Trenkler Eleonore
Diätassistentin, Köchin und Äthiopienreisende
Geb. Berlin, Deutschland, 25.3.1914
Gest. Wien, 10.9.2002
Herkunft, Verwandtschaften: E. T.s Vater war der österreichische Hüttentechniker Dipl.-Ing. Dr. Hugo Trenkler (geb. 1881 in Wien, gest. 1925 in Berlin), der aus beruflichen Gründen nach Berlin übersiedelte; E. (genannt Lore) kam daher in Berlin als österreichische Staatsbürgerin zur Welt. Ihre Mutter Friederike geb. Titsch-Godin (1886-1963) brachte einen Sohn mit in die Ehe, E.s geliebten Halbbruder Paul. Aus Friederikes Ehe mit Hugo Trenkler stammten auch E.s jüngere Geschwister Thomas und Christine. Ihr Vater starb 1925 an einem Herzleiden und ihre Mutter schloss zwei Jahre später eine weitere Ehe mit dem Lehrer Hermann Laasch; 1927 wurde E. T.s Halbschwester Renate Laasch geboren, die von E. T. ebenfalls sehr geliebt wurde wie alle ihre Geschwister. Mit diesen und deren Kindern, besonders mit ihren Neffen Peter Trenkler (Sohn ihres Bruders Thomas) und Joachim Hitzigrath (Sohn ihrer Schwester Christine) pflegte sie lebenslang einen herzlichen Kontakt.
LebenspartnerInnen, Kinder: E. T. blieb unverheiratet und kinderlos. Dazu trug wohl ihre Erkrankung an Kinderlähmung im Alter von 25 Jahren bei, wie eine Bemerkung von ihr zu einer Verwandten bestätigte; die attraktive, stattliche Frau musste von da an stets ein rückenstützendes Korsett tragen, auch wurde ihr ärztlicherseits von Schwangerschaften dringend abgeraten.
Ausbildungen: Ihre Mutter zog mit ihrem Stiefvater Hermann Laasch nach Brandenburg/Havel, wo E. T. aus finanziellen Gründen die Mittelschule ab 1929 nicht mehr besuchen konnte. Als der Stiefvater nach Berlin versetzt wurde, trat sie als Lehrling in das Büro der „Liga für Menschenrechte“ ein, wo sie nach Beendigung ihrer Lehrzeit als Büroangestellte tätig war. Nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Jänner 1933 flüchtete sie noch am selben Abend mit dem Zug nach Wien und gelangte dank ihrem österreichischen Pass unbehelligt über die Grenze; in den folgenden Tagen wurde die „Liga für Menschenrechte“ aufgelöst und alle dort Angestellten wurden verhaftet. In Wien fand sie ein neues Heim bei ihrem Großvater väterlicherseits, Adolf Trenkler, der ihre jüngeren Geschwister Thomas und Christine bereits anlässlich der neuen Eheschließung ihrer Mutter zu sich genommen hatte. Dieser war Sekretär des reichen Industriellen Karl Wittgenstein (Vater des Philosophen Ludwig Wittgenstein) gewesen und hatte ein Vermögen erwirtschaftet (er besaß u. a. drei Häuser im 18. Wiener Bezirk). Der Großvater bot E. T. die Möglichkeit, einen Beruf ihrer Wahl zu lernen. „Nachdem ich zu Hause während eines Jahres den Haushalt erlernte, besuchte ich von April 1934 bis März 1935 die Diätschule von Prof. Noorden“ berichtete sie in ihrem Lebenslauf. Am 30.3.1935 legte sie die Prüfung über ihre Befähigung als Diätassistentin ab.
Laufbahn: 1935 absolvierte sie ein Praktikum im Kurhaus „Cäcilia“ in Bad Gastein und war anschließend als Leiterin der Diätküchen am allgemeinen staatlichen Krankenhaus in Belgrad sowie als Diätassistentin im Kneippheim in Berneck/Fichtelgebirge tätig. Von April bis Oktober 1938 besuchte sie einen Aufbaulehrgang an der Diätküche des Deutschen Roten Kreuzes in München zur Erlangung der deutschen staatlichen Anerkennung und arbeitete anschließend am Biologischen Krankenhaus in München. Aus dieser Tätigkeit wurde sie durch ihre Erkrankung an Kinderlähmung herausgerissen und war nach ihrer Genesung 1940 bis zum Kriegsende Ernährungsreferentin bei der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) im Gau Baden-Elsaß. 1940 starb ihr Großvater, 1944 fiel ihr Halbbruder Paul bei Grodno (bis zum Zweiten Weltkrieg zu Polen, dann zur Sowjetunion, seit 1992 zu Weißrussland gehörend). Vom August 1945 bis November 1946 war sie Haushälterin und Köchin in einem von französischen Offizieren bewohnten Haus in Allensbach/Bodensee; daran schlossen sich verschiedene Gelegenheitsarbeiten, auch kunstgewerblicher Art, bis sie 1949 Diätassistenzleiterin an der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien wurde, wo sie ab 1953 auch in der Diätschule unterrichtete. Der Untersuchungsausschuss für politische Säuberung (Stadtkreis Konstanz II. Kammer) hatte am 11. Dezember 1947 festgestellt, sie sei weder Mitglied der NSDAP noch deren Gliederungen gewesen (das Dokument ist im Nachlass erhalten). Alle ihre DienstgeberInnen bescheinigten ihr Gewissenhaftigkeit, Verlässlichkeit und Fleiß und hoben ihr ruhiges, angenehmes Wesen hervor; die Professoren der I. Medizinischen Universitätsklinik erwähnten auch ihre Beliebtheit als Vorgesetzte und bei den PatientInnen, deren Wünsche sie nach Möglichkeit erfüllte: so kochte sie z. B. für eine jüdische Patientin eigens koschere Speisen. Ab Februar 1956 war sie schließlich Diätküchenleiterin an der „Kerckhoff-Klinik“ des Hessischen Staatsbades Bad Nauheim.
Da brachte 1960 eine Annonce in einer Fachzeitschrift die große Wendung, die ihr weiteres Leben bestimmen sollte: Dr. Johann H. F. Otto, der deutsche Leibarzt der zuckerkranken Gattin des Kaisers Haile Selassie von Äthiopien, Menen Asfaw (geb. 1889, Heirat 1911, Kaiserin seit 1930), suchte für diese eine Diätassistentin. Wichtige Zusatzbedingungen: Alter über vierzig Jahre und Kenntnis der französischen Sprache. E. T., die beide Bedingungen erfüllte, bewarb sich und folgte damit einem Wunschtraum aus Kindertagen, einer Reise nach Afrika. Sie war eine der zwei Bewerberinnen, die vom Leibarzt für die kaiserliche Entscheidung ausgewählt wurden, und der Kaiser (1892-1975, Kaiser von Äthiopien 1930-1974) entschied sich für sie. Auf drei Jahre lautete der Vertrag, 15 Jahre sollten es werden. Am 14. November 1960 landete die Maschine mit ihr in Addis Abeba, sie erhielt eine Wohnung im Jubilee-Palast und wurde bald darauf vom Kaiser in Audienz empfangen. Bereits im Dezember erlebte sie eine Revolution, die blutig niedergeschlagen wurde; es folgten zahlreiche Hinrichtungen. Am 15. Februar 1962 starb Kaiserin Menen Asfaw und E. T. rechnete mit ihrer Heimkehr nach Ende ihres Vertrages im November; doch der Kaiser bat sie in einem persönlichen Gespräch, zu bleiben. Auf seinen Wunsch kochte sie für die kaiserliche Tafel und leitete die Zubereitung der europäischen Speisen für die Bankette bei Staatsbesuchen – beim Besuch der englischen Königin Elisabeth II. im Jahr 1965 waren z. B. 1000 Personen zu bewirten. Auf Staatsbesuch kamen u. a. auch der Premierminister der Volksrepublik China Chou en Lai (1964), Heinrich Lübke, Präsident der Bundesrepublik Deutschland (1964), aus Frankreich Präsident Charles De Gaulle (1966) und Präsident Georges Pompidou (1973), König Olav V. von Norwegen (1966), Reza Pahlevi, Schah des Iran (1968), Juliane I., Königin der Niederlande (1969) sowie Jugoslawiens Marschall Tito, der mit dem Kaiser befreundet war und diesen wiederholt besuchte. Anschaulich schilderte E. T. in ihren „Erinnerungen“ ihre Erlebnisse und Beobachtungen bei der Bewirtung und Betreuung dieser illustren Gäste und ihrer Begleitung. Besonderen Erfolg bei Hofe und bei den Gästen hatte z. B. ihr Wiener Apfelstrudel. Die ungewohnten Arbeitsbedingungen meisterte sie mit viel Improvisationsgeschick und Phantasie. Auch bemühte sie sich, das Amharische zu erlernen und Land und Leute, Religion und Lebensweise, Landschaft, Tiere und Pflanzen näher kennen zu lernen, und unternahm zahlreiche Reisen und Ausflüge, wobei sie vom Kaiser mit großem Entgegenkommen unterstützt wurde. Als sie an einer akuten Gelenksentzündung litt, ließ er sie ins Haile-Selassie-Hospital bringen und überzeugte sich durch einen Besuch persönlich von ihrem Befinden und ihrer Betreuung. Sie fühlte sich von ihm geschätzt und beschützt und empfand hohen Respekt vor seiner Achtung gebietenden Haltung und persönlichen Bescheidenheit – kein Wunder, dass es sie zutiefst traf, als 1974 das Militär im Zuge einer Revolution die Führung übernahm. Die Situation wurde immer angespannter, es gab Verhaftungen und Hinrichtungen, schließlich wurde die kaiserliche Familie in Gewahrsam genommen und der Kaiser isoliert. Bis zuletzt suchte E. T. ihm und seiner Familie Speisen, Botschaften und Trost zukommen zu lassen und ließ sich nicht bewegen, wie andere AusländerInnen ihre Flucht vorzubereiten. Am 27. August 1975 wurde der Tod des Kaisers gemeldet. E. T. erzählte später im Familienkreis, sie wisse aus der Umgebung des Kaisers, dass durch Injektion von Luft eine Embolie herbeigeführt worden sei. Heute gilt als erwiesen, dass Oberst Mengistu Haile-Mariam den Kaiser nachts mit einem Kissen erstickte (der Oberst flüchtete 1991, wurde in Äthiopien in absentia wegen Völkermordes 2006 zum Tode, 2007 zu lebenslanger Haft verurteilt und lebt in Simbabwe). Nun freilich wollte E. T. keinesfalls länger bleiben und verließ Äthiopien am 28. Oktober 1975 in Richtung Österreich. Sie trat in den Ruhestand und mietete eine Wohnung im 14. Wiener Bezirk (Hadikgasse 14).
Beziehungen, Freundschaften: Vor allem während ihres Aufenthaltes in Äthiopien schloss sie zahlreiche, freilich immer wieder wechselnde Bekanntschaften, aber auch einige enge und dauerhafte Freundschaften, die weit über die „Äthiopienzeit“ hinaus Bestand hatten, und zwar mit Lehrern und Lehrerinnen an der Deutschen Schule, z. B. mit Ingrid Schulte, Hugo Welte (mit dem Frau Schulte später die Ehe schloss, wobei E. T. Trauzeugin war), oder mit Elfriede und Gottfried Sodeck, den einzigen ÖsterreicherInnen unter ihnen. Auch lernte sie die Schriftstellerin Gertrud Schmirger (bekannt unter ihrem Pseudonym Gerhart Ellert) kennen, die an einem Buch über Äthiopien arbeitete, deshalb Äthiopien besuchte und um E. T.s Hilfe bei den Besichtigungen bat; ein ehemaliger Arztkollege E. T.s hatte ihr dies geraten. Aus dieser Begegnung entstand eine „innige Freundschaft“ (so bezeichnete sie E. T. in ihren Erinnerungen) und ihr Briefwechsel endete erst mit dem Tod Gertrud Schmirgers 1975. Am Kaiserhof selbst hatte sie ein ausgezeichnetes Vertrauensverhältnis zu Dozent Dr. Johann Otto, dem deutschen Leibarzt der Kaiserin Menen und späteren Berater in der Haile Selassie Foundation, der sie unter den Bewerberinnen für den Posten in die engste Wahl gezogen hatte. Sehr herzlich gestaltete sich ihre Beziehung zu ihrer äthiopischen Mitarbeiterin Hiruth Abegaz Yimer, Tochter des Kindermädchens von Prinzessin Tsehai, die vom Kaiser Haile Selassie zur Lehre nach Deutschland geschickt worden war und E. T. bei den anfänglichen Sprachproblemen beistand. Und als wirklich guten Freund bezeichnete sie den Colonel Asfaw Abner, Verwalter im Jubilee Palace; nach dem Tod Haile Selassies I. wurde er verhaftet und während des Derg-Regimes sechs Jahre im Gefängnis festgehalten. Auch zu den kaiserlichen Prinzessinnen und Prinzen hatte sie „ein sehr gutes und zum Teil auch freundschaftliches Verhältnis“ (so E. T.) und mit größter Anteilnahme und Hilfsbereitschaft verfolgte sie deren Schicksal nach dem politischen Umsturz und dem Tod Haile Selassies. Nach ihrer Rückkehr aus Äthiopien betätigte sie sich einige Zeit als Wirtschafterin und Gesellschafterin der Fabrikantin Lileg.
Wirkungsbereich: In den folgenden Jahren unternahm sie zahlreiche Reisen, liebte Opern- und Theaterbesuche, malte Blumenaquarelle und widmete sich der traditionellen chinesischen Seidenbildmalerei (1988 Ausstellung in der BAWAG). Sie hielt Vorträge über ihre Erfahrungen in Äthiopien, wurde in Fachkreisen zunehmend bekannt und überließ dem Völkerkundemuseum 2001 per Schenkung 156 aus Äthiopien mitgebrachte Gegenstände wie Handkreuze, Halsbänder, ein Frauenfestkleid u. a.
Für Zeitungsberichte und für eine Fernsehsendung wurde sie über ihre Erlebnisse befragt. Für ihre Familie schrieb sie, vermutlich gestützt auf Kalendernotizen, ihre „Erinnerungen an Äthiopien“ nieder (188 Maschinschreibseiten sowie ein Nachwort und einen Anhang), die sie 1987 in „Durchschlägen“ an ihre Neffen verteilte. 2011, neun Jahre nach ihrem Tod, wurden diese als Buch herausgegeben. Dass Beobachtungen und kritische Analysen der politischen bzw. sozialen Zustände darin weitestgehend fehlen, wie gelegentlich bemängelt wurde, ist aus ihrer persönlichen Stellung und Perspektive zu erklären. Umso unmittelbarer und verlässlicher erscheinen ihre Schilderungen des Lebens am Kaiserhof. Dessen Beschreibungen in dem Buch „König der Könige. Eine Parabel der Macht“ des Journalisten Ryszard Kapuścińsky (1932-2007) veranlassten sie zu empörtem Widerspruch; er könne unmöglich je selbst am Kaiserhof gewesen sein, erklärte sie. Bis ins hohe Alter bewahrte sie ihre Selbständigkeit und geistige Klarheit, erst zuletzt zwangen sie die Folgen eines Sturzes, in ein Seniorenheim zu übersiedeln. Sie starb am 10. September 2002 und wurde nach dem Ritus der Christengemeinschaft beerdigt, der sie nach dem Beispiel ihrer Mutter beigetreten war. Die Urne wurde im Familiengrab auf dem Friedhof Gersthof beigesetzt.
Werke
Literatur / Quellen
Qu.: Nachlass E. T.s: Zahlreiche Dokumente, ferner Aquarelle und Seidenmalereien; Dokumente über die Familie (im Besitz von Joachim Hitzigrath und von Peter Trenkler sowie in der Sammlung Frauennachlässe des Institutes für Geschichte der Universität Wien); BAWAG-Ausstellungsplakat: L. T. Chinesische Seidenbildmalerei, 15.11.-1.12.1988; T. E.: Lebenslauf, datiert mit 19. Januar 1959. Manuskript; T. E.: Erinnerungen an Äthiopien 14. November 1960 – 14. November 1975. Typoskript; Zach, Michael: Schreiben an Hofrätin Dr. Gertrude Enderle-Burcel vom 3.4.2009. ORF-TV-Sendung „Willkommen Österreich“ am 10.7.1996; Ö1-Sendung „Die Köchin des Königs der Könige“, Hörbilder, 30.3.2002, 9.05 Uhr. Mündliche Informationen von Joachim und Elisabeth Hitzigrath sowie von Peter Trenkler.
L.: Agstner 2011, Buzas 1979, Stumpf-Fischer 2011