Rand Rose (Rozalia); Philosophin

Geb. Lemberg, Galizien (Lwiw, Ukraine), 14.6.1903

Gest. Princeton, New Jersey, USA, 28.7.1980

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Vater: Abraham (Adolf) Rand, stammte aus Sambor (Galizien) und war als Händler tätig, verheiratet seit dem 9.3.1902. Geschwister: Artur Rand; Emil Rand (gest. 1979) lebte nach der Exilzeit mit seiner Frau Helene und der Tochter Hanna in Israel. LebenspartnerInnen, Kinder: Unverheiratet, keine Kinder.

Ausbildungen: Ab 1909 Besuch der Volksschule in Lemberg, 1913 Wechsel in das Privat-Gymnasium von Josefa S. Goldblatt-Kamerling; mit der Übersiedelung der Familie nach Wien wechselt R. zunächst auf das polnische Gymnasium, besucht ab 1920 dann die Währinger Mädchen-Mittelschulen und geht schließlich von 1922 ab in das Öffentliche Reform-Realgymnasium im II. Wiener Bezirk, wo sie 1924 ihre Reifeprüfung ablegt; ab Herbst 1924 immatrikuliert an der Universität Wien, wo sie Philosophie und Physik studiert (u. a. bei Robert Reininger, Karl Bühler, Moritz Schlick und Heinrich Gomperz), Abschluss der Studien 1928, danach Arbeit an der 1937 abgeschlossenen Dissertation, 1938 wird R. promoviert; Fortsetzung der Studien im Exil ab 1940.

Laufbahn: In den Jahren ihres Studiums bestreitet R. den Lebensunterhalt mit der Erteilung von Nachhilfeunterricht, zwischen 1930 und 1937 arbeitet sie außerdem in der Frauenabteilung der Wiener Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik; während dieser Zeit entsteht ihre Arbeit „Die Begriffe ,wirklich‘, ,nichtwirklich‘ auf Grund der Befragung Geisteskranker“. Im Winter 1933/34 hält R. an der Volkshochschule Ottakring (Volksheim) Vorlesungen zur Philosophie des Wiener Kreises; 1936 Teilnahme am Philosophenkongress in Krakau. Zwischen 1930 und 1935 nimmt sie regelmäßig an den Treffen des Wiener Kreises um Moritz Schlick teil und fertigt Protokolle der Sitzungen an. 1938 bemüht sich R. um ein amerikanisches Stipendium; nach dem „Anschluss“ Österreichs wird die Situation für die staatenlose R. immer schwieriger. Auf Vermittlung von Otto Neurath erhält sie von der englischen Logikerin Susan Stebbing das Angebot für eine Stelle als Krankenschwester. 1939 verlässt R. Österreich und geht nach England, dort arbeitet sie zunächst in einer psychiatrischen Klinik. Im Frühjahr 1940 wird sie Visiting Scholar an der Moral Science Faculty der Universität Cambridge, dort besucht R. die Vorlesungen von Wittgenstein und Moore. Ohne gesichertes Einkommen muss sie 1943 die Universität verlassen, in den kommenden sieben Jahren arbeitet R. in der Industrie und lebt von gelegentlichen Lehraufträgen. 1950 vermittelt ihr Karl Popper ein Stipendium an der Oxford University. R.s zahlreiche Versuche, als Lehrende Zugang in den akademischen Betrieb zu finden, scheitern. 1954 Emigration in die USA, wo sie in den nächsten Jahren gleichfalls keine feste Anstellung an einer Universität findet. Ab 1960 wird ihr ein mehrere Jahre laufendes Projekt unter dem Titel „On Polish and Russian Logic“ finanziert, das die Übersetzung und Bewertung der wichtigsten Werke aus diesem Bereich beinhaltet. Auch in der daran anschließenden Zeit lebt R. von Stipendien, die ihr vorrangig für ihre Übersetzungstätigkeit gewährt werden. 1973 erhält sie die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Spez. Wirkungsbereich: R. setzte sich über mehr als drei Jahrzehnte hinweg intensiv für die Verbreitung der Ideen des Wiener Kreises und der Philosophie von Ludwig Wittgenstein ein. Daneben ist es ihr Verdienst, die Arbeit der polnischen Logiker Kotarbiński, Leśniewski und Łukasiewicz im englischen Sprachraum bekannt gemacht zu haben.

Anekdoten, Zitate: In einem Brief an Esther Simpson: „I want to look like a lady, not like a factory worker“.

Qu.: Rose Rand Collection. Special Collections Department, Archives of Scientific Philosophy (University of Pittsburgh, USA). http://www.library.pitt.edu/libraries/special/asp/rand.html

W.: (übernommen aus Iven, Mathias: Rose Rand und Ludwig Wittgenstein. Versuch einer Annäherung, Frankfurt a.M. 2004):

Artikel und Besprechungen: „Die Logik der verschiedenen Arten von Sätzen, in: Polski Zjazd Filozoficzny, Ksiæga pamiàtkowa III Polskiego Zjazdu Filozoficznego w Krakówie 1936“ (1936, Przeglàd Filozoficzny Jg. 39, Heft 4), „Philosophenkongreß in Krakau, September 1936. In: Philosophia 2“ (1937), „Kotarbińskis Philosophie auf Grund seines Hauptwerkes: Elemente der Erkenntnistheorie, der Logik und der Methodologie der Wissenschaften. In: Erkenntnis VII“ (1937/38 = Dissertation), „Logik der Forderungssätze. In: Internationale Zeitschrift für Theorie des Rechts, Neue Folge 1“ (1939), „Review of Roman Ingarden’s Du Jugement Hypothétique. In: Journal of Symbolic Logic 21” (1956), „Review of T. Kotarbiński’s Outlines of the History of Logic. In: Journal of Symbolic Logic 25” (1960), „The Logic of Demand-Sentences. In: Synthèse 14” (1962), „About the concepts ›real‹ and ›unreal‹, a philosophico-psychological treatise, als Manuskript in der Library’s Miscellaneous Manuscripts Collection, Library of Congress, Washington” (1965), „Review of Jerzy Słupecki, Słowo wstępne. In: Z zagadnień logiki i filozofii, Pisma wybrane, by Jan Łukasiewicz, edited by Jerzy Słupecki. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz, Podstawy logiczne rachunku prawdopodobieństwa. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz, O determinizmie. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz and Alfred Tarski, Badania nad rachunkiem zdań. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz, Uwagi filozoficzne o wielowartościowych systemach rachunku zdań. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz, Z historii logiki zdań. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz, Równoważnościowy rachunek zdań. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Review of Jan Łukasiewicz, O sylogistyce Arystotelesa. In: Journal of Symbolic Logic 33/1” (March 1968), „Preface. In: The Polish Review 13” (1968). Übersetzungen: „Tadeusz Kotarbiński: The Problem of the Existence of the Future. In: The Polish Review 13” (1968), „Stanisław Leśniewski: Is Truth Eternal or is it Eternal and Science Eternity. In: The Polish Review 13” (1968), „Jan Łukasiewicz: On Three-Valued Logic. In: The Polish Review 13” (1968), „Jan Łukasiewicz, Farewell Lecture of the University of Warsaw, March 7, 1918. In: The Polish Review 13” (1968), „Jan Łukasiewicz: On Determinism. In: The Polish Review 13” (1968)

L.: Hamacher-Hermes 2003, Iven 2004, Iven 2010, Keintzel/Korotin 2002, Killy 1998a, Korotin 1991, Korotin 1992, Korotin 1997, Lorini 1997, McGuinness 2010, Rentetzi 2010

 

Mathias Iven