Liutpirg (oder Luitpirc); Ehefrau des bayerischen Herzogs Tassilo III.

Geb. ?
Gest. vermutlich vor 794

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Desiderius, König der Langobarden (757-774) und Ansa († vermutlich nach 774); Schwestern: Adelperga, verheiratet mit Herzog Arichis von Benevent (†787); Anselperga, Äbtissin von San Salvatore/Santa Giulia in Brescia; Schwester unbekannten Namens verheiratet mit Karl dem Großen 770/71 (zweite Ehefrau), von diesem verstoßen; Bruder: Adelchis, Mitregent († nach 788)

LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit dem bayerischen Herzog Tassilo III. (748-788/794); Kinder: Theodo, Cotani, Hrodrud, Theodbert. Zu L.s Vertrauten gehörte der Langobarde oder Romane Ambrosius, vor 788 Abt des Herzogsklosters Chiemsee, der vermutlich mit ihr nach Bayern gekommen war. Vielleicht war er ihr capellanus.

Laufbahn: 763 kam es zu einer Verstimmung zwischen dem bayerischen Herzog Tassilo III. und dem Frankenkönig, dessen Ursachen sich im Einzelnen nicht erheben lassen und die wohl mit dem Aquitanienkrieg von 763 zusammenhingen. In der Folge kam es zu einer Annäherung zwischen dem bayerischen Herzog und dem Langobardenkönig. L.s Heirat mit Tassilo III. war wohl die Besiegelung eines bayerisch-langobardischen Bündnisses. Sie erfolgte 763, jedenfalls vor 768/69. In dem heute in Kremsmünster aufbewahrten berühmten Tassilo-Kelch, ein liturgisches Gerät für die Messfeier, vermutlich als Spendekelch, über dessen ursprüngliche Bestimmung und den Weg, den er aus dem einstigen Besitz des Herzogspaares in das von Tassilo 777 gegründeten Kremsmünster genommen hatte, nur Vermutungen angestellt werden können, ist am Fußende L. zusammen mit ihrem Mann inschriftlich verewigt: + TASSILO DVX FORTIS + LIVTPIRC VIRGA REGALIS, «Tassilo tapferer Herzog, Liutpirc königliches Reis». Die Inschrift demonstriert eindrucksvoll L.s herrschaftliche Stellung an der Seite ihres Mannes. L.s Schicksal ist auf das engste mit dem politischen Geschick Tassilos verbunden. Sein Versuch, im Südosten des fränkischen Reiches eine königsgleiche Herrschaft aufzubauen, mündete ein in den Schauprozess von Ingelheim 788 unter dem Vorwand der Anklage wegen harisliz, dem vorzeitigen Verlassen des Heeres. Tassilo und seine Familie wurden ins Kloster geschickt. Tassilo wurde in Sankt Goar zum Mönch geschoren und ins Kloster Jumièges an der Seine (unterhalb von Rouen) verbannt. Der Sohn Theodo (Mitregent) wurde in Sankt Maximin in Trier untergebracht und Theodbert in ein unbekanntes Kloster verwiesen. 794 erfolgte Tassilos endgültiger Verzicht der Herrschaftsrechte. Zu diesem Zeitpunkt dürfte L. nicht mehr am Leben gewesen sein. L. wurde in fränkischen Quellen auch die Schuld für Tassilos Verhalten angelastet. Ihre angebliche Konspiration mit den Awaren ist als malivola anzusehen (Herwig Wolfram).

L.: Becher 1993, Bischoff 1973, Jahn 1991, Krah 1987, Laske 1978, Wolf 1991, Wolf 1996, Wolfram 1995, Wolfram 1995a

Ingrid Roitner