Pollak-Kinsky Helga

Geb. Wien, 28. Mai 1930

Gest. Wien, 14. November 2020

Helga Pollak wurde am 28. Mai 1930 als einziges Kind von Otto und Frieda Pollak (geb. Meisels) in Wien geboren. Der Vater führte gemeinsam mit seinem Bruder Karl Pollak von 1919 bis 1938 das Konzert-Caféhaus „Palmhof“ in der Maiahilfer Straße 135 im 15. Bezirk.

1937 Scheidung der Eltern. Helga blieb in der väterlichen Wohnung, betreut von einem Kindermädchen. Unter dem Druck der Ereignisse in Wien nach dem „Anschluss“ 1938 entschlossen sich die Eltern, ihre Tochter bei Verwandten in Kyjov (Tschechien) zu lassen. Im März 1939 okkupierte die deutsche Wehrmacht die sogenannte „Rest-Tschechei“ und errichtete dort das „Protektorat Böhmen und Mähren“.

Helga sollte im Rahmen eines organisierten Kindertransports zu ihrer mittlerweile nach England emigrierten Mutter fahren, was durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 verhindert wurde. 1940 musste das Mädchen nach Brünn übersiedeln, da es nur noch dort eine jüdische Schule gab, 1941 fuhr Helga auf Eigeninitiative mit elf Jahren zurück nach Kyjov zu ihren Verwandten. Ihr Vater entging im Sommer 1941 knapp der Deportation und konnte im September des Jahres zu seiner Tochter in Kyjov reisen, von wo sie im Jänner 1943 gemeinsam nach Theresienstadt deportiert wurden.

Helga Pollak wurde von ihrem Vater getrennt und kam in das Mädchenheim L 410, Zimmer 28. In ihrem Tagebuch beschrieb sie den Alltag der Mädchen im Zimmer 28, das kulturelle Leben, den Hunger, die Not, Krankheit und Transport, Deportationen nach Auschwitz usw. Im Oktober 1944 wurde auch sie nach Auschwitz geschickt und wenig später in ein Außenlager des KZ Flossenbürg verlegt, wo sie zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik eingeteilt wurde. Ende April 1945 wurde sie erneut nach Theresienstadt gebracht, wo sie ihren Vater wieder traf. Gemeinsam erlebten sie hier die Befreiung. Aus der Quarantäne entlassen, fuhr sie mit einer Cousine und ihrem Vater zurück nach Kyjov. Hier mussten sie erfahren, dass ihre gesamte Familie ermordet worden war.

1946 übersiedelte Helga zu ihrer Mutter nach London, wo sie maturierte und ein College besuchte. 1951 heiratete sie einen aus Ostpreußen stammenden Emigranten, der sich vor den Nazis nach Bangkok gerettet und dort eine neue Existenz aufgebaut hatte. Das Ehepaar lebte zunächst in Bangkok (Thailand), danach in Addis Abeba (Äthiopien).

1957 kehrte sie zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nach Wien zurück.

1986, nach 40 Jahren, traf Helga Pollak-Kinsky ihre die Shoah überlebenden Freundinnen Anna Flachová-Hanusová und Ela Stein-Weissberger aus Theresienstadt (Zimmer 28) in Prag wieder.

1989 drehte die tschechisch-amerikanische Dokumentarfilmerin Zuzana Justman den Film „Terezín Diary“, für den Pollak-Kinsky interviewt wurde, 1998 den Film „Voices of the children“ über Pollak-Kinsky und zwei weitere Überlebende. Der Film wurde 1999 mit einem Emmy ausgezeichnet.

Pollak-Kinskys Erlebnisse und Erinnerungen sind auch im Buch „Die Mädchen von Zimmer 28: Freundschaft, Hoffnung und Überleben in Theresienstadt“ (Hg.  Hannelore Brenner-Wonschick) nachzulesen, welches auf Helga Pollaks Tagebuchaufzeichnungen basiert. 2011 gestalteten Johanna Tinzl und Stefan Flunger eine Audiocollage und mehrere HD-Videos zu einem Gespräch zwischen Helga Pollak-Kinsky, Anna Flachová-Hanusová und Ela Stein-Weissberger. Im Jänner 2014 erschien „Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944 und die Aufzeichnungen meines Vaters Otto Pollak“ (hg. Hannelore Brenner-Wonschick.

Pollak-Kinsky besuchte als Zeitzeugin auch immer wieder Schulen und nahm als Gesprächspartnerin an Vorführungen der oben erwähnten Filme teil.

L.: Mein Theresienstädter Tagebuch 1943 – 1944 und die Aufzeichnungen meines Vaters Otto Pollak. Mit historischen Fakten und Gesprächen mit Helga Kinsky ergänzt und herausgegeben von Hannelore Brenner. Berlin: Edition Room 28 2014

Hannelore Brenner-Wonschick: Die Mädchen von Zimmer 28. Freundschaft, Hoffnung und Überleben in Theresienstadt. München: Droemer 2004 (Knaur 2006)

Katja Sindemann: “ Helga Kinsky: ‚Dass ich lebe, ist Glück'“. In: Die Presse, 23.02.2014

Erich Hackl: „Was das Leben eigentlich ist“: In: Die Presse, 30.05.2014

Progress online: Eine Jugend im Konzentrationslager Theresienstadt , o.D.

Website der Edition Room 28

Erweiterte Biografie von Helga Pollak-Kinsky

Mailath ehrt Zeitzeuginnen: „Respekt und Anerkennung für die Weitergabe von Erinnerung“. In: Rathauskorrespondenz, 13.04.2016

Sara Schausberger: Bis dahin und nicht weiter. In: Falter 48/20, 25.11.2020, S. 31

Wikipedia: Helga Pollak-Kinsky

Internet Movie Database: Terezín Diary

Internet Movie Database: Voices of the Children

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Helga_Pollak-Kinsky