Osche-Essmann Margarete, geb. Essmann, „Johanna Czapek“, Decknamen: Else Seghers, Ilse Sagers; Jugendfunktionärin

Geb. 4.11.1913

M. E. wuchs in einer sozialdemokratischen Familie in Wien-Ottakring auf. Ihr Großvater Anton David (1849-1924), Weggefährte Franz Schuhmeiers und Albert Severs, war Reichstagsabgeordneter, Gemeinderat und Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung. Die Ereignisse um den Juli 1927 erlebte sie bewusst mit und trat unmittelbar danach der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) bei. Sie war Bildungsreferentin mit Schwerpunkt Mädchenarbeit und arbeitete in der Jungen Garde, der Überleitungsorganisation zwischen Kinderfreunden und SAJ, mit. Nach dem Besuch einer Haushaltsschule fand sie Beschäftigung als Hilfsarbeiterin. 1933 arbeitslos geworden, leitete sie anschließend eine Mädchengruppe in einem Heim von „Jugend am Werk“ in der Ottakringer Redtenbachergasse. Am 12. Februar 1934, als zum Auftakt des geplanten Generalstreiks der Strom ausfällt, verlässt sie mit ihrer Gruppe das Jugendheim, wo sich ein Waffenlager befindet, und übergibt den Schutzbündlern die Schlüssel. Vorsorglich entfernt sie die Kartei der Jungen Garde aus dem Bezirkssekretariat der SAJ. Außerdem stellt sie den Männern Essen und Sachwerte aus den Beständen des Heims zur Verfügung. Nach dem Abflauen der Kämpfe wird aufgrund der Schäden und Verluste im Heim gegen M. E. eine kriminalpolizeiliche Untersuchung eingeleitet und sie verbringt drei Monate im Wiener Landesgericht. Da ihr nichts nachgewiesen werden kann, wird das Verfahren eingestellt. Nach der Niederlage des Aufstands von der sozialdemokratischen Führung enttäuscht, trat sie im Frühjahr 1934 zum Kommunistischen Jugendverband (KJV) über, wo sie sich für die Herstellung eines Aktionsbündnisses mit der SAJ engagierte. Nachdem bei der Polizei ihr Name im Zusammenhang mit einem Waffenschmuggel genannt wurde, ging sie in den Untergrund. Im April 1935 wurde sie an die Internationale Lenin-Schule in Moskau entsandt und reiste mit einem gefälschten Pass (auf den Namen „Johanna Czapek“) über Prag in die Sowjetunion. Im September 1935 nahm M. E. als Gastdelegierte am VI. Weltkongress der Kommunistischen Jugendinternationale teil, wo sie ihren Mann (geb. 1912), einen Berliner Kommunisten, kennen lernte. Wegen der bevorstehenden Geburt ihres Sohnes im Jänner 1937 brach sie die Kaderschulung vorzeitig ab. Danach arbeitete sie als Korrektorin beim Verlag für ausländische Literatur, wo auch ihr Mann beschäftigt war. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion wurde die Familie nach Udelnaja, einen Ort in der Nähe von Moskau, evakuiert. Im September 1941 wurde M. O.-E.s Ehemann im Zuge der stalinistischen „Säuberungen“ verhaftet. Zusammen mit Schutzbündler-Frauen gelangte sie mit ihrem Sohn in einem Komintern-Transport nach Frunse in Kirgisien, wo sie in einer Kolchose u.a. Feldarbeiten verrichtete. Als ihr Sohn schwer erkrankte, schlug sie sich auf eigene Faust nach Taschkent durch. Dort fand sie eine Anstellung als Kindergartenhelferin und schaffte sich mit Stricken und Nähen ein zusätzliches Einkommen. Als Frau eines „Volksfeindes“, von dem sie sich trotz Drucks nicht distanzierte, war sie gesellschaftlicher Ächtung und Isolierung ausgesetzt und verlor ihren Status als Politemigrantin. Ihre Versuche, Aufschluss über das Schicksal ihres Mannes zu bekommen, blieben über Jahre erfolglos. Erst nach dem Krieg erhielt sie ein Dokument, wonach er zwei Jahre nach seiner Verhaftung an Lungenentzündung verstorben sei. 1956 kehrte sie, mittlerweile staatenlos, nach Österreich zurück. Im selben Jahr konnte sie die Rehabilitierung ihres Mannes erwirken. M. O.-E. arbeitete zunächst in der Buchbinderei des Globus-Verlags und entschloss sich dann aufgrund ihrer misslichen wirtschaftlichen Lage zu einer Übersiedelung in die DDR. In Berlin war sie im Ministerium für Verkehrswesen als Dolmetscherin tätig. Von dort aus betrieb sie die Ausreise ihres Sohnes aus der Sowjetunion, der als sowjetischer Staatsbürger dort verblieben war, um seine Ausbildung abzuschließen. 1961, noch vor dem Mauerbau, kehrte sie mit ihrem Sohn nach Österreich zurück. Aufgrund ihrer Erfahrungen in der Sowjetunion erklärte sie unmittelbar danach brieflich ihren Austritt aus der KPÖ.

Qu.: DÖW, Sammlung Erzählte Geschichte, Interview 132.

L.: McLoughlin/Schafranek/Szevera 1997

Christine Kanzler