Mayer-Pitsch Gisela Louise Mathilde; Germanistin, Romanistin, Volkskundlerin und Hausfrau
Geb. Wien, 21.5.1884
Gest. Graz, Stmk., 16.10.1968
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Hofrat Dr. Johann Richard Pitsch, geb. 15.3.1860 in Wien-Wieden, Träger des Ordens der Eisernen Krone 3. Klasse; beschäftigt im Unterrichtsministerium, gestorben am 22.10.1945 in Perchtoldsdorf/Wien. Mutter: Johanna Dorothea geb. Bischoff, geb. 24.11.1845 in Coburg, gestorben am 19.3.1926 in Wien.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heirat: Am 12.2.1910 in Schotten-Wien mit Dr. Moriz Karl Ludwig Maria Mayer, geb.30.10.1885 in Wien, gestorben 1958 in Graz. Kinder: Dr.phil. Edith Dorothea, verh. Reinitzer (geb. 22.11.1911 in Wien, gestorben am 4.12.1998 in Graz); Dr.phil. Erich Ludwig Maria (geb. 16.11.1913 in Wien, gestorben 1992 in Graz).
Ausbildungen: Matura als Externistin 1905. Promotion zum Doktor der Philosophie am 10. Juli 1909 im Großen Festsaale der k. k. Universität zu Wien; Wohnsitz zu dieser Zeit in Wien 1, Schottenbastei 7.
Der im Maturazeugnis erwähnte Passus, wonach die „Reife zum Besuche einer Universität (soweit dieser nach den bestehenden Vorschriften den Frauen gestattet ist…)“ machte es G. M.-P. unmöglich das von ihr gewünschte Studium der Paläontologie und Geologie zu ergreifen. Das Mitgehen auf Exkursionen von Studentinnen mit einem nur knöchel- statt bodenlangen Kleid war damals unvorstellbar, weil dieser Anblick jungen Commilitonen nicht zugemutet werden konnte. So entschloss sich G. M.-P. Germanistik und Romanistik zu studieren. Nach acht Semestern beendete sie das Studium erfolgreich und wurde als eine der ersten Frauen zum Doktor der Philosophie promoviert.
Laufbahn: Während des Studiums lernte G. M.-P. ihren späteren Mann kennen, der dieselben Fächer studierte. Die Familie Dr. G. und Dr. Moriz Mayer wohnte mit ihren zwei Kindern in Wien, wo auch die Eltern beider lebten. Dr. Moriz Mayer unterrichtete zunächst an einem Gymnasium in Wien, musste aber wegen einer Lungenerkrankung die Stadt verlassen. Die Familie übersiedelte nach Knittelfeld in der Steiermark, wo die beiden Kinder erst die Volksschule und dann auch die Mittelschule besuchten, in der ihr Vater unterrichtete. Das Ehepaar beschäftigte sich viel mit klassischer Literatur; zu Hause fanden für den Freundes- und Kollegenkreis literarische Lesungen und Diskussionsrunden statt. Darüber hinaus begann G. M.-P. bei langen gemeinsamen Wanderungen in der Umgebung von Knittelfeld mit volkskundlichen Forschungen, die sie später in die Obersteiermark und nach Kärnten führten. Viele Publikationen entstanden in dieser Zeit, die unter dem Doppelnamen Dr. G. M.-P. in volks- und heimatkundlichen Zeitschriften des deutschen Sprachraums erschienen.
Nach der Matura der beiden Kinder in Knittelfeld übersiedelte die ganze Familie nach Graz: Moriz erhielt eine Stelle am Pestalozzi-Realgymnasium, die Kinder studierten an der Universität Graz (Erich: Chemie, Edith: Geographie und Sport) und G. M.-P. besuchte ebenfalls Vorlesungen an der philosophischen Fakultät. Sehr bald pflegte sie regelmäßigen wissenschaftlichen Austausch mit Prof. Viktor v. Geramb. Ihre wissenschaftlichen Tätigkeiten fanden ein jähes Ende durch Scheidung, Kriegsbeginn und mehrmalige Umquartierungen nach Vorau, Liezen und Niederöblarn mit ihrer Tochter und deren vier Kindern.
Nach Kriegsende kehrte die Familie zurück nach Graz. Die Wohnung von G. M.-P. war besetzt, doch bekam sie diese als Nicht-Parteimitglied bald wieder zurück. Es sei hier ausdrücklich erwähnt, dass sie aus ihrer Abneigung zum Nationalsozialismus und speziell zu der Person von Adolf Hitler Verwandten und Bekannten gegenüber nie ein Hehl machte, obwohl sie damit recht alleine dastand.
Ab 1952 bis zum Tod im Oktober 1968 wohnte ihre Enkelin Sigrid bei ihr. G. M.-P. konnte ihren Enkelkindern bei Krankheiten in wunderbarer Weise stundenlang Geschichten vorlesen, später in der Schule sie bei allen Lateinarbeiten unterstützen, literarische Texte gemeinsam mit ihnen besprechen, sie konnte erzählen und zuhören. Fließend las sie nicht nur jede deutschsprachige Literatur sondern auch lateinische, englische und französische Texte und den interessierten Enkelkindern berichtete sie daraus. Ihren sechs Enkelkindern war sie stets eine wunderbare, verständnisvolle Großmutter, die es verstand Kraft und Zuspruch zu geben. Negative Kritik war ihr fremd.
Regelmäßig besorgte sie sich Bücher der verschiedensten Fachgebiete aus Bibliotheken. Als ihr das Gehen zu mühevoll wurde, brachten ihr die Enkelkinder die Bücher. Mit zunehmender Sehschwäche hörte sie vermehrt gerne interessante Radiosendungen und klassische Musik aus dem Rundfunk und hatte Freude, wenn ihr die Enkelin Arbeiten vorlas, die sie für die Universität las oder geschrieben hatte, und sprach danach gerne und mit viel Verständnis mit ihr über das Gehörte. Bis zu ihrem Tod bewunderten alle Menschen, die Kontakt zu ihr hatten und sie kannten ihr würdevolles Verhalten, ihr ausgezeichnetes Gedächtnis und mit welcher Sorgfalt aber auch Selbstverständlichkeit und feinem Humor aber stets ohne Schärfe sie ihre Gedanken in Worte fassen konnte.
W.: „Mythologisches aus der Steiermark. In: Der Wächter. Jg. 4, Bd. 2“ (1921), „Christliche Kultstätten als Nachfolger heidnischer. In: Deutsches Vaterland. Österreichische Zeitschrift für Heimat und Volk. 4. Jg.“ (1922), „Ostern im Lavanttal. In: Deutsches Vaterland. Österreichische Zeitschrift für Heimat und Volk. 5. Jg.“ (1923), „Verwandte Züge in Sage und Aberglauben Steiermarks und Chinas. In: Ebd., „Der Teufelsbund in deutschen Märchen, sagen und Dichtungen. In: Ebd., „Allerseelen. In: Ebd., „Sagen, die auf dem Gebiet des einstigen Knittelfelder Galgen entstanden. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 29“ (1924), „Gestalten des Märchens und der Mythe in Hauptmanns Märchendramen. In: Deutsches Vaterland. Österreichische Zeitschrift für Heimat und Volk. Der Auslandösterreicher. 7. Jg.“ (1925), „Almgeister. In: Alpenländische Monatshefte für das deutsche Haus“ (1925), „Schloss Oberfederaun bei Villach. In: Alpenländische Monatshefte. H. 6“ (1926/27), „Fronleichnam in Hallstatt. In: Alpenländische Monatshefte. H. 11“ (1926/27), „Kräuterweihe in Matrei in Osttirol. In: Alpenländische Monatshefte. H. 1“ (1927/28), „Heute noch lebender Glaube und Brauch im Märchen und Volkslied. In: Alpenländische Monatshefte. H. 11“ (1927/28), „Die ‚Winterschwagerin‘. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 33“ (1928), „Hollerweizen. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 33“ (1928), „Aus der Zeit der Rauchnächte (Knittelfeld). In: Ebd., „Jägerglaube (Umgebung von Knittelfeld). In: Ebd., „Kinderspielzeug und Kultgerät, Kinderspiel und alte Kulthandlung. In: Familienzeitschrift des deutschen Schulvereins Südmark. H. 2“ (1928/29), „Einiges vom Wetterglauben in Steiermark. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 34“ (1929), „Die Farben im Brauchtum. In: Korrespondenz Frauenpresse. Nr.100“ (1929), „Pflanzennamen im Volksmund. In: Familienzeitschrift des deutschen Schulvereins Südmark. H. 4“ (1929/30), „Pflanzennamen im Volksmund. (Schluss) In: Familienzeitschrift des deutschen Schulvereins Südmark. H. 5“ (1929/30), „Tiere im Volksmund, Sage und Brauch in der Obersteier. In: Familienzeitschrift des deutschen Schulvereins Südmark. H. 12“ (1929/30), „Schlummerlied. In: Korrespondenz Frauenpresse. Nr.8“ (1930), „Märchenstunde. In: Korrespondenz Frauenpresse. Nr. 9“ (1930), „Volkskundliches aus dem Mürztal. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 35“ (1930), „Arbeitslied beim Piloteneinschlagen In: Ebd., „Weihnachtsbräuche in Knittelfeld und Umgebung. In: Ebd., „Wetterglaube. In: Ebd., „Kreuze in Obersteiermark. In: Familienzeitschrift des deutschen Schulvereins Südmark. H. 9“ (1930/31) „Dreikönigslieder. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Bd. 36“ (1931), „Marienfäden. In: Deutscher Volkskalender“ (1933), „Kinderspiel und Kinderlied in Steiermark. In: Deutscher Volkskalender“ (1934), „Frau Perchtl in den Alpenländern. In: Alpenländische Monatshefte. Jg.11, H. 4“ (1934), „Schutz des Weideviehs. Eine volkskundliche Studie. In: Alpenländische Monatshefte. Jg.12, H.1“ (1934), „Sankt Nikolaus. In: Alpenländische Monatshefte. Jg. 12, H. 2“ (1934), „Weihnachten. In: Alpenländische Monatshefte. Jg. 12, H. 3“ (1934), „Fastnacht (volkskundliche Studie). In: Alpenländische Monatshefte. Jg. 12, H. 5“ (1935), „Ostern. In: Alpenländische Monatshefte. Jg.12, H. 7“ (1935), „Pfingsten. In: Alpenländische Monatshefte. Jg. 12, H. 9“ (1935), „Mythos und Naturerscheinungen. In: Alpenländische Monatshefte. Jg. 12, H. 10“ (1935), „Von alter Kulthandlung zu heutigem Brauchtum. In: Deutscher Volkskalender“ (1935), „Deutsche Züge im Volksmärchen. In: Deutscher Volkskalender“ (1936), „Von der Beziehung von Gerätenamen zu den Lebewesen. In: Deutscher Volkskalender“ (1937), „Urtümliches im Volksbrauch. In: Deutscher Volkskalender“ (1938), „Wasser und Feuer im Glauben und Brauch des Volkes. In: Deutscher Volkskalender“ (1939)
Sigrid Reinitzer