Kramer Edith, verh. Lunet, Decknamen: Renée Hubert, Irène, Rigonnier; Widerstandskämpferin

Geb. Wien, 17.6.1921

E. K. wurde 1921 als Tochter des Rechtsanwalts Siegfried Kramer (1884 – 1932) und Therese, geb. Blau (1888 – ?), in Wien geboren. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Tante flüchtete sie 1939 vor rassistischer Verfolgung nach Belgien. In Antwerpen organisierte sie einen Kindergarten, der von Kindern belgischer jüdischer Familien und von Flüchtlingskindern besucht wurde. Über die Wiener Emigranten Franz Lederer und Karl Fischer fand die bislang nicht politisch tätige junge Frau Anschluss an die linksradikale Gruppe „Revolutionäre Kommunisten” (RK). Nach kurzfristiger Internierung in einem Lager in Flandern gelang es E. und Therese Kramer im Frühjahr 1941, in die unbesetzte Zone Frankreichs zu fliehen. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der RK (u. a. Georg Scheuer und Melanie Berger) lebten sie in einem Bauernhaus am Stadtrand von Montauban. Die Gruppe stellte ein Bulletin her, in dem sie internationalistische Positionen vertrat und das unter den österreichischen Emigranten zur Verteilung gelangte. Nach ihrer Übersiedlung nach Valence sur Rhône richtete E. K. eine illegale Druckerei zur Herstellung von Zeitungen und Flugschriften ein. Getarnt als Elsässerin leistete sie antifaschistische Propaganda unter den Soldaten der deutschen Wehrmacht. Während eines solchen Einsatzes wurde sie am 28. August 1943 von der Gestapo verhaftet und ins Gefängnis Fort Montluc in Lyon gebracht. Ein Angebot, als Konfidentin zu arbeiten, schlug sie aus. Schließlich simulierte sie eine Blinddarmentzündung und wurde ins Gefängnisspital überstellt. Unterstützt von einem französischen Arzt, der sie operierte und die Wundheilung künstlich verzögerte, gelang es ihr, mit der Résistance Kontakt aufzunehmen. Am 22. Dezember wurde sie nach zwei missglückten Versuchen von einem gaullistischen Kommando befreit. Fortan arbeitete sie für die F.F.I. (Forces Françaises de l’Intérieur, Dachverband der bewaffneten Gruppen der Résistance) als Sekretärin und Verbindungsfrau zum Maquis. Zugleich hielt sie Verbindung mit der RK. Nach der Befreiung arbeitete sie − immer noch unter falscher französischer Identität − bei den Zeitschriften „Action” und „Le Franc Tireur”. 1948/49 absolvierte sie eine Ausbildung zur Buchhalterin und war anschließend in diesem Beruf tätig. E. K. lebt in Frankreich.

Therese Kramer, von den Mitgliedern der RK „Resi-Tante” genannt, wurde am 9. August 1942 aus dem Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Qu.: DÖW 20.866, 50.020. Brief von Edith Kramer, 17.8.2001, Dokumente (Kopien) aus dem Privatbesitz von E. K. Datenbank „Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer”, DÖW (Therese Kramer).

L.: Keller 1980, Scheuer 1991

 

Christine Kanzler