Lubnerin Theresia; Dienst- und Hütemensch

Geb. Weitersfelden bei Freistadt, OÖ, um 1750
Gest. ?

Herkunft, Verwandtschaften: Aus der Gegend um Weitersfelden im Mühlviertel, ledig, katholisch, „Pupillin“ der Herrschaft Harrachsthal. Vater: Joseph Lubner, Maurer, von Weitersfelden weggegangen, gestorben. Mutter: Clara Lubnerin, Einliegerin im Hafnerhäusl in Weitersfelden, galt als aggressiv.

LebenspartnerInnen, Kinder: Th. L. war von 1781-1783 beim jungen Joseph Wiesinger in Lasberg als „Hütemensch“ tätig und wurde seine Geliebte; Beziehung aber auch mit Anton Pauer, einem Hafner. Kinder: 1784 Geburt der unehelichen Tochter Katharina (die L. war sich nicht sicher, ob der Wiesinger oder der Pauer der Vater ist), lebte bei Joseph Pister in Weitersfelden in Pflege.

Ausbildungen: Mit ca. 12 Jahren in wechselnden Diensten

Laufbahn: Am 3. August 1784 wurde der kleine Ort Weitersfelden ein Raub der Flammen. Wie in solchen Fällen üblich, tauchte schon kurze Zeit später der Verdacht der Brandstiftung auf. Dieser fällt auf die 60-jährige Clara Lubnerin. Sie, die Außenseiterin im Ort, soll die Weitersfeldner Bevölkerung im Zorn bedroht haben. Festgenommen wird zwei Tage später jedoch ihre Tochter, die ca. 30-jährige Th. L. Sie, so gab eine Magd beim Ploderwaschlbauern, wo Th. arbeitete, an, soll sich seltsam benommen und vom Braten und Brennen geredet haben, unmittelbar, bevor der Brand ausbrach. Th. L., die sich unmittelbar nach dem Brand bei einem außerhalb des Ortes wohnenden Hammerschmied versteckte, versuchte, sich in der Schwarzen Aist zu ertränken, als die Schergen des Harrachsthaler Gerichts kamen, um sie zu holen.

Die wahre Verdächtige, ihre Mutter, war verschwunden, was die Tochter, die offensichtlich eine enge, wenn auch nicht konfliktfreie Beziehung zu ihrer Mutter hatte, aus dem Gleichgewicht brachte. Th. L. gab vor dem Freistädter Gericht an, sie habe „ein Köllerl vom Herd genommen und in einen Fetzn gewickelt, es aber dann beim Stadl des Nachbarn fallen lassen”. Schon im Laufe des ersten Verhörs wechselte ihr Gemütszustand ständig. Ist sie im einen Augenblick verständig und von entwaffnender Logik, kann sie im nächsten Moment in Tränen ausbrechen, vor Angst zittern, jammern und schreien bzw. über Schmerzen und Druck klagen.

Das Gericht zog deshalb bald einen Linzer Arzt bei, der sie einem medizinischen Constitum unterwarf, einer Art medizinischem Verhör inklusive Anamnese, einem damals ganz modernen Verfahren. Während das Gericht noch nach der verschwundenen, nach wie vor hauptverdächtigen Mutter und nach ZeugInnen suchte, bestätigte der Arzt den „Verdacht auf Sinnen Verrückung“. Für ihn sei Th. L. seit der Geburt ihres unehelichen Kindes gemütsverwirrt und deshalb schon bei einem Bader in Behandlung gewesen, welcher sie nach den damaligen medizinischen Erkenntnissen mit Aderlass, Senfpflastern und Anketten traktierte. Th. L. selbst beschrieb die Geburt ihrer Tochter als Beginn des Unglücks, dessentwegen sie nun sterben müsse. Auch ihre Umgebung hatte ihren Gemütszustand bemerkt und sie, die als Einliegerin bei einem Hafner im Ort wohnte, für leichte Haushaltstätigkeiten eingesetzt. Während sie früher, von ihrem zwölften Lebensjahr an in wechselnden Diensten bei Bauern der Umgebung arbeitete – und diese Arbeit war beileibe keine leichte-, blieb sie nun im Ort und wurde von der Gemeinschaft praktisch mitgetragen.

Es scheint, als wäre für Th. L. die diagnostizierte „Sinnen Verrückung“ eine Möglichkeit gewesen, sich einerseits der rigiden sozialen Kontrolle ihrer Umgebung zu entziehen und andererseits trotzdem im dörflichen Gefüge aufgehoben zu bleiben. Sie wurde schließlich nicht verurteilt, da die Theresiana für Sinnen Verrückung keine strafrechtlichen Konsequenzen vorsieht. Jedoch soll sie „in einem Spittal, oder anderen schickhlichen Orte verwahrlich” angehalten worden sein.

Die Mutter, die vom Gericht nach wie vor für die Brandstifterin gehalten wurde, blieb verschollen. Und auch von Th. L. verlor sich nach dem Urteil jede Spur.

Qu.: OÖLA/Herrschaftsarchiv Freistadt/Gerichtsakten, 1. Teil 1632-1799, Akt 129 bestehend aus handschriftl. Verhörsprotokollen der verdächtigen Th. L. (ungebunden), Steckbrief Clara Lubnerin, Briefwechsel Freistädter Gericht, Criminal Gutachten Linzer Juristen, Medizinisches Constitum der L., ZeugInnenaussagen, Verzeichnis der in Weitersfelden abgebrannten Güter mit Schadensschätzung.

L.: Beck 1986, Breit 1991, Foucault 1969, Lorenz 1999, Lorenz 2000, Mitterauer 1992, Nekolny 2001, Reif 1984, Schulte 1989

Carina Nekolny