Popp Adelheid, geb. Dwořak; Nationalratsabgeordnete und Journalistin, Begründerin der proletarischen Frauenbewegung in Österreich

Geb. Inzersdorf a. Wienerberg, NÖ, 11.2.1869

Gest. Wien, 7.3.1939

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Weber (†1875); jüngstes von 15 Kindern.

LebenspartnerInnen, Kinder: 1893 Heirat mit Julius Popp (1849-1902), Mitglied des Parteivorstandes der SDAP, Administrator der „AZ“ und Parteikassier; 3 Kinder.

Ausbildungen: 1876-79 Volksschule.

Laufbahn: A. P. arbeitete ab dem achten Lebensjahr als Dienstmädchen und Näherin, ab 1883 als Fabriksarbeiterin. Mit 13 Jahren erkrankte sie schwer, verbrachte einige Zeit im Spital und kam dort erstmals − nach eigenen Angaben − zur Ruhe. Von ihren Brüdern wurde sie zu Arbeiterversammlungen mitgenommen, wo sie eines Tages über die Situation der Arbeiterinnen sprach und damit großes Aufsehen erregte. 1889 wurde sie Mitglied des Wiener Arbeiterinnen-Bildungsvereins. Führende Sozialisten begannen sich für sie zu interessieren, u. a. Reumann, Engels, Bebel und Viktor Adler, dessen Frau Emma ihr Sprach- und Rechtschreibunterricht gab. Im Oktober 1892 wurde sie Redakteurin der sozialdemokratischen „Arbeiterinnen-Zeitung“. 1893 organisierte sie einen Frauenstreik mit, in dem Textilarbeiterinnen die Verringerung des 12-Stunden-Tages auf 10 Stunden verlangten. 1893 Mitgründerin des Lese- und Diskutierklubs Libertas, Vorstand des Bildungsvereins Wien-Meidling, etwas später des Arbeiter-Bildungsvereins von Wien-Rudolfsheim. Gemeinsam mit Charlotte Pohl-Glas und Amalie Ryba Organisation der ersten sozialdemokratischen Frauenversammlung. Im August 1893 anlässlich einer Gewerbeenquete erstmals Rede im Parlament; ab 1893 Vertretung der österreichischen Sozialdemokratinnen auf den Tagungen der Sozialistischen Internationale. 1902 gründete A. P. gemeinsam mit anderen den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen. 1904-1933 Mitglied des Parteivorstandes; 1898-1934 Vorsitzende des sozialistischen Frauenreichskomitees, 1901 Vorstand des Vereins der Heimarbeiterinnen von Wien-Ottakring, 1918-23 Mitglied des Wiener Gemeinderates. 1919-1934 österreichische Parlamentsabgeordnete. 1933 schied A. P. aus gesundheitlichen Gründen aus dem sozialdemokratischen Parteivorstand aus. Während des Aufstands des Republikanischen Schutzbundes im Februar 1934 befand sich A. P. im Spital und entging so der Verhaftung. Ab 1934 lebte sie zurückgezogen in Wien.

A. P. war eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der sozialdemokratischen Frauenbewegung. A. P. war als energische, begabte und sehr beliebte Agitatorin bekannt. Sie forderte bereits am Parteitag 1896 eine Form der Quotenregelung, 1899 verlangte sie, pro Wahlkreis eine Delegierte für die Parteitage aufzustellen. Das obligatorische Delegierungsrecht von Frauen wurde 1912 beschlossen. Sie war maßgeblich an der Vorbereitung der Frauen-Reichskonferenz 1898 beteiligt. Am Parteitag 1899 in Brünn referierte sie zur „Frauenbewegung“ und 1909 in Reichenberg zum Punkt „Sozialversicherung“. Auf der Konferenz der Sozialistischen Fraueninternationale 1910 in Kopenhagen war sie maßgeblich am Zustandekommen des Beschlusses beteiligt, jährlich einen Internationalen Frauentag abzuhalten. Nach dem Ersten Weltkrieg bemühte sie sich um die Wiederbelebung der Fraueninternationale. Im Parlament war A. P. vor allem bei den Gesetzesvorlagen zu Frauenthemen, die die SDAP einbrachte, federführend beteiligt: von der Eherechtsreform über die Liberalisierung der Abtreibungsparagraphen bis zur lohnmäßigen Gleichstellung. Darüber hinaus beantragte sie u. a. das Hausgehilfengesetz vom 26.2.1920 samt Novelle vom 26.3.1926 (Abschaffung der Dienstbotenordnung von 1808), ebenso aktiv auf dem Gebiet des Familienrechts und des Strafgesetzes (hier Gesetzesvorlage zur Milderung der § 144 bis 148). Ihre zahlreichen Publikationen und vor allem ihre autobiographische Schrift „Jugend einer Arbeiterin“, die 1909 erschien und in viele Sprachen übersetzt wurde, machten A. P. zur populärsten Sozialdemokratin der ersten Politikerinnengeneration in Österreich.

Ausz.: Die offizielle Feier für ihren 65. Geburtstag am 25. Jänner 1934 war die letzte legale Großveranstaltung der Sozialdemokratie in Österreich bis 1945. Seit dem 6. März 1949 trägt ein Wiener Gemeindebau den Namen: Adelheid Popp-Hof. 1992 Adelheid-Popp-Weg in Linz.

Qu.: IfZ Wien, Nachlass Motzko; Tagblattarchiv (Personenmappe). Aus vergangenen Tagen. Unveröffentlichtes Manuskript 1933. In: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Personenarchiv, Adelheid Popp; Referat zur Sexualnot am vierten Kongress der Weltliga für Sexualreform vom 16. bis 23. September 1931 in Wien, Referat zu Geburtenregelung und Menschenökonomie.

W. u. a.: „Die Arbeiterin im Kampf ums Dasein“ (1895), „Freie Liebe und bürgerliche Ehe. (Schwurgerichtsverhandlung gegen die „Arbeiterinnen-Zeitung“) Wien“ (1895), „Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin, von ihr selbst erzählt. Mit einführenden Worten von August Bebel. (1909), „Schutz der Mutter und dem Kinde“ (1910), „Mädchenbuch“ (1924), „Gedenkbuch. 20 Jahre österreichische Arbeiterinnenbewegung“ (1912), „Ein Beitrag zur Lage der Dienstmädchen“ (1912), „Erinnerungen. Aus meinen Kindheits- und Mädchenjahren. Aus der Agitation und anderes“ (1915), „Frau-Arbeiterin-Sozialdemokratie. Hg. vom Frauenkomitee Wien“ (1916), „Was die Frauen der Republik verdanken“ (1919), „Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft“ (1922), „Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs. Ihr Aufbau, ihre Entwicklung und ihr Aufstieg“ (1929), „Aus den Anfängen der Arbeiterinnenbewegung. In: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich. Hg. von der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien“ (1930)

L. u. a.: Augeneder 1987, BLÖF, Gerstenberger 2000, Hauch 1995, Heinritz 2000, Höllinger 1989, Köpl 1989, Lafleur 1978, ÖBL, Proft 1964, Weinzierl 1975, www.onb.ac.at/ariadne/