Mayer Louise Marie, geb. Gottlieb; Schriftstellerin, Journalistin, Übersetzerin und Widerstandskämpferin
Geb. Wien, 27.12.1882
Gest. KZ Auschwitz, Deutsches Reich − Generalgouvernement (Oświęcim, Polen), 1944
L. M. M. wurde am 27. Dezember 1882 als Tochter des Kaufmanns und Kaiserlichen Rates Albert Gottlieb (geb. 5.8.1845) und der Clara, geb. Fischhof (geb. 14.9.1858) in Wien-Innere Stadt geboren. Sie besuchte die Volksschule und das Lyzeum in Wien. Nach ihrer Schulzeit verbrachte sie ein Jahr in England, um ihre Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. 1904 ehelichte sie den Privatbeamten und Kommerziellen Direktor Otto Karl Mayer (30.7.1874 – 17.4.1936). Der Ehe entstammten die Tochter Helene (geb. 14.7.1905) und der Sohn Karl (geb. 21.6.1907). Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre trat L. M. M. als (Co-)Autorin einiger Lustspiele hervor, die mit Erfolg an den großen Wiener Bühnen, zum Teil auch im Ausland, zur Aufführung gelangten. Darüber hinaus war sie als Feuilletonistin zunächst beim „Neuen Wiener Tagblatt“, dann bei der „Neuen Freien Presse“ tätig. In ihren Feuilletons setzte sie sich in ironischer, aber letztendlich affirmativer Weise mit Geschlechterstereotypen wie dem Vamp oder dem Gigolo auseinander und widmete Phänomenen des bürgerlichen Alltags, wie dem Essen, dem Schenken, der Sommerfrische oder dem Kaffeehaus ausführliche, mit kulturhistorischen Details angereicherte Betrachtungen. Sie war Mitglied der Journalisten- und Schriftstellervereinigung „Concordia“, in deren Vorstand sie im Herbst 1938 gewählt wurde. Nach dem Tod ihres Mannes (1936) bestritt sie ihren Lebensunterhalt aus dem hinterlassenen Vermögen, ihrer schriftstellerischen Arbeit sowie gelegentlichen Übersetzungen.
Nach der Annexion Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland fand L. M. M., die bereits in der Republik mit dem Legitimismus sympathisiert hatte und Mitglied des „Reichsbundes der Österreicher“ gewesen war, Anschluss an monarchistische Widerstandskreise. Im Juni 1939 traf sie über Vermittlung von Erich Thanner in Paris mit Otto Habsburg zusammen und stellte sich ihm als Mitstreiterin zur Verfügung. Im Rahmen des Legitimistenzirkels um Johann Müller und Thanner war sie mit dem Aufbau einer Frauengruppe betraut und als Verbindungsperson tätig. Gemeinsam mit Thanner verfasste sie Nachrichten für den im Ausland betriebenen „Österreich-Sender“, die diesen allerdings nicht erreichten. Ihr Salon in der Wiener Floragasse war Treffpunkt von Oppositionellen, wobei sie ihre Kontakte in Theater- und Künstlerkreise auszunutzen versuchte.
Am 9. November 1939 wurde L. M. M. gemeinsam mit anderen Persönlichkeiten der Gruppe, die bereits unter Beobachtung der Gestapo gestanden hatten, verhaftet. Während ihre Gesinnungsgenossen vor dem Volksgerichtshof wegen Hochverrats angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt wurden, wurde M. aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, die sie ursprünglich vor den nationalsozialistischen Behörden hatte verbergen können, am 26. April 1944 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Qu.: Datenbank Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer, DÖW; DÖW 2128; Geburtenbuch der jüdischen Gemeinde, IKG Wien; Institut für Zeitgeschichte, München (Hg.): Widerstand als „Hochverrat“ 1933 – 1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht (Microfiche-Ed.). München, Saur, 1994ff. (Microfiches 0409, 0646); MA 61, Wiener Heimatrolle, L. M. M.; Tagblatt-Archiv.
W.: „Meine liebe, dumme Mama (Hotel Jungfrau). Lustspiel in 3 Akten von Ludwig Nerz und Louise Maria Mayer“ (1929), „Disraeli. Eine Komödie in fünf Bildern von Louise Marie Mayer und Arthur Rundt“ (1932), „Kyrill reist ins Abendland [Komödie in fünf Bildern von Louise Marie Mayer und Arthur Rundt“] (Uraufführung 1932), „Kleine Szene im Palasthotel“ (Typoskript), „(Übersetzung ins Deutsche:) René Fauchon: Seine Kleine (Sein kleines Mädel)“. Feuilletons u. a.: „Ehrenrettung des ‚Vamp’. In: NWT, 28.2.1932, S. 2f.“, „’Schöner Gigolo, armer Gigolo’. In: NWT, 9.4.1933, S. 2f.“, „Der Kampf um den Mann. In: NFP, 29.12.1934, S. 1f.“, „Kultur des Essens. In: NFP, 2.6.1935, S. 1f.“, „Das Wiener Kaffeehaus. In: NFP, 30.10.1935, S. 9“, „Dame auf Reisen. In: NFP, 25.6.1936, S. 1-3“, „Soll eine Frau gescheit sein? In: NFP, 19.6.1937, S. 1f.“, „Die Frau und die Technik. In: NFP, 2.9.1937, S. 7“
L.: Eppel 1984, Luža 1985, Molden 1958
Christine Kanzler