Lehmann Lotte; Sängerin und Schriftstellerin
Geb. Perleberg/Brandenburg, Mecklenburg-Schwerin (Deutschland), 27.2.1888
Gest. Santa Barbara, Kalifornien, USA, 26.8.1976
Herkunft, Verwandtschaften: L. L. wird am 27.2.1888 in Perleberg, einem Ort in der Nähe von Hamburg, geboren. Ihr Vater ist Sekretär des Ritterlichen Kreditvereins in Perleberg (Carl Lehmann 1849 Prenzlau – 1928 Hinterbrühl bei Wien), die Mutter Maria Lehmann, geb. Schuster (1850 Prenzlau – 1934 Wien). Der Familie Lehmann gehört auch noch L.s Bruder Fritz Lehmann an (1882 Berlin – 27.4.1963 Santa Barbara).
Ausbildungen: Die ersten Jugendjahre verbringt L. L. in Perleberg, wo sie auch die Volksschule und die Schule für höhere Töchter besucht. 1902 übersiedelt die Familie Lehmann nach Berlin, wo L. L. ab 1904 die königliche Hochschule für Musik besucht. Durch ein Stipendium von Baron Konrad zu Putlitz kann L. L. ein Studium bei Etelka Gerster, Eva Reinhold und Mathilde Mallinger beginnen, von Max Bachur wird sie an das Hamburger Stadttheater engagiert.
Laufbahn: Bis 1916 tritt sie dort in zahlreichen Stücken auf, unter anderem als Agathe im „Freischütz“, Elsa in „Lohengrin“, Gutrune in der „Götterdämmerung“, weiters als Pamina in der „Zauberflöte“ und als Gräfin in „Figaros Hochzeit“. Ab 1916 ist L. L. fest an der Wiener Staatsoper engagiert (bis 1938). 1919 gibt L. L. ein Gastspiel in Prag als Mimi in „La Boheme“. Im gleichen Jahr gestaltet sie in der Uraufführung von Richard Strauss‘ Oper „Die Frau ohne Schatten“ die Färbersfrau. Bei ihren Gastspielen in London befreundet sich L. L. 1924 mit dem Dirigenten Bruno Walter, mit dem sie 1924-1926 anlässlich ihrer Gastspiele in London immer wieder auftritt.
Von 1922 an unternimmt L. regelmäßig Tourneen, sie tritt 1930 an der Chicago Civic Opera auf, in den Jahren 1928 – 19936 mit Arturo Toscanini anlässlich der Salzburger Festspiele. 1926 heiratet L. L. ihren langjährigen Geliebten Otto Krause-Jakobowitz (29.1.1883 Budapest – 22.1.1939 Sarance Lake, N.Y.). An der Berliner Staatsoper hat L. einen umstrittenen Auftritt in Gegenwart Hitlers und Görings, es ist ihr letzter Auftritt in Deutschland. Ab 1936 nimmt die schriftstellerische Tätigkeit L. L.s ihren Anfang. Ihr erstes Buch trägt den Titel „Anfang und Aufstieg“. Nach einer Australientournee und einer Ägyptenreise emigriert L. L. in die Vereinigten Staaten. Im selben Jahr konvertieren sie und ihr Mann zum Katholizismus. Am 22.1.1939 stirbt Otto Krause-Jakobowitz in Sarance Lake, New York, an einer Lungenentzündung. L. L. lässt sich in Santa Barbara nieder. 1945 wird ihr die amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen. Ihren Abschied als Konzertsängerin nimmt die „Jahrhundertsängerin“ in einem Konzert in der Town Hall von New York am 16.2.1951. Ab diesem Zeitpunkt ist L. L. als Lehrerin tätig. Eine ihrer häufigen Reisen nach Europa unternimmt sie anlässlich der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955, deren Ehrengast sie ist. Trotz ihrer zahlreichen Besuche in Europa remigriert L. L. nicht mehr. Sie stirbt am 22. August 1976 im Alter von 88 Jahren in Santa Barbara, ihre Urne wird auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt.
L. L.s vielseitige Karriere ist mit vielen Ehrenbezeigungen öffentlicher Art gewürdigt worden. Sie war ab 1929 Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, ist 1937 zum Offizier der Ehrenlegion in Paris ernannt worden,1962 erhält sie den Ehrenring der Stadt Wien, 1969 wird der Konzertsaal der Universität Santa Barbara nach ihr benannt und die Stadt Salzburg verleiht ihr im selben Jahr die große Silbermedaille.
Die Vielseitigkeit L. L.s zeigt sich vor allem in dem Verfassen mehrerer Bücher die sie neben ihrer Tätigkeit als Sängerin und später als Gesangslehrerin schreibt. Doch auch privat scheint L. L. eine vielschichtige und interessante Persönlichkeit gewesen zu ein. Ihren späteren Mann, den Kavallerieoffizier der k. u. k Armee und Bankier Otto Krause-Jakobowitz, lernt sie 1916 bei der Fürstin Metternich kennen. L. L. lebt zehn Jahre mit Otto Krause zusammen, bis seine Frau stirbt, sie heiraten 1926. In Nazideutschland wird der Wagner–Sängerin nach ihrem Auftritt 1933 in der Berliner Staatsoper eine glänzende Karriere in Aussicht gestellt – unter der Bedingung, dass sie sich von ihrem jüdischen Ehemann trennt. L. L. lehnt empört ab und verlässt noch im selben Jahr Deutschland, sie setzt ihre Karriere in Österreich fort, das sie nach dem „Anschluss“ ebenfalls verlässt. Ein Blick auf das Privatleben der Künstlerin lässt sich durch die Betrachtung ihrer Freund- bzw. Feindschaften werfen. Ihr Hass auf Alma Mahler, die sie als „Gesellschaftsschlampe“ bezeichnet, und ihre Feindschaft mit der Kollegin Maria Jeritza halten ihr ganzes Leben lang an. Zu den zahlreichen Freundinnen und Freunden L. L.s zählen der Dirigent Bruno Walter, Elsa Maxwell, Constance Hope, Richard Strauss, Giacomo Puccini, die Familie Mann (besonders Erika und Thomas Mann) und Arturo Toscanini, dessen Ausspruch auf ihrem Grabstein steht: „Sie sang, daß es die Sterne rührte.“
Ausz.: Goldene Palme, Frankreich, Goldene Medaille, Schweden. Auszeichnung der Wiener Philharmoniker; 1969 Silberne Mozartmedaille, Salzburg; Ehrendoktorat der Universität Portland, Northwestern University of Chicago, Mills College, University of California: in Wien 22 ist eine Verkehrsfläche nach ihr benannt (Lotte Lehmann-Weg), 1980 Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof:
Qu.: Literaturhaus/Exilbibliothek, Tagblattarchiv/AK (Personenmappe).
W.: „Verse in Prosa“ (1923), „Anfang und Aufstieg. Lebenserinnerungen“ (1937), „Orplid, mein Land“ (1937), „Eternal Flight“ (1937), „Midway in my Song“ (1938), „Wings of Song“ (1938), „More than Singing“ (1945), „My many Lives“ (1948), „Five Operas and Richard Strauss“ (1964), „Singing with Richard Strauss“ (1964), „Gedichte“ (1969), „Eighteen Song Cycles“ (1971)
L.: Brown 1990, Glass 1988, Jefferson 1988, Jefferson 1991, Kratzer 2001, ÖNB 2002, Paris 1997, Schmid-Bortenschlager/Schnedl-Bubenicek 1982, Seeber 2003, Wessling 1995, www.aeiou.at
Karin Nusko