Moser Maria, geb. Viertlbauer; Zeugin Jehovas und Gegnerin des NS-Regimes

Geb. Braunau, OÖ, 13.11.1906
Gest. Braunau, OÖ, 14.9.1973

M. M. wird am 13. November 1906 in Braunau geboren. Ihre Eltern Michael und Maria Viertlbauer sind Lebensmittelhändler in Braunau. 1927 heiratet sie den Postbeamten Alois Moser (1900-1995) in Salzburg, wo sie ihn auch kennengelernt hat. Nach einigen Jahren übersiedelt das Ehepaar nach Braunau. M. M. bleibt kinderlos. Ihr Mann kommt 1927 im Jahr ihrer Eheschließung als eifriger und strenggläubiger Katholik durch Bibelforscher erstmalig in den Besitz einer Luther-Bibel, die seinen religiösen Wissensdurst stillt. Die gutbürgerlich aufgewachsene M. hat mehr das Häusliche im Sinn als sich mit den immer stärker werdenden Ambitionen ihres Mannes, regelmäßig Zusammenkünfte der Bibelforscher zu besuchen, anzufreunden. Einerseits durch ihre Neugierde am Inhalt der Vorträge andererseits durch ihre wachsende Sorge bezüglich der immer unruhevoller werdenden Weltverhältnisse motiviert, beginnt sie ihren Mann zu den Zusammenkünften der Bibelforscher in Salzburg zu begleiten. Kurz darauf beginnt sie bereits von Haus zu Haus religiöse Broschüren zu verbreiten und mit anderen über ihre neu gewonnenen Erkenntnisse zu sprechen. Dabei legt sie mit ihrem Mann oder auch allein oft hunderte Kilometer mit dem Rad zurück. Manchmal muss sie miterleben, dass ihnen Steine nachgeworfen werden. Ein Jahr nach ihrem Mann tritt sie 1934 aus der römisch katholischen Kirche aus. Am 4. April 1939 beginnt für sie als auch für ihren Mann ein 6-jähriges Martyrium. Ein Gestapomann namens Huemer gibt sich als Zeuge Jehovas aus und erschleicht sich das Vertrauen verschiedener Zeugen Jehovas. Er kommt auch in das Geschäft von M.s Eltern. Schließlich findet er heraus, dass an diesem Abend alle Zeugen Jehovas die sogenannte Abendmahlsfeier zum Gedenken an den Tod Christi feiern. Es kommt zu einer Großrazzia in ganz Oberösterreich. Im Schloss Ranshofen beginnt die kleine Gruppe der Braunauer Zeugen Jehovas gerade mit der Feier, als sieben Gestapomänner die Versammlung stürmen und alle neun Anwesenden verhaftet, darunter befinden sich auch M. und ihr Mann Alois Moser. Sie werden auf den Gendarmerieposten zum Verhör gebracht. Auch M. M. ist nicht bereit, ihrem Glauben abzuschwören. Deswegen wird sie gemeinsam mit den anderen acht Glaubensgeschwistern noch in derselben Nacht im offenen LKW, „Überfallsauto“ genannt, ins Polizeigefängnis Linz gebracht. Auf dem Weg dorthin füllt sich das Auto noch mit weiteren verhafteten Zeugen Jehovas. Bis zum Abtransport von ihrem Mann Alois ins KZ Dachau (20. April 1939) kann M. ihn vom fünften Stock des Gefängnisses aus täglich beim Spaziergang wenigstens von der Ferne erblicken. Über die Küche funktioniert sogar ein reger Briefverkehr. Die stärkenden Gedanken ihres Mannes teilt sie mit ihren Mitgefangenen. Ein einziges Mal gewährt eine Wärterin, dass sich M. mit ihrem Mann treffen kann. Ansonsten gibt es mehrere Verhöre und immer wieder Versuche, sie zum Abschwören ihres Glaubens zu bringen. Am 12. Juni 1939 beginnt der Leidensweg auch für M. Sie wird mit den anderen Zeuginnen Jehovas ins KZ Ravensbrück transportiert. M. wird zur Nummer 1501/502 und im Block 3A untergebracht. Als M. am 19. Juni 1939 in Ravensbrück ankommt, muss sie miterleben, wie der Lagerdirektor Kögel gerade dabei ist, die über 400 Bibelforscherinnen unter Druck zu setzen. Er liest einen Brief vor, den angeblich eine Zeugin Jehovas geschrieben haben soll. Sie habe jetzt den richtigen Weg erkannt und wolle sich nun für dieses System voll und ganz betätigen. Es ermutigt M. M. sehr mitzuerleben, wie alle Glaubensgeschwister standhaft bleiben. Außerdem stärkt sie das Zusammenleben mit vielen langjährigen Glaubensschwestern in einer Baracke. M. wird bereits am nächsten Tag beim Aufbau des Lagers eingesetzt. Sie muss von früh bis spät mit einer Karre Sand fahren und nachdem Schienen gelegt sind die Lore schieben. Am 18. Dezember 1939 erlebt M. M. die bis dahin schlimmste Machtdemonstration der KZ-Lagerleitung. M. und ihre etwa 450 Glaubensschwestern werden aus ihren Arbeitsbetrieben herausgeholt und vor die Wahl gestellt, Kriegsmaterial (Nähen von Patronentaschen) zu fertigen oder nicht. Als sich alle geschlossen weigern, werden sie von dem wutentbrannten Lagerdirektor Kögel in den erst halbfertigen Arrest (Zellenbau) gesteckt. M. M. beschreibt diese Begebenheit in ihrem Erinnerungsbericht aus dem Jahr 1946 sehr ausführlich: „Der Direktor wurde wütend und bezeichnete uns als die ärgsten Staatsfeinde. Sein Befehl lautete: ‚Hinein mit euch in den Arrest, dort könnt ihr verrecken bis euch euer Jehova herausholt.‘ […] Und so standen wir ohne Mittagessen in Kleidern mit kurzen Ärmeln bei viel Schnee und großer Kälte bis 6 Uhr abends im Vorhof des Zellenbaues unter freiem Himmel.“ In der Nacht werden sie zu zwölft in Zellen gesperrt, die normalerweise für 1-2 Häftlinge gedacht sind. Am nächsten Tag müssen sie wieder ins Freie und den ganzen Tag bei eisiger Kälte stehen. Das wiederholt sich sechs Tage. Während der drei Weihnachtsfeiertage „vergisst“ man auf die Zeuginnen Jehovas, sie bekommen weder Essen noch Trinken. Danach geht die gleiche Bestrafung bis über die Neujahrsfeiertage hinaus. Dennoch bleiben alle 450 standhaft: „Wir bewiesen ihnen, […] dass wir durch seine (Gottes) Kraft dieses aushalten konnten und sangen zur Ehre Jehovas und zu seinem Ruhme Lieder, dass es durch das ganze Gefängnis hallte.“ M. M. erinnert sich, dass Anfang Jänner 1940 plötzlich Himmler im Zellenbau zusammen mit der Oberaufseherin Langenfeld und Direktor Kögel erschien und die Bibelforscherinnen als „Staatsfeinde Nr. 1“ bezeichnete. Nach etwa drei Wochen öffnen sich für M. und ihre Glaubensschwestern die Türen des Zellenbaus und sie werden zurück in die innen vereisten Baracken gebracht. Bis März 1940 werden noch besondere Strafblockverfügungen verhängt. Sie magern bis auf das Skelett ab. M. M. gehört schließlich zu jenen etwa 50 Zeuginnen Jehovas, die am 21. Juli 1942 nach Auschwitz überstellt werden. Die Oberaufseherin Langenfeld, die von Ravensbrück nach Auschwitz versetzt wurde, veranlasst, dass die Bibelforscherinnen als inzwischen begehrte und zuverlässige Arbeitskräfte vor allem als Dienstbotinnen der SS zur Verfügung stehen müssen. M. erkennt sofort, dass sie in Auschwitz mit dem Schlimmsten rechnen müsste, als sie sieht, wie jüdische Frauen in die Gaskammern transportiert werden. „Mein erster Gedanke war, dass uns aus dieser Lage die Hand Jehovas herausführen musste, da ein anderes Herauskommen unmöglich gewesen wäre.“ (Erinnerungsbericht). M. wird zunächst als Anweiserin über die Waschküche des Stabsgebäudes und nach einigen Monaten als Blockälteste über 300 Häftlinge eingesetzt. Nach 14 Monaten wird sie von dieser Position abgesetzt, weil sie zu wenig streng zu den Häftlingen gewesen wäre und schließlich Haushälterin beim Obersturmführer Müller. Schließlich ringt sie aufgrund eines Flecktyphus mit dem Tod. Noch sehr geschwächt wird sie als Verkäuferin im Lebensmittelgeschäft im Haus 7 eingesetzt. Am 29. September 1944 bekommt M. einen Lichtbild-Ausweis ausgestellt: „Dem IBV-Häftl. Nr. 8321 Moser Maria, geb. 13.11.06 ist es gestattet, das Haus 7 zum Einkauf zu betreten und kann ohne Begleitung die Postenkette passieren. Dem Häftling ist es bei Strafe streng verboten, gegenseitige Besuche und Spaziergänge zu machen. Der Häftling ist bei Führerbaracke II beschäftigt.“ Ihre dort ebenfalls arbeitenden Glaubensschwestern helfen ihr wieder zu Kräften zu kommen. Durch eine Verleumdung eines Mithäftlings, der sie des Diebstahls von Gemüse bezichtigte, erhält sie zur Strafe 14 Tage Bunker und den Verlust ihrer Arbeit. Schließlich wird sie Hauptsturmbandführer Schemmel zugeteilt, wo ihr der Kontakt zu Zivilpersonen möglich ist. M. nützt diese Gelegenheiten immer wieder mutig über ihre Überzeugung zu sprechen. Als absoluten und unerwarteten Höhepunkt erlebt M. den Besuch ihrer Mutter im Lager Auschwitz. Eine verständnisvolle Frau mit besten Verbindungen zu SS-Offizieren schleust ihre Mutter ins Lager Auschwitz ein und versteckt sie vier Tage in einem freien SS-Barackenzimmer, wo sie sich mit M. treffen kann. In der Annahme einen hochrangigen SS-Mann zu bekochen, erhält M.s Mutter bestes Essen. Dieses Zusammentreffen betrachtet M. als besondere Hilfe ihres Gottes. Am 18. Jänner 1945 beginnt nach dreieinhalb Jahren Auschwitz der leidvolle Evakuierungstransport. M. M. marschiert mit vielen anderen Häftlingen unter dezimierter SS-Bewachung nach Großrosen, dann durch Thüringen nach Mauthausen und über Nürnberg in das Lager Bergen-Belsen, am 5. März 1945 wird sie in Mittelbau-Dora registriert. Dort wird sie zusammen mit 25 weiteren Glaubensschwestern vom Kommandanten Beer ausgesondert und 4 Wochen als Dienstbotin der SS eingesetzt. Schließlich wird der Häftlingstrupp weiter in Richtung Neuengamme getrieben, aber am 5. April 1945 sind die Zeuginnen Jehovas plötzlich sich selbst überlassen. M. löst sich von den Glaubensschwestern und wandert allein weiter. Da jede Bahnverbindung abgeschnitten ist, muss sie in Braunschweig 5 Monate bei einer Bauernfamilie bleiben, die sie wie eine eigene Tochter pflegen. Am 25. September 1945 kommt sie zu Hause an und ist endlich mit ihrem Mann Alois, von dem sie sechs Jahre lang getrennt gewesen ist und über den sie fast nichts erfahren hat, wieder zusammen. Alois überlebte ebenfalls sechs Jahre Konzentrationslager. M. M. ist in ihrem Glauben ungebrochen und fühlt sich als Siegerin über das NS-Regime, motiviert auch in ihrem weiteren Leben „zur Ehre, zum Ruhme, Dank und Lobe Jehovas“ beizutragen. Sie lebt bis zu ihrem Tod am 14. September 1973 zusammen mit ihrem Mann Alois in der Berggasse 22 in Braunau. Ihr Mann Alois trägt bis zu seinem Tod im Jahr 1995 unermüdlich dazu bei, seine Geschichte und die seiner Frau bekannt zu machen.

Qu.: Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Erinnerungsbericht von M. M. vom 30.5.1946.

L.: Hesse 1998, Hesse/Harder 2001, Hillinger 1999, Karner/Gsell/Lesiak 2008, Wontor-Cichy 2006

Heidi Gsell