Landeis Regine, geb. Steinherz; Wohltäterin, Stifterin eines Gemeindezentrums und Vereinsfunktionärin

Geb. Mattersdorf (Mattersburg, Bgld.) od. Sechshaus, NÖ (Wien)

Gest. Wien, 1912

Herkunft, Verwandtschaften: R. L. wurde 1852 als Tochter von Simon und Theresia Steinherz in der alten ungarischen Judengemeinde Mattersdorf (heute Mattersburg im Burgenland) oder in der niederösterreichischen Jüdischen Gemeinde „Sechshaus“ (die heutigen Wiener Gemeindebezirke XII bis XV umfassend) geboren – über den Geburtsort geben die Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde Wien einander wiedersprechende Auskunft.

LebenspartnerInnen, Kinder: Sie heiratete 1870 in der Synagoge in der Großen Schiffgasse (Wien II) den aus Pesth stammenden Taschner Leopold Landeis, der als Wäschehändler zu Reichtum gelangte und 1908 verstarb. Das Ehepaar Landeis lebte nach der Hochzeit in der Gumpendorferstraße 22 (Wien VI), ab 1876 in der Gumpendorferstraße 117, unweit der Gemeinde Sechshaus, und später in der Schönbrunnerstraße 179 in Meidling (Wien XII). Die Tochter Emma Landeis (gest. 1942 im Vernichtungslager Treblinka) heiratete 1895 im Turnertempel Albert Steiner und nach dessen Tod im Jahre 1908, wieder im Turnertempel, Heinrich Fischler.

Laufbahn: Die aus den Matriken der IKG Wien gewonnenen Daten zeigen deutlich, dass das Leben der Familie Landeis eng mit der Gemeinde Sechshaus in den südwestlichen Vororten Wiens verbunden war. Hier kaufte die „jüdische Philanthropin“ R. L., wie sie in einer Festschrift der B’nai B’rith-Loge „Eintracht“ tituliert wurde – im Jahr 1906, als die Vororte nun bereits eingemeindet waren, das vormalige Schulgebäude in der Herklotzgasse 21 und stellte es jüdischen Vereinen zu Verfügung. Aufgrund dieser Stiftung und ihrer Tätigkeit für die ansässigen Vereine wurde R. L. zu einer öffentlich bekannten Persönlichkeit.

Ein 1906 datiertes Relief über dem Portal des Hauses zeigt die Stifterin, die einem Mädchen eine nicht näher zu differenzierende Gabe überreicht. Diesem Bild entsprechend widmeten sich die ersten hier tätigen Vereine insbesondere, aber nicht ausschließlich der Kinderfürsorge. Gleich nach dem Ankauf des Hauses durch die Stifterin waren hier ein jüdischer Knabenhort mit 49 und ein Mädchenhort mit 65 Schulkindern sowie ein Verein zur Ausspeisung armer jüdischer Kinder tätig, als dessen Präsidentin R. L. fungierte (Festschrift anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Bestandes des Israelitischen Humanitätsvereines „Eintracht“ – B’nai B’rith. Wien 1903–1928, Wien 1928, S. 78 u. S. 101f). Im vormaligen Turnsaal der Schule bestand der zionistisch ausgerichtete „Jüdische Turnverein in Fünfhaus“ (Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, 1.3.2.119.A32 – Gelöschte Vereine/1920–1974 284/26), ab 1926 Turnverein „Makkabi“. 1909 erhielt der Ausspeisungsverein zudem eine „sanitätspolizeiliche Bewilligung zum Betriebe eines Asyls zur Beherbergung armer israelitischer Waisenkinder“ (Erlass vom 5. August 1909, Z.VI-3403; Bauakt des Magistrats der Stadt Wien, MA 37, Baupolizei, 15. Bezirk, EZ 126). Eingerichtet wurde das Waisenhaus für 30 Kinder im Rahmen der Fürsorgetätigkeit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Der für diese Agenda zuständige Amtsleiter Kraus hatte sich mit R. L. abgesprochen, worauf sie die Räume im ersten und zweiten Stock zu Verfügung stellte.

Von Beginn an war im ersten Stock ein die ganze Hauslänge einnehmender und in der Mitte teilbarer Saal angelegt, der jahrzehntelang das Herz des Vereinshauses und einen wichtigen Treffpunkt der jüdischen Gemeinde darstellte. Für das Jahr 1907 berichtet die Jüdische Toynbee-Halle (Jahresbericht, Wien 1908) von Vorträgen, die sie in den westlichen Bezirken veranstaltete, und zwar wiederum in der Herklotzgasse 21, wo „die für diese Zwecke wie geschaffenen Säle des ‚Kinderhortes’ zur Verfügung gestellt werden konnten.“ Den Vorträgen, zu denen 200 bis 300 Personen kamen, schlossen sich musikalische Veranstaltungen an. Und „um den armen Glaubensgenossen eine weitere Ausbildung zu ermöglichen, wurden durch das Lokalkomitee in der ‚Herklotzgasse’ auch unentgeltliche Unterrichtskurse für Erwachsene eingeführt.“

Im Jahr 1912 – also inmitten dieser positiven und umtriebigen Tätigkeiten der Fürsorge und Volksbildung und eines Vereinslebens, mit dem stets eine bedeutende Steigerung des Soziallebens der jüdischen Gemeinde verbunden war und an dem die Stifterin rege beteiligt war – beging R. L. Selbstmord. Über die Gründe ist nichts bekannt. Das Haus in der Herklotzgasse 21 vererbte sie dem Ausspeisungsverein, der es bis zur „Arisierung“ 1938 besaß.

L.: Pühringer/Kofler/Traska 2008, Traska 2010

Georg Traska