht über die Notlage der deutschen Kinder! Dem Internationalen Kongress für Kinderhilfe zu Genf vom 25. bis 27. Februar 1920“ (1920), „Internationale Frauenarbeit. In: Schmidt-Beil, Ada (Hg.): Die Kultur der Frau. Eine Lebenssymphonie der Frau des XX. Jahrhunderts“ (1930), „Hg.: Das Reich des Kindes“ (1930, darin: Einleitung; Elternhaus und Erziehung), „Die Sozialdemokratin als Staatsbürgerin. In: Blos, Anna (Hg.): Die Frauenfrage im Lichte des Sozialismus, unter Mitarbeit von Adele Schreiber“ (1930), „Women who dared. In: Rehfisch, Hans J. (Hg.): In Tyrannos; Four Centuries of Struggle against Tyranny in Germany. A symposium“ (1944), „Gem. m. Mathieson, Margaret: Journey Towards Freedom. Written for the Golden Jubilee of the International Alliance of Women“ (1955)

Herausgabe von Zeitungen u. Sonstigem: Frauen-Fortschritt. Wochenzeitung für Frauenkultur (Herausgeberin von Beginn an,10.3.1910, bis zum 21.4.1910, Einstellung der Zeitung am 27.7.1911); Frauenstimmrecht. Monatshefte des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht (von 1911 bis November 1913 Redaktion Anita Augspurg, dann von Dezember 1913 bis März 1914 Redaktion A. Sch. und Umbenennung in: Die Staatsbürgerin), Die Staatsbürgerin. Monatsschrift des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht (Herausgeberin von April 1914 bis September 1919, dann Übernahme der Redaktion durch Marie Stritt), Mutter und Kinderland. Ein monatlicher Ratgeber für Mütter und Kinderfreunde (Herausgeberin von Juli 1930 bis Juni 1931, danach hg. von Dr. Ilse Reicke), Kalender: Mutter und Kind (Herausgeberin von 1926-1933).

Literatur / Quellen

BiografieautorIn:

Barbara Motter