Pauli Hertha, Ernestine, verh. Behr, Ashton, eigentl. Basch; Schriftstellerin, Schauspielerin und Journalistin

Geb. Wien, 4.9.1906

Gest. New York City, New York, USA, 9.2.1973

Herkunft, Verwandtschaften: H. P. war die Enkelin von Friedrich Schütz, Schriftsteller und Redakteur der „Neuen Freien Presse“, 1908 gest., die Großmutter Bertha Schütz, geb. Bertha Dillner v. Dillnersdorf, Hofopernsängerin, starb 1916. Vater: Prof. Wolf(gang) Pauli, geb. 1969, Arzt und Biochemiker an der Universität Wien, gest. 1955. Ihre Mutter Bertha Schütz (1878-1927), Journalistin, in der Frauenbewegung aktiv, starb an einer Überdosis Veronal). Ihr Bruder Wolfgang Pauli (1900-1958), Physiker, erhielt 1945 den Nobelpreis. H. P. fühlte sich nicht als „Halbjüdin“ sondern als „Halbchristin“.

LebenspartnerInnen, Kinder: Sie heiratete 1929 Carl Behr (1934 gestorben), 1932 geschieden, in zweiter Ehe 1951 verheiratet mit E. B. Ashton (Ernst Basch), Übersetzer.

Freundschaften: Zu ihren Freunden zählten Ödön von Horvath, Walter Mehring, Peter Hammerschlag, Karl Frucht, Joseph Roth, Franz Theodor Csokor, Alma und Franz Werfel. Sie wurde auch als „Freundin bedeutender Männer“ bezeichnet.

Ausbildungen: H. P. nahm bei Hedwig Bleibtreu Schauspielunterricht und besuchte danach die Schauspielschule in Wien. Sie beendete wegen ihrer schauspielerischen Ambitionen das Gymnasium nicht.

Laufbahn: Schon als Achtjährige begann sie Gedichte und Erzählungen zu schreiben. Als sie nach dem Ersten Weltkrieg mit einem Kindertransport nach Dänemark geschickt wurde, begann sie Märchen von Hans- Christian Andersen zu dramatisieren. 1925 erhielt sie ihr erstes Engagement am Breslauer Lobe-Theater, wurde 1927 von Max Reinhardt nach Berlin geholt, schrieb 1928 ihr erstes Hörspiel, später Gedichte und Feuilletons und veröffentlichte unter anderem im „Simplicissimus“, in der „Jugend“, im „Berliner Tageblatt“, in der Prager „Bohemia“ und in „Tempo“. Sie war das Vorbild für die Desiree in Bruckners „Die Krankheit der Jugend“. 1931 lernte sie Ödön von Horvath kennen, verliebte sich und ließ sich von ihrem Mann scheiden. Als Ödön von Horvath ihr unvermittelt mitteilte, dass er in acht Tagen eine Kollegin heiraten würde, versuchte sie sich mit Gas umzubringen, blieb jedoch am Leben und wurde eine enge Freundin von ihm. Mit Peter Hammerschlag verfasste sie mehrere Sketches für den „Lieben Augustin“. Sie schrieb zu dieser Zeit auch zahlreiche Feuilletons und Kurzgeschichten, die Honorare waren jedoch sehr knapp bemessen, finanzielle Nöte waren die Folge. 1933 kehrte sie nach Wien zurück; sie betrieb mit Karl Frucht die „Österreichische Korrespondenz“, eine literarische Agentur, die jeden Monat eine Broschüre mit Beiträgen Prominenter herausgeben sollte. Besonders Karl Zuckmayer und Franz Theodor Csokor unterstützten das Projekt, das sich sehr erfolgreich entwickelte. 1936 erschien ihr erster Roman. In „Toni“ zeichnete sie die Liebes- und Leidensgeschichte zwischen Ferdinand Raimund und „Toni“ Wagner nach. Mit diesem und mit dem nächsten Roman, der sich Bertha von Suttner widmete, hatte sie großen Erfolg. Der Bertha von Suttner-Roman wurde jedoch am 8.3.1938 in Deutschland auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt. Als sie daraus im Wiener Rundfunk eine Lesung hielt, warfen Nationalsozialisten Stinkbomben in den Senderaum. Am 13. März 1938 floh sie mit Karl Frucht über die Schweiz nach Paris, dank einer Rettungsaktion von Mrs. Roosevelt und Thomas Mann für Antinazischriftsteller, wo sie noch den Tag vor Horvaths Tod mit ihm verbrachte. Sie führte auch in Frankreich ihre literarische Agentur weiter und verfasste antifaschistische Texte, die, in harmlose, weitverbreitete Bücher eingebunden, nach Deutschland geschmuggelt wurden. Kulturpolitische Beiträge erschienen zwischen 1938 und 1939 in der „Pariser Tageszeitung“. 1940 ging sie nach Marseille und legte mit ihrer Unterschrift einen Grundstein zur Gründung des Emergency Rescue Committees. Mit Karl Frucht kam sie über einen Schmugglerweg über die Pyrenäen nach Spanien und weiter nach Portugal. In der Nacht vom 3. auf den 4. September verließ H. P. auf der „Nea Hellas“ Lissabon und kam am 12. September in New Jersey an. Ihre Flucht schilderte sie in Fortsetzungen im „Aufbau“. Sie konnte daraufhin ihre Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen erneuern und erhielt viele Aufträge. Außerdem arbeitete sie für die Wissenschaftsredaktion der Zeitung „PM“ und arbeitete im Emergency Rescue Committee mit. 1941 ging sie nach Hollywood und war als Sekretärin von Walter Mehring für die Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer tätig. Ab 1942 lebte sie wieder in New York. Ihre Biographie über Alfred Nobel hatte großen Erfolg und wurde schließlich von E. B. Ashton (eigtl. Ernst Basch), den P. später heiratete, ins Deutsche übersetzt. Eine Begegnung mit einem Amerikaner, der das Lied „Stille Nacht“ für ein amerikanisches Volkslied gehalten hatte, führte dazu, dass sie die Geschichte des Liedes aufschrieb. Das Manuskript gelangte in die Jugendbuchabteilung von Thomas Manns amerikanischem Verleger Alfred A. Knopf. Damit begann ihre erfolgreiche Karriere als Kinder- und Jugendbuchautorin. Ihre Werke handelten meist vom katholischen Brauchtum und von christlichen Legendengestalten. 1948 übersiedelte sie zusammen mit ihrem Mann, Walter Mehring und dessen Frau auf eine Tabakfarm in New England und 1952 in ein eigenes Haus auf Long Island. 1952 kam sie erstmals wieder nach Wien und von da an besuchte sie ihre Heimatstadt einmal im Jahr und unternahm zahlreiche Europareisen. Sie hielt oft Lesungen und Vorträge, nebenbei war sie als Kinderbuchautorin sehr aktiv. Ihre Erinnerungen, unter dem Titel „Der Riß der Zeit geht durch mein Herz“ 1970 veröffentlicht, galt bald als Klassiker unter den Autobiografien. Sie war nebenbei unter anderem Mitarbeiterin des „Aufbau“, der „Praline“, und des „ReadersDigest“. 1971 wurde bei einer Routineuntersuchung ein Tumor entdeckt, dessen Bösartigkeit ihr von allen Seiten verschwiegen wurde. So stellte sie mit ihrem Mann noch Texte und dokumentarisches Material für eine englischsprachige Horváth-Anthologie zusammen und plante ein weiteres autobiographisches Werk unter dem Titel „Laterna Magica“. Vier Operationen folgten, trotzdem konnte sie weiterhin Lesungen abhalten. Im September 1972 hatte sie ihren letzten Auftritt in Wien im Rahmen einer Gedenkfeier für Peter Hammerschlag. Sie starb am Tag vor ihrer fünften Operation im Southside Hospital in Bay Shore auf Long Island.

Ausz., Mitglsch.: Ab 1939 war H. P. Mitglied des europäischen P.E.N.-Clubs, 1956 Mitglied des US-amerikanischen P.E.N.-Zentrums. Sie erhielt 1967 das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

Qu.: Der Nachlass von H. P. kam 1987 in die Sammlung von Handschriften und alten Drucken, ÖNB, Wien. Er umfasst 36 Kartons. Weitere biografische Hinweise befinden sich im Literaturhaus/Exilbibliothek und in der Datenbank Ariadne Österreichische Nationalbibliothek.

W. u. a.: „Toni. Ein Frauenleben für Ferdinand Raimund“ (1936), „Nur eine Frau“ (1937, später: „Das Genie eines liebenden Herzens. Ein Bertha von Suttner-Roman“, 1955), „Fremd in Frankreich. Eine Liebesgeschichte aus dem Kriege“ (1941, Original: „Dossier d’amour“, erschien 1942 als Fortsetzungsroman in der „Neuen Volkszeitung“), „Alfred Nobel. Dynamite King-Architect of Peace” (1942, ins Deutsche übersetzt von E. B. Ashton), „Silent Night. The Story of a Song” (1943, erreichte 20 Auflagen. Dt.: „Die Geschichte von ‚Stille Nacht‘“,1954), „The Story of the Christmas Tree” (1944, dt. „Geschichten vom Christbaum“, 1957), „Jugend nachher. Roman“ (1959; eine dramatische Fassung wurde 1962 im Theater an der Josefstadt aufgeführt), „St. Nicholas‘ Travels. Miraculous Biography” (1945), „I lift my Lamp. The Way of a Symbol” (1948), „The Most Beautiful House and other Stories” (1949), „The Golden Door. A Story of Liberty’s Children” (1949), „Lincoln’s Little Correspondent” (1952), „Three is a family” (1955), „Christmas and the Saints” (1956), „Bernadette and the Lady” (1956), „The Two Trumpeters of Vienna” (1961), „The First Easter Rabbit” (1961), „The First Christmas Tree” (1961), „Her Name was Sojourner Truth” (1962), „America’s First Christmas” (1962), „Little Town of Bethlehem” (1963), „The Secret of Sarajevo. The Story of Franz Ferdinand and Sophie” (1965, dt. „Das Geheimnis von Sarajevo“, 1966), „Gateway to America. Miss Liberty’s first 100 Years” (1965), „Händel and the Messiah story” (1968), „Toward Peace. The Nobel Prizes and man’s struggle for peace” (1969), „Der Riß der Zeit geht durch mein Herz. Ein Erlebnisbuch“ (1970, engl. „Break of Time“, 1972; frz. „La Déchirure du Temps bei Presses de la Cité, 1972), „Pietro and Brother Francis” (1971), „Gedichte“ (1975)

L.: Amann 1984; Asper 2004; Blumesberger 2006c; Blumesberger 2009a; Blumesberger/Seibert 2007b; Bauer/Dürmeyer 1994; Bolbecher/Kaiser; Bruckmann; Gabl 2007; Giebisch/Gugitz; HöAj; Michaels 1991; öKJL; Kainhofer 2006; KJL Exil 1999; Matras 1990; Niederacher 2000; Polt-Heinzl 2005; Schmid-Bortenschlager/Schnedl-Bubenicek 1982; Seeber_KV; Stern 1989a; Stern 1989b; Stock/Heilinger/Stock; Ulrich; Wall; Walter 2000a

 

Susanne Blumesberger