Partlitz Anna Maria, Partlisch; Bäckerin
Geb. Wien, Datum unbekannt
Gest. Wien, 24. 3.1774
Herkunft, Verwandtschaften: Ein großjähriger Sohn, Pater Philippus. Sie hatte auch eine 23-jährige Tochter namens Barbara und einen 20-jährigen Sohn Anton, der zum Zeitpunkt ihres Todes noch studierte; beide lebten noch bei der Mutter. Als ihr Gerhab wurde Andre Apperl, Bäckermeister im Mölker Hof in der Inneren Stadt, eingesetzt.
Ausbildungen: Keine nachweisbar; als Bäckerwitwe, die das Gewerbe ihres Mannes weiterführte, hatte sie die nötigen Fachkenntnisse im Laufe der Ehe erworben.
Laufbahn: Das Leben der Bäckerswitwe A. M. P. gestaltete sich als tragisch, wie sich aus den vorhandenen Akten erkennen lässt: Der bürgerliche Bäckermeister Andre Wachter hatte sich ein eigenes Haus mit Backstube in der Roßau gekauft, weswegen sich A. M. P. um dessen ehemalige gemietete Backstube beim Goldenen Rössl in der Josefstadt bewarb. Doch das gestattete ihr die Zunft nicht, da diese Backstube an ihren eigentlichen Besitzer Anton Loy zurückfallen sollte. Dieser aber hatte sie Franz Wagner überlassen, der darauf das Bürger- und Meisterrecht erhielt. Gleichzeitig versuchte Anton Loy, Wagner wieder aus dem Backhaus fortzudrängen, um selbst wieder als Bäcker tätig sein zu können, obwohl er 1757 wegen seines schlechten Mehles und Brotes genötigt war, die Backstube im Beisein der ganzen Bäckerzunft dem Wagner zu übertragen, wodurch er seine Unfähigkeit zur Betreibung dieses Gewerbes eingestehen und sein Meisterrecht zurücklegen musste. Wollte er die Bäckerprofession wieder betreiben, so müssten zwei Meisterrechte auf dasselbe Backhaus verliehen werden, deshalb wurde ihm die Wiederaufnahme seines Berufs nicht gestattet und ihm vielmehr aufgetragen, seine Backstube Frau P. oder einem anderen Bäcker gegen einen billigen Preis zu verkaufen. Anscheinend war es A. M. P. nicht gelungen, diese Backstube zu betreiben: Sie tauchte zehn Jahre später als einziges Mitglied der Bäckerzunft ohne Backstube und mit zu geringem Kapital wieder auf, um überhaupt eine solche betreiben zu können. Im Jahr 1774, drei Jahre nach einer letzten Nachricht von ihr, wurde A. M. P. in der Roßau als am 24. März verstorben gemeldet. Ihre Verlassenschaftsabhandlung verschafft uns einen Überblick über die von ihr hinterlassenen Vermögenswerte: Aufgrund dessen, dass sie kein Testament hinterließ, wurde das Erbe unter ihren Kindern aufgeteilt: dem Pater Philippus, der 23-jährigen Barbara und dem 20-jährigen Studenten Anton. Als Gerhab (Vormund) der beiden jüngeren, minderjährigen Geschwister wurde der bürgerliche Bäckermeister Andre Appel im Mölker Hof eingesetzt. Das Vermögen bestand aus einigen Kleidungsstücken, meist alt und in schlechtem Zustand, etwas Bettwäsche, einigen Möbeln und Zinngeschirr, sowie Schulden, die sie nicht mehr hatte bezahlen können. Die Kinder hatten Kleidung und Einrichtung schon unter sich aufgeteilt; das Abfahrtgeld von 30 fl. 24 Xr. wurde ihnen erlassen. Der Gerhab hatte das spärliche Bargeld zu verwalten, das nach Abzug der Steuern und Taxen – und weil die Gläubiger auf die Bezahlung der Schulden zugunsten der Kinder verzichteten – übriggeblieben war: 38 fl. 50 Xr. Zu bedenken ist dabei, dass A. M. P. 1761 über genügend Kapital verfügte, sich eine Backstube zu mieten und diese auch zu betreiben. Zehn Jahre später aber war sie fast gänzlich verarmt, und weitere drei Jahre danach verstarb sie mit einer Verlassenschaft von 38 fl. 50 Xr., wobei diese Summe mehr oder weniger dem Wert der hinterlassenen – alten und abgenutzten – Kleider und Möbel entsprach. Allein aus diesem Grund ist vorstellbar, wie wichtig der Erhalt einer Backberechtigung für das Überleben war. Weil sie nicht wieder geheiratet hatte, blieb ihr die Möglichkeit versagt, sich und ihre Kinder vom Gewerbe eines neuen Ehemannes zu ernähren. Vielleicht war sie aber für die damalige Auffassung schon zu alt, um nochmals zu heiraten. Außerdem besaß sie keine eigene Backstube mehr, weshalb sie für einen heiratswilligen Gesellen nicht mehr von Interesse sein konnte.
Qu.: WStLa, Alte Registratur. Bericht vom 13. März 1761. WStLa, Alte Ziviljustiz. Verlassenschaftsabhandlung vom 24. März 1774.
L.: Kretschmer 2000
Sigrid Kretschmer