Lippa Cäcilie, Cilli; Gemeinderätin, Gewerkschafterin und Näherin

Geb. Wien, 3.9.1867
Gest. Wien, 4.8.1935 (1933?)

Herkunft, Verwandtschaften: C. L. wird am 3. September 1867 in Wien-Hernals geboren. Ihre Eltern betreiben dort ein kleines Geschäft. C. ist das drittälteste Kind, sie hat acht Brüder und zwei Schwestern. Die somit dreizehnköpfige Familie lebt in bescheidenem Wohlstand. Das Herz der Familie ist die Mutter, die C. als gütige, hilfsbereite und energische Frau beschreibt.

Ausbildungen: C., wie sie häufig genannt wird, beginnt im Alter von siebzehn Jahren eine Lehre als Weißnäherin.

Laufbahn: Sie hört bei sozialdemokratischen Versammlungen, die sie mit ihrem späteren Mann, einem Drechslergesellen, besucht, die Reden von Viktor Adler und Anton Schrammel, den späteren Organisator der Chemiearbeiter. 1892 hört sie bei einer sozialdemokratischen Veranstaltung ein Referat über die Frau und den Sozialismus und hält spontan ihre erste Rede, die 45 Minuten dauert und ein großer Erfolg ist. Nach diesem ersten öffentlichen Auftritt spricht sie bei Zusammenkünften der Metallarbeiter, der keramischen ArbeiterInnen und der TextilarbeiterInnen in Wien und in der Provinz. 1892 gründet C. L. die gewerkschaftliche Organisation der Wäsche-, Krawatten- und MiedererzeugerInnen, die sich später dem Verband der TextilarbeiterInnen angeschlossen hat. An den ersten Wiener Maifeiern am 1. Mai 1890 nimmt C. L. teil und überredet auch zahlreiche FabriksarbeiterInnen zur Teilnahme. 1894 wird sie zur Leiterin des Hernalser Frauenagitationskomitees bestimmt, sie war einige Jahre als zweite Obfrau im Arbeiterbildungsverein tätig und ist 1895 bei der ersten Frauenreichskonferenz zur Vorsitzenden des Frauenreichskomitees gewählt worden. 1897 hört die sozialdemokratische Gewerkschafterin im Hotel Wimberger eine Wahlrede des populären christlichsozialen Karl Lueger und kritisiert ihn in dieser hauptsächlich von Christlichsozialen besuchten Massenveranstaltung vom Podium aus. Der Entrüstungssturm der ZuhörerInnen war daraufhin so heftig, dass die junge Frau nur unter Polizeischutz das Lokal verlassen kann.

Ihre weitere Parteitätigkeit besteht hauptsächlich in gewerkschaftlicher Arbeit. Bezeichnend für diese Arbeit ist der große Kampf im Jahre 1903, den sie um die Abschaffung des Dienstbotenunwesens in den Wäschereien und Wäscheputzereien führte. Es waren bei manchen Firmen zehn bis zwölf „Dienstmädchen“ eingestellt, die als gewerbliche Arbeiterinnen verwendet worden sind. Der Kampf führte zum Streik der Arbeiterschaft und wurde erfolgreich beendet. Dieses Ausbeutungssystem war abgeschafft. 1906 wurde von der Arbeiterschaft der Wäschefabriken Wiens die Einführung der neunstündigen Arbeitszeit und der freie Samstagnachmittag mit Bezahlung gefordert. Trotz des Widerstandes der Unternehmer setzten die ArbeiterInnen ihre Forderungen mittels eines sechswöchigen Streikes durch. Im selben Jahr wird C. L. Beamtin im Verband der TextilarbeiterInnen und Obfrau der Wäschebranche, sie ist zu ihrer Zeit die einzige Frau, die an der Spitze einer Gewerkschaft steht. 1920 wird C. L. in den Landtag gewählt, 1929 bis 1932 ist sie Wiener Stadt- und Gemeinderätin, ihren Sitz im Landtag hat sie bis 1930. C. L. stirbt am 4. August 1935 in Wien (lt. Paul Pasteur im Jahre 1933).

Qu.: Tagblattarchiv/AK (Personenmappe).

W.: „Wie ich Sozialdemokratin wurde. In: Die Unzufriedene, 5.1.1924“

L.: Pasteur 1986, AZ 4.10.1927, Vom Frauenberuf. Die Geschichte einer Weißnäherin. Vom Lehrmädel zur Gemeinderätin. In: Das kleine Blatt 5.10.1927, Wien

Karin Nusko