Kurz Hilde
* 22.2.1910, Wien
Kunsthistorikerin
1928-1933 Studium Kunstgeschichte und Archäologie in Wien und Frankfurt; 1933 Promotion; Volontariat an der Graphischen Sammlung Albertina in Wien; 1938 Emigration nach GB mit ihrem Mann; Unterstützung des Vaters bei der Flucht aus dem faschistischen Italien.
H. K. wurde als Tochter von Dr. Richard Schüller (1870-1972) und Erna Rosenthal geboren. Der Vater war Wirtschaftswissenschafter und vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten einer der einflussreichsten Beamten Österreichs, obwohl er gläubiger Jude war und die Aufstiegschancen dadurch geringer waren. 1938 war er gezwungen über Italien nach Großbritannien zu flüchten. Anfangs war er in Italien von Mussolini noch brieflich willkommen geheißen worden, doch bald zwangen ihn die Rassengesetze auch dieses Land zu verlassen. Durch die Unterstützung seiner Tochter H. K. wurde dies möglich. Diese war bereits mit ihrem Mann in Großbritannien und half durch ihre Verbindungen ein Durchreisevisum für ihren Vater zu organisieren. Später verhalf sie ihrem Vater auch beruflich wieder Fuß zu fassen, der schließlich im „Royal Institute of International Affairs“ seine Karriere weiterführen konnte, aber schließlich in die USA ging. H. K. hatte zwei Schwestern: Susanne „Susi“ (1907-1995) und Ilse Mintz-Schüller (1904-1978), Ökonomin, die in die USA emigriert war und mit H. K. eine ausführliche und lebenslange Korrespondenz unterhielt.
H. K. studierte in den Jahren 1928-1933 Kunstgeschichte und Archäologie in Wien und Frankfurt bei den Professoren Julius Schlosser, Swoboda und Tietze. Ihr Dissertationsthema lautete „Die Entwicklung der altniederländischen Tafelmalerei und Tapisserie von 1475 bis 1495“. Ihre Promotion erfolgte 1933. Sie absolvierte auch ein Volontariat an der Graphischen Sammlung Albertina in Wien.
1929 lernte sie ihren späteren Ehemann Otto Kurz (1908-1975), Kunsthistoriker, und dessen besten Freund Ernst Gombrich in einem Seminar von Julius Schlosser kennen. Schlosser galt als führender Kunsthistoriker dieser Zeit in Österreich. Nachdem Otto Kurz von den Nazis in Hamburg an der Universität zusammengeschlagen worden war, ging er 1934 nach London. H. K. schrieb ihrem Verlobten hunderte Briefe zur Zeit der Trennung, die unter anderem auch einen Bericht über eine Reise nach Ägypten enthalten. 1937 kehrte Otto Kurz nach Wien zurück und das Paar konnte heiraten. Am Neujahrstag 1938 emigrierten sie jedoch nach London, wo H. K. sich beruflich nicht etablieren konnte und über Geldmangel klagte. Dies geht aus dem Briefwechsel mit ihrer Schwester Ilse, die in den USA lebte, hervor. Die Korrespondenz (1938-1943) gibt einen lückenlosen Einblick in das schwierige Leben des Emigrantenpaares und enthält u. a. auch die Schilderung der Unterbezahlung H. K.s durch Sir Kenneth Clark, Direktor der National Gallery, London, für die Erstellung eines Indexes für sein Buch über Leonardo da Vinci.
Seit 1957 war H. K. nach einer Gehirnoperation halbseitig gelähmt und verlor die Sprechfähigkeit. Ihr Mann half sie zu pflegen und nahm sie dennoch mit auf Reisen, die für sie von Interesse waren. Der lebenslange Briefwechsel mit ihrer Schwester Ilse gab ihr Kraft und befindet sich heute im Besitz ihrer Tochter Erica Barrett (* 1940).
H. K. publizierte mehrere Fachartikel.
Werke
Gem. mit Kurz, O.: The Turkish dresses in the costume book of Rubens, In: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek, 23, 1972, S. 275-290.
Die Entwicklung der altniederländischen Tafelmalerei und Tapisserie von 1475 bis 1495. Diss. Uni. Wien, 1933.
Aus Waldmüllers Schriften. In: Bildende Kunst in Österreich, Free Austrian Movement. London, 1943, S. 15-19.
Literatur / Quellen
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Wiener Kunstgeschichte gesichtet. Ausstellung zur Enthüllung des Denkmals für Ausgegrenzte und Ermordete des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien. Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien 2008. In: Online-Zeitung der Universität Wien vom 8.10.2008.
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