Robert Anny, geb. Anna Marcus; Schriftstellerin und Schneiderin
Geb. Wien, 31.7.1909
Gest. Tel Aviv, Israel, 12.2003
Herkunft, Verwandtschaften: Der Vater, Arnold Marcus, arbeitete im Bankfach, starb am 21.3.1936, die Mutter Malwine geb. Grünblatt und andere Familienmitglieder wurden nach Theresienstadt deportiert. Die Mutter starb − was A. R. niemals erfuhr − in einem Vernichtungslager. Die Familie war assimiliert. Die Mutter hatte vor der Geburt von A. R. einen Hutsalon. Die finanzielle Situation der Familie schwankte sehr, beim Währungssturz verlor der Vater sehr viel Geld. Die Familie war mit Adolf Loos verwandt, der gut befreundet war mit Karin Michaelis, die wiederum Kontakte zur dänischen Kinderhilfsaktion für Wiener Kinder hatte.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heiratete am 5.6.1932, wurde geschieden. Ihr Mann hieß früher Chajet (Schneider) und ließ seinen Namen auf Hans Robert ändern. Später ging er nach Wien zurück. Sie zog wieder mit einem Mann zusammen, der zwei Jahre später starb.
Ausbildungen: Besuchte die Volksschule in Wien 9, Grünentorgasse und später in der Währingerstraße, ebenso wie die Bürgerschule. Danach die zweijährige Schneiderakademie in der Michelbeuerngasse, drei Jahre Praxis in einem Wiener Salon, legte die Meisterprüfung ab.
Laufbahn: 1919 und 1920 wurde sie von einer Hilfsorganisation zur Erholung nach Dänemark geschickt. Hatte in Wien einen kleinen Salon mit zwei Angestellten. Floh 1935 mit ihrem Mann, den sie kurz vor seiner Abreise − ein Jahr zuvor – geheiratet hatte, nach Israel. Lebte zunächst – zusammen mit den Schwiegereltern – in bescheidenen Verhältnissen in Tel Aviv, arbeitete wieder als Schneiderin. Zeitweise litt sie an Depressionen. Nach 1938 fanden zahlreiche AsylantInnen aus Österreich bei ihr und ihrem Mann Unterschlupf. Der Versuch die eigene Mutter, sie war schon fast siebzig Jahre alt, zu retten, schlug fehl. Als sich das Geschäft ihres Mannes gut entwickelte, er war Vertreter für Olla-Präservative, wurde sie seine Angestellte. Trennte sich 1949 von ihrem Mann und lebte in Haifa, arbeitete dort in einem Modesalon und machte sich schon sehr bald selbständig. Nach der Scheidung übernahm sie die Wohnung. Nach einer schweren Erkrankung begann sie Gedichte zu schreiben, die teilweise in Zeitschriften erschienen, hielt zahlreiche Lesungen, unter anderem in Seniorenclubs. 1966 unternahm sie eine Reise nach Europa, sie kam auch zum ersten Mal wieder nach Wien. 1969 pensioniert. Lebte zuletzt im Anita-Mueller-Cohen-Heim, dem sogenannten ÖsterreicherInnenheim in Ramat Chen bei Tel Aviv. 1991 meldete sie sich anlässlich eines Aufrufs, bei dem österreichisch-jüdische Lebensgeschichten gesucht wurden. In diesem Kontext entstanden schließlich ihre sehr persönlichen und offenen Lebenserinnerungen.
Mitglsch.: Aktives Mitglied der Sozialdemokratischen Partei.
W.: „Herrlich ist’s in Tel Aviv – aus der Wiener Perspektive. Erinnerungen. Hg. von Daniela Ellmauer, Miguel Herz-Kestranek, Albert Lichtblau“ (2006)
L.: ÖNB 2002, Wimmer 1993