Petter Hilda, geb. Salzmann; Gegnerin des NS-Regimes

Geb. Czernowitz, Bukowina (Tscherniwzi, Ukraine), 23.9.1905

Gest. Wien, 17.3.1984

Im Zuge der Ereignisse zu Beginn des 1. Weltkrieges befürchtet die Familie, dass es zu einer Verfolgung der jüdischen Bevölkerung kommen würde und beschließt nach Wien zu gehen, da in Wien bereits einige Familienmitglieder leben. Die beruflichen Verpflichtungen des Vaters ziehen einen oftmaligen Ortswechsel innerhalb Österreichs mit sich (neben Wien u. a. Klagenfurt, Mürzzuschlag, Graz), schließlich studiert H. P. Sprachen (Dr.phil.) und heiratet Anfang der Dreißigerjahre Hans Petter, einen Nichtjuden. Hans Petter betreibt ein kunstgewerbliches Atelier für Holzkunst im 5. Wiener Bezirk, 1935 wird Sohn Herbert geboren. Mit ihrem Gatten und Sohn lebt H. P. im 1. Wiener Bezirk, Naglergasse 10/4. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten legt man Hans Petter nahe sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen, was dieser ablehnt. Überlegungen nach USA oder Kanada zu gehen, wohin Hans Petter durch sein Atelier Verbindungen hatte, zerschlagen sich. H. P.s Schwester, Rosa Reisz, (geb. 9. Juni 1907) kann mit ihrem Mann flüchten, die Mutter, Malzia Maria Jesse, geb. Leichner (geb. 5. Juli 1887, gest. 3. Mai 1961) bleibt in Wien und muss bald nach dem sogenannten „Anschluss“ aus ihrer Wohnung ausziehen und findet Unterkunft in einem Haus in der Riemergasse Ecke Singerstraße im 1. Bezirk, in welches zahlreiche jüdische Familie umquartiert worden waren. Als die Deportationen beginnen bleibt Malzia Maria Jesse immer öfter diesem Quartier fern und wird ab Oktober 1941 von ihrer Tochter H. P. aufgenommen, wo sie bis Kriegsende bleibt.

Zur Lebenssituation als selbst Verfolgte und gleichzeitig als Helferin ihrer Mutter: H. P. selbst verhielt sich so unauffällig wie möglich, auch das Kleinkind war angehalten sich leise zu verhalten und entwickelte sich (nach Aussagen der Tante Rosa) von einem äußerst lebhaften, fröhlichen Kind zu einem stillen und ernsten. Nach der Großmutter gefragt, verneinte der Bub stets sie gesehen zu haben. Er musste so instruiert worden sein. Das Kind ging auch nicht zur Schule, Herbert wurde von seiner Mutter daheim unterrichtet. (So gut, dass er 1945 gleich ins Gymnasium eingeschult werden konnte.)

H. P.s Gatte wurde eingezogen, konnte aber von seinem Standort immer wieder Lebensmittel senden. H. P. blieb mit Sohn und Mutter allein in der Wohnung Naglergasse 10. Die Situation im Haus war eine gespannte, da über der Familie Petter eine Frau wohnte, die mit den Nazis sympathisierte und immer wieder Drohungen aussprach. Die Gefahr einer Anzeige schwebte stets über H. P. Mit einer Durchsuchung der Wohnung, die vermutlich ein Auffinden der dort unangemeldet wohnhaften Mutter zur Folge gehabt hätte, wäre eine Verhaftung und die Verbringung in ein KZ von U-Boot und Helferin, und auch des Kindes wahrscheinlich gewesen.

Einige Lebensmittelhändler in der Nähe gaben H. P. auch ohne die erforderlichen Marken notwendige Produkte, Verwandte des Gatten halfen ebenfalls.

Zu Beginn der U-Boot-Zeit ging die Mutter noch einige Male außer Haus, z. B. um einen Arzt aufzusuchen, da sich durch die Aufregungen Herzbeschwerden einstellten. Besonders kritisch wurde die Lage, als durch Bombenangriffe das Bleiben in der Wohnung immer schwieriger wurde. Anfänglich vermied man den Gang in den Luftschutzkeller – das Haus selbst hatte keinen, die Bewohner mussten andere in der Umgebung aufsuchen. Schließlich wurde es aber unmöglich, in der Wohnung zu bleiben. H. P. ging mit ihrem Sohn in einen Luftschutzkeller, die Mutter, M. Jesse in einen anderen. So sollte ein Erkennen der Zusammengehörigkeit minimiert werden. Die Familie hatte Glück, sie überlebte. H. P. betreute Ihre Mutter weiterhin.

Qu.: Gespräche mit H. P. und Rosa Reiz (Schwester), Bestätigung der IKG, Dokumente von M. Jesse.

 

Brigitte Ungar-Klein