Matzner Maria, geb. Liebl; Politikerin und Widerstandskämpferin
Geb. Zniscenie bei Lemberg (Ukraine), 5.1.1902
Gest. Graz, Stmk., 13.5.1987
Herkunft, Verwandtschaften: Ihr Vater Johann Liebl stammte aus dem Böhmerwald, war von Beruf Schmied und später Gas- und Wasserleitungsinstallateur. Ihre Mutter Josefa geb. Köfer stammte von Bauern in der Oststeiermark. M. M. hatte zwei Brüder, die in Graz lebten.
LebenspartnerInnen, Kinder: Sie heiratete den sozialdemokratischen Politiker Fritz Matzner (1896-1973), den sie als Angestellte im Bezirkssekretariat des Metallarbeiterverbandes in Wiener Neustadt kennenlernte und dem sie nach ihrer Eheschließung 1926 nach Graz folgte, und nahm sich um seine Töchter aus erster Ehe, Erna und Trude, an, die bei ihr aufwuchsen. Sie selbst bekam keine Kinder. Ihre Ehe wurde während des Krieges geschieden. Fritz Matzner war unter Dollfuß und Hitler im Widerstand tätig, wurde sechsmal verhaftet und floh 1944 vor seiner siebenten Verhaftung zu den Partisanen in Jugoslawien, von wo er sich vor Kriegsende illegal wieder nach Österreich durchschlug. Nach Kriegsende wurde er sofort in die provisorische steirische Landesregierung berufen. 1960 wurde er zum Ersten Landeshauptmannstellvertreter gewählt. Mit ihren Stieftöchtern und deren Kindern blieb M. M. stets in Kontakt.
Enge Freundschaft verband M. M. mit Karl und Brigitta Reidinger; die beiden Ehepaare lernten sich in Wiener Neustadt durch ihre gemeinsame Arbeit in der Partei, in der Gewerkschaft und im Arbeiterturnverein kennen. Als Fritz Matzner 1925 in eine leitende Funktion der Freien Gewerkschaften (Landessekretär der Landesgewerkschaftskommission für Steiermark) nach Graz berufen wurde, holte er Karl Reidinger ebenfalls nach Graz, wo dieser die Funktion des Sekretärs der Landesexekutive Steiermark der Freien Gewerkschaften bekleidete. Beide Ehepaare begrüßten diese Ortsveränderung, denn in Wiener Neustadt wurden nicht nur die geschiedenen Männer Fritz Matzner und Karl Reidinger, sondern auch deren zweite Frauen gesellschaftlich geradezu geächtet – ein Verhaltensmuster, das noch in viel späterer Zeit zu beobachten, aber in größeren Städten wie Graz weit weniger spürbar war. Fritz Matzner und Karl Reidinger waren während des Nationalsozialismus gemeinsam in einer Widerstandsgruppe. Später war M. M. Landesvorsitzende der SPÖ-Frauen in der Steiermark und Brigitta Reidinger die Vorsitzende der SPÖ-Frauen von Graz. Darüber hinaus gehörte „Tante Mutz“ fast zur Familie Reidinger.
Ausbildungen: Volksschule, Bürgerschule in Graz, Lehrgang für Büroangestellte.
Laufbahn: Ab 1917 war M. M. Angestellte im Bezirkssekretariat des Metallarbeiterverbandes in Wiener Neustadt und gleichzeitig Funktionärin bei der Sozialistischen Jugend und im Arbeiter-Turnverein. 1926 übersiedelte sie mit ihrem Mann nach Graz und war vom November 1927 bis Februar 1934 nach Martha Tausk Frauenlandessekretärin der SPÖ und Mitglied des Landesparteivorstandes. Nach dem Zusammenbruch der Februar-Kämpfe suchte sie Hilfsmaßnahmen für die Familien der Inhaftierten einzuleiten und stellte über Rosa Jochmann die erste illegale Verbindung zu den Revolutionären Sozialisten in Wien her. Sie nahm auch Verbindung mit den Geflüchteten auf, u. a. mit Otto Bauer und mit Moritz Robinson, dem ehemaligen Chefredakteur des „Arbeiterwillen“, und arbeitete beim Aufbau eines überwiegend aus Frauen bestehenden Kaders mit, der u. a. Informationsmaterial und die illegale „Arbeiterzeitung“ verbreitete. 1934 erhielt sie ihre erste Arreststrafe wegen einer nicht gestatteten Versammlung in Eggenberg, 1937 vier Wochen Arrest und einige Wochen Untersuchungshaft wegen der illegalen Arbeit ihres Mannes. Im Oktober 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und nach Wien gebracht; denn sie hatte auf Wunsch der Parteigenossen in Jugoslawien, unter denen sich Fritz Matzner befand, mit Heinrich Widmayer Kontakt aufzunehmen versucht, der bereits unter Beobachtung stand. Fritz Matzner hatte nach Jugoslawien fliehen müssen, weil die Widerstandsgruppe, in der er arbeitete, verraten wurde, was die Hinrichtung einiger Mitglieder zur Folge hatte, u. a. von Fritz Marsch, dem Vater des gleichnamigen späteren Zentralsekretärs der SPÖ. Die Anklage gegen M. M. lautete: Verbindung zu den Partisanen. Bei den Verhören hängte man sie an den Handschellen an der Wand auf – Freunde sahen nach dem Krieg die Wunden an ihren Handgelenken. Im Dezember 1944 wurde sie in das Polizeigefängnis Rossauerkaserne überstellt. Im April 1945, als die Gestapobeamten geflüchtet waren, wurde sie entlassen, wohnte bei Bekannten und konnte im Mai nach Graz zurückkehren. Sie war sofort im Parteisekretariat tätig, begann mit dem Organisationsaufbau in der Obersteiermark und übernahm wieder das Frauenlandessekretariat (bis 1962). 1946 wurde sie in den Landtag gewählt, 1950 in die Landesregierung, wo sie das Fürsorgereferat leitete und damit die erste und einzige Frau in einem österreichischen Landtag war (in der Steiermark kam erst 1988 wieder eine Frau in den Landtag: es war Waltraud Klasnic, später der erste weibliche Landeshauptmann). 1962 schied sie aus dem Landtag und der Steiermärkischen Landesregierung aus und wurde in den Bundesrat berufen, dem sie bis 14.5.1970 angehörte. Während sie ihre Ämter als Mitglied der Landesparteivertretung und als Vorsitzende des Frauenlandeskomitees 1968 zurücklegte, blieb sie Vorsitzende der „Volkshilfe“ Steiermark, bei deren Aufbau sie sich engagiert hatte.
Sie wurde allgemein hoch geachtet, aber ihrer etwas herben Art wegen auch ein wenig gefürchtet. Sie starb am 13.5.1987 in Graz und wurde am Grazer Urnenfriedhof neben ihrem Bruder beigesetzt.
Ausz.: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich; Ehrenring des Landes Steiermark; Ehrenring des Österreichischen Blindenverbandes; Große Viktor-Adler-Plakette der SPÖ. 2005 veranstaltete die Historikerin Brigitte Dorfer im Grazer Stadtmuseum eine Ausstellung über Martha Tausk und M. M.
Qu.: Informationen von Dr. Lotte Reidinger.
L.: Mang 1988, Matzner 1998, Maria Matzner 75 Jahre. In: Neue Zeit, 4.1.1977. Maria Matzner feiert den 80.Geburtstag. In: Neue Zeit, 5.1.1982.
Edith Stumpf-Fischer