Lederer Gerda; Sozialwissenschafterin
Geb. Wien, 9.4.1926
Herkunft, Verwandtschaften: Stammt aus einer assimilierten jüdischen Familie.
Ausbildungen: Gymnasium in Wien 6, Rahlgasse, Fortsetzung der Schule in Paris, 1946 Bachelor in Physik und Mathematik an der New York University, Washington Square College of Arts and Sciences. 1948 Master of Arts in Mathematik am Currant Institute of New York University Graduate School, ab 1966 „Certification in the Teaching of Mathematics“ an der New York University School of Education. 1977 M. A. in Soziologie und international vergleichender Bildungsforschung am Teachers College der Columbia University in New York, 1980 Ph.D.
Laufbahn: 1938 Emigration nach Paris, 1939 in die USA. Redakteurin und Übersetzerin für zahlreiche amerikanische Verlage, wie u. a. McGraw-Hill Book Company, Prentice Hall, Academic Press und D. Van Nostrand. 1958 Mathematikprofessorin am Westchester Community College, Valhalla, New York, ab 1967 an der Scarsdale High School in New York. Im Rahmen eines Programms, das u. a. Mathematiklehrer auf begrenzte Zeit für die Bundesrepublik Deutschland anwarb, kam G. L. 1973 als Lehrerin an das Heilwig Gymnasium nach Hamburg. Nach ihrer Rückkehr Studium der Sozialwissenschaften, Promotion mit der Arbeit „Trends in Authoritarianism: An Attitudinal Study of Adolescents in two Cultures“. G. L. befragte dazu Jugendliche in den USA und der Bundesrepublik Deutschland. In den Datenanalysen belegte sie den Einstellungswandel der jungen Deutschen, die sich zu liberalen Werten bekannten. Die Forschungsarbeiten G. L.s stießen in den USA und in Europa auf reges Interesse. Nach zahlreichen weiteren international vergleichenden Forschungsprojekten liegt inzwischen umfangreiches Datenmaterial vor, das sich auf Jugendstudien in den USA 1978 und 1991, der BRD 1979 und 1991, der ehemaligen DDR 1990, Österreich 1980 und 1992 und Moskau 1990 bezieht. Die Auswertung des Materials zeigt, welche Bedeutung autoritären Einstellungen in den verschiedenen Gesellschaften zukommt, welchem Wandel sie unterliegen und wie sie jeweils durch Familie und Staat bedingt werden. G. L. hebt in ihren Untersuchungen Entwicklungspotentiale und Gefahrenquellen für demokratische Gesellschaften hervor. Mit diesem Ansatz, der demokratische Gesellschaften vor Diktaturen schützen will, knüpft sie konsequent an die Tradition der Studie zur Autoritären Persönlichkeit von Adorno et al. (1950) an. Von 1987-1992 lehrte sie als Gastdozentin Soziologie und Psychologie an der Universität Hamburg und an der Technischen Universität in Berlin. Seit 1994 gibt G. L. Kurse in Politischer Psychologie und Sozialpsychologie an der New School University in New York. Neben der Autoritarismusforschung beschäftigt sich G. L. gleichermaßen mit dem Phänomen des Antisemitismus: 1998 lehrte sie als Visiting Scholar „Looking Back at the Holocaust Fifty Years Later” am Manhattanville College Purchase in New York. Im Herbst 2001 oblag G. L. die erstmals ausgeschriebene Paul Lazarsfeld-Gastprofessur an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften der Universität Wien.
Ausz., Mitglsch.: G. L. ist Mitglied der International Society for Political Psychology (ISPP). Sie wurde 1981 mit dem erstmals von der ISPP zu verleihenden Erik Erikson Award für ihre Dissertation ausgezeichnet. 2000-2001 war sie Vizepräsidentin der ISPP.
W. u. a.: „Trends in Authoritarianism. A study of adolescents in West Germany and in the United States since 1945. In: Journal of cross-cultured Psychology 13“ (1982), „Jugend und Autorität: Über den Einstellungswandel zum Autoritarismus in der Bundesrepublik Deutschland und den USA“ (1983), „Protest Movements as a Form of Political Action. In: Hermann, Margaret G. (Ed.) Political Psychology” (1986), „Young Austrians and the election of Kurt Waldheim. In: Political Psychology 9“ (1988), „Antisemitismus und Fremdenhass aus der Sicht der politischen Psychologie. In: Herdieckerhoff, Eberhard, Ekesparre, Dorothee von, Elgeti, Ricarda und Marahrens-Schürg, Christa (Hg.): Hassen und Versöhnen“ (1990), „Gem. mit Nerger, Joachim, Rippl, Susanne, Schmidt, Peter, Seipel, Christian: Autoritarismus unter Jugendlichen der ehemaligen DDR. In: Deutschland Archiv 6“ (1991), „Die autoritäre Persönlichkeit und Antisemitismus: Vergleichende Antisemitismuserhebungen in Europa und USA. In: Sammelband des Wissenschaftlichen Workshops des Ludwig Boltzmann Instituts für Historische Sozialwissenschaft ‚Antisemitismus messen?’“ (1991), „Gem. mit Kulke, Christine (Hg.): Der gewöhnliche Antisemitismus“ (1994), „Gem. m. Schmidt, Peter (Hg.): Autoritarismus und Gesellschaft“ (1995), „Autoritarismus und Fremdenfeindlichkeit im deutsch-deutschen Vergleich: Ein Land mit zwei Sozialisationskulturen. In: Rippl, Susanne, Seipel, Christian, Kindervater, Angela (Hg.): Autoritarismus. Kontroversen und Ansätze der aktuellen Autoritarismusforschung“ (2000)
L.: Ingrisch 2006, Kindervater/Seipel/Rippl 2002