Marta („Ordelwring“?); Sängerin und Kammermusikerin
Geb. ?
Gest. ?
Laufbahn: M.s Wirken am Wiener Kaiserhof und ihre Herkunft aus Mecheln (flämisch: Mechelen im heutigen Belgien) lassen sich nur indirekt erschließen. Einer Eintragung im Hofzahlamtsbuch von 1570 zufolge kam die „jungfrawen von Mecheln außm Niderlandt“, die als vortreffliche Virginalspielerin, Sängerin und Musikerin charakterisiert wird, über Vermittlung des aus Mecheln stammenden kaiserlichen Hofkapellmeister und Komponisten Philippe de Monte (1521-1603) nach Wien. Sie wird mit jener Marta identifiziert, deren Gesangskunst und Spiel der Instrumente wie kaum einer anderen Musikerin in ihrer Zeit von ihren Musikerkollegen glorifiziert wird. Sie ist Adressatin zahlreicher Widmungsgedichte und musikalischer Kompositionen. 1571 widmet ihr der Triester Komponist Giacomo Gorzani eine dreistimmige „Villanella alla napolitana“ und preist ihre Anmut und ihre hohe musikalische Kunstfertigkeit. Desgleichen tut dies ein gewisser Giovanni Baptista Fonteo in einem Preisgedicht. Es wird vermutet, dass Garzoni als auch Fonteo sich anlässlich der Hochzeit des Bruders Kaiser Maximilians II., Erzherzog Karl, mit Maria von Bayern sich 1571 in Wien aufhielten und Marta aus persönlicher Anschauung kannten.
In zwei Parallelvertonungen von Chansons von Philippe de Monte und dem Mechelner Chormeister Severin Cornet (†1582) von 1574 und 1575 wird M. ebenfalls geehrt. Möglicherweise war es Cornet, der M. für den Kaiserhof empfohlen hatte; M. dürfte ihm keine Unbekannte gewesen sein. Zu der Zeit, da de Monte M. nach Wien brachte, war er nämlich Chormeister an der Kathedrale in Mecheln. In der Korrespondenz des italienischen Komponisten Stefano Rossetto (auch Rossetti) mit dem Kaiser aus dem Jahr 1574, der wohl M. von seinem Aufenthalt in Wien 1570/71 kannte, wird sie mehrfach erwähnt und indirekt ihr Aufenthalt am Kaiserhof bestätigt. Der Briefwechsel bietet auch einen ungefähren Anhaltspunkt für die Bestimmung von M.s Alter. Rosseto berichtet von einer Musikerin in Rom, die er an den Kaiserhof vermitteln wollte, deren Alter er mit sechzehn Jahren etwas jünger als M. beschreibt. Demnach wäre M.s Geburtsjahr in den Jahren 1556-1558 anzusiedeln. In Wien hat möglicherweise der Hoforganist Guillaume Formellis (†1582) für ihren Lebensbedarf gesorgt, wenn mit der Jungfrau, für deren Unterhalt er laut Hofzahlamtsbuch laut einer Eintragung von 1574 ein Gnadengeld erhielt, M. gemeint war.
Weitere von Philippe de Monte vertonte Texte, darunter ein Gedicht des französischen Dichters Clément Marot (†1496-1544), können vielleicht auch auf M. bezogen werden. Schließlich finden sich 1581 noch zwei weitere musikalische Arrangements Severin Cornets zu Ehren der Sängerin.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass M. ihr Leben in Wien verbrachte, wenn sie mit jener Martha mit dem verballhornten flämischen Nachnamen Ordelwring identisch ist, die zwei Mal verheiratet war, mit Carlo Ardesi (†1580) und Mauro Sinibaldi (†1591). Beide Ehemänner, Geigenspieler, stammten aus Cremona und waren seit 1565 hoch geschätzte Mitglieder der kaiserlichen Hofmusikkapelle, die nach Maximilians II. Tod 1576 von seinem Sohn Rudolf übernommen wurden.
L.: Lindell 1987, Lindell 1990, Lindell 1992, Lindell 1994, Lunelli, Pass 2005
Ingrid Roitner