Nostitz Pauline, Gräfin Mathilde Pauline von Nostitz-Rieneck (zu Rockitnitz), geb. Baronin des Granges, verw. Helfer; Forschungsreisende und Reiseschriftstellerin

Geb. Gut Zinnitz in der Niederlausitz (bei Calau), 1801
Gest. Bad Egart (Gemeinde Partschins nahe Meran), 9.7.1881, lt. Gotha 12.7.1881

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Karl Philipp des Granges, Rittergutsbesitzer und Landschaftsmitglied in der Lausitz; Mutter: Sophie, geb. Freiin von Bülow. 7 Geschwister.

LebenspartnerInnen, Kinder: In erster Ehe verheiratet mit dem Arzt und Naturforscher Johann Wilhelm Helfer (1810–1840), Heirat 24.6.1834 in Dresden; in zweiter Ehe mit dem böhmischen Grafen und k. k. Kämmerer Joseph Dittmar von Nostitz-Rieneck (zu Rokitnitz, 1794–1871), Heirat 5.7.1844 in Dresden. Kinderlos.

Ausbildungen: Zunächst Hauslehrer auf Gut Zinnitz für alle 8 Geschwister, als die Brüder in Dresden das Kadettencorps besuchten, übernehmen die Eltern den Unterricht der Mädchen, allerdings nur sporadisch. Der Vater lehrt sie Pflanzenkunde und alle in der Landwirtschaft erforderlichen Tätigkeiten. Mit zehn Jahren fordert er seine Tochter P. N. auf, sich in seiner Bibliothek selbst weiterzubilden. Sie lernt während ihrer Reisen im Selbststudium Englisch und lässt sich für Reiseskizzen wiederholt im Zeichnen und Skizzieren unterweisen.

Laufbahn: Lernt 1830 den Prager Johann Wilhelm Helfer zufällig auf einer Reise nach Dresden kennen, den sie vier Jahre später heiratet. Bereits 1835 geht das Ehepaar von Prag nach Smyrna (Izmir), wo Helfer eine Arztpraxis einrichtet und sich naturwissenschaftlichen Forschungen und seiner Sammeltätigkeit widmet. Nach drei Monaten brechen sie von hier zu weiteren Forschungsreisen auf, die sie in den Vorderen Orient, nach Syrien und Mesopotamien führen, wo sie sich der britischen Euphrat-Expedition von Oberst Chesney anschließen, und nach einem kurzen Aufenthalt in Persien (Buschir) schließlich nach Kalkutta gelangen. Hier erhält Helfer von der britischen Kolonialverwaltung den Auftrag zur Erforschung der Halbinsel Malakka und eine Anstellung bei der Ostindischen Kompanie. Die Expeditionen des Ehepaares Helfer starten im Jänner 1837. 1838 lassen sie sich bei Mergui in der Provinz Tenasserim nieder und gründen eine Kaffee-, Kokos- und Arekapalmenplantage, deren Anlage P. N. obliegt, während ihr Mann weitere Forschungsreisen im Mergui-Archipel unternimmt. 1840 reist er, begleitet von seinem Schwager Otto Freiherr des Granges, zu den Andamanen, wo er beim Versuch zu landen durch einen vergifteten Pfeil den Tod findet. P. N. bemüht sich vehement, die Pflanzung in Mergui weiterzuführen, begibt sich zu diesem Zweck nach Europa und interveniert in Berlin und London, doch scheitert dieser Plan letztlich. Erst drei Jahrzehnte später publiziert sie den Bericht ihrer Reisen, der auch Notizen von Johann Wilhelm Helfer enthält. Die umfangreiche Naturaliensammlung (mit mehr als 55.000 Objekten), an der P. N. intensiv mitgearbeitet hatte, übergibt sie dem Nationalmuseum in Prag. 1844 heiratet sie Graf Joseph Dittmar von Nostitz-Rieneck, den damaligen Präsidenten des Prager Museums. Sie lässt sich mit ihm zunächst in Prag, später in Wien nieder, wo sie mit einigen Damen aus der Gesellschaft einen Frauenverein gründet, um „Arbeitsschulen“ für Mädchen aus armen Verhältnissen zu schaffen; daraus entstanden in den Vorstädten 16 Schulen für mehr als zweitausend Mädchen. Jahrzehnte später verfasst sie eine Schrift, in der sie für die Gründung von Mädchengymnasien eintritt. 1852 kauft das Ehepaar Nostitz das Gut Schöndorf nahe Arad im Temeser Banat (damals zu Ungarn gehörig, heute Rumänien), für dessen Bewirtschaftung P. N. alleine zuständig ist, sie widmet sich vor allem dem Tabakanbau (und schreibt einen Artikel über das Tabakmonopol). 1869 aus gesundheitlichen Gründen Übersiedelung in die Schweiz, 1871 Tod ihres zweiten Mannes. P. N. stirbt im Juli 1881 in Bad Egart bei Meran, wo sie ihre letzten Jahre verbracht hatte.

Ausz., Mitglsch.: Ehrenmitgliedschaft der kaiserlich-königlichen Geographischen Gesellschaft in Wien, bei der ersten Ernennung von Ehrenmitgliedern am 13. Oktober 1857 (neben Ida Pfeiffer als einzige Frau). Ehrenmitglied der k. k. Geologischen Reichsanstalt in Wien (unbestätigt).

Qu.: ÖNB Wien, Handschriften-, Autographen und Nachlass-Sammlung; Bildarchiv.

W.: „Johann Wilhelm Helfer’s Reisen in Vorderasien und Indien, 2 Teile“ (1873), „Über die sociale Stellung der Frauen“ (1874), „Ein deutsches Real-Gymnasium für Mädchen“ (1875), „Johann Wilhelm Helfer’s Reisen in Vorderasien und Indien. Anhang: Meine Erlebnisse und Erinnerungen nach Helfer’s Tode“ (1877, Reprint: Berlin 2004)

L.: Die Helfer’schen Sammlungen 1844, Dr. A. Petermann’s Mitteilungen 1882, Frank/Frank 2004, Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser, Gross 1882, Johann Wilhelm Helfer’s Reisen 1873, Klemm 1859, Oelsner 1894, Pataky 1898, Wurzbach 1862, Ein bewegtes Frauenleben. In: NFP, 16. Juli 1881, Nr. 6086, S. 5, K.K. geographische Gesellschaft. Sitzung am 17. Februar 1857. In: WZ, 27.2.1857, S. 569, Mittheilungen der kaiserlich-königlichen Geographischen Gesellschaft in Wien.

Gabriele Habinger