Kralik von Meyrswalden Mathilde, Taufn. Mathilde Aloisia; Komponistin und Musikwissenschafterin
Geb. Linz, OÖ, 3.12.1857
Gest. Wien, 8.3.1944
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Wilhelm Kralik von Meyrswalden (1806-1877), erfolgreicher böhmischer Glasfabrikant, der für seine industrielle und humanitäre Wirksamkeit 1877 in den Adelsstand erhoben wird; Mutter: Louise (Aloisia), geb. Lobmeyr (1832-1905); Geschwister: Richard (1852-1934), Ludwig (1853-1903), Julius (als Kind verstorben), Luise (verh. Pichler Edle von Deeben), sowie 13 Geschwister aus erster Ehe des Vaters mit Anna Maria Pinhak.
LebenspartnerInnen, Kinder: Partnerin: Dr. Alice Scarlates (1882-1959), Lektorin für romanische Sprachen an der Universität Wien, mit der sie ab 1912 zusammen lebt.
Ausbildungen: Erhält ersten Klavierunterricht von der Mutter und Unterstützung vom Bruder Richard bei ihren ersten frühen Kompositionsversuchen. Klavierunterricht erst bei Eduard Hauptmann in Linz, dann 1870 neben Harmonielehre bei Carl Hertlein in Wien und nach Besuch der Mittelschule ab 1875 privater Klavierunterricht bei Prof. Julius Epstein. Ein Jahr lang Kompositionsunterricht mit Schwerpunkt Kontrapunkt bei Anton Bruckner bis zum Oktober 1876, dann Eintritt ins Wiener Konservatorium (Aufnahme in den 2. Jahrgang, Schule Prof. Franz Krenn); 1878 Verleihung des Diploms in Komposition und des ersten Preises für ihre Abschlussarbeit („Silberne Gesellschaftsmedaille“). M. K. v. M. gibt als prägende Einflüsse auf ihre Arbeit u. a. die Hausmusik der K. v. M.s an (Häusliche Quartette: Beethovens Violin-Klavier-Sonaten, Haydn, Mozart; A capella-Gesang: Werke der niederländischen, italienischen und deutschen Meister des 15. und 16. Jhdts.), sowie J. S. Bach und Franz Liszt.
Laufbahn: M. K. v. M. stammt aus einem musikalisch geprägten Haus: Der Vater ist passionierter Geigenspieler, die Mutter eine begabte Klavierspielerin. Die finanzielle Lage der Familie erlaubt, dass die Tochter Unterricht bei den besten Musikpädagogen ihrer Zeit nimmt. Bald übernimmt sie zusammen mit den beiden Brüdern Richard und Ludwig die Hausmusik. Zu Richard, der später als Schriftsteller und Philosoph hervortritt, entwickelt sie ein besonders inniges Verhältnis. Sie teilt sein Weltbild, ist wie er streng religiös und kaisertreu. Sie verwendet mehrere Texte Richards als Basis ihrer Stücke. Der Großteil ihres Schaffens behandelt religiöse Themen. Die Karriere der Spätromantikerin hat ihren Höhepunkt in der Zeit um die Jahrhundertwende bis zum 1. Weltkrieg. Sie ist vor allem im Konzertleben präsent; viele ihrer Kompositionen werden aufgeführt. In dieser Zeit veranstaltet M. K. v. M. regelmäßig gut besuchte Soiréen und einige ihrer Werke gehen in Druck. In den Jahren 1894 und 1895 finden Frauenabende im Brahms-Saal des Musikvereins statt, bei denen ihre Werke gespielt und gesungen werden. Josef Venantius Wöss veranstaltet 1900 ein geistliches Konzert im Großen Musikvereinssaal, bei dem M. K. v. M.s Werke „Die Taufe Christi“ nach einem Gedicht von Papst Leo XIII. für Solo, Chor und Orchester sowie die „Weihnachtskantate“ für vier Solostimmen, Chor und Orchester aufgeführt werden. Das populärste Werk von M. K. v. M. ist wohl die Märchenoper „Blume und Weißblume“, die auf Texten Richards K. v. M. basiert. Die Oper erlangt u. a. durch einen sensationsträchtigen Plagiatsfall Berühmtheit, als der ehemalige Kapuzinermönch Nicasius Schusser 52 Seiten notengetreu in seine Oper „Quo vadis“ übernimmt. M. K. v. M. reagiert mit einem in der Presse publizierten offenen Brief, unterlässt aber nach einem Bußgang Schussers nach Rom rechtliche Schritte gegen ihn. Nach Ende des 1. Weltkriegs wird es etwas ruhiger um sie; der Musikgeschmack hat sich geändert. Im Jahr 1912 zieht die Komponistin mit ihrer Partnerin Alice Scarlates in eine Wohnung in der Weimarerstr. 89 in Wien-Währing. Obwohl M. K. v. M. als unabhängige Künstlerin in einer Liebesbeziehung mit einer Frau lebt, tritt sie öffentlich als konservative überzeugte Katholikin auf. In ihrem Nachlass finden sich kaum Informationen zu Scarlates, die später als ihre Haupterbin eingesetzt wird. M. K. v. M. ist bis ins hohe Alter tätig und nimmt selbst als 80-Jährige noch an einem Konzert „musikschaffender Frauen“ teil. Sie verstirbt schließlich im Altersheim „Herbstsonne“ in der Argentinierstrasse (Wien-Wieden); ihre Lebensgefährtin bleibt bis zuletzt in der gemeinsamen Wohnung. Ist u. a. mit Emilie Mataja (alias Emil Marriot) befreundet, deren Gedichte sie auch vertont; sowie mit Alma Mahler und Gustav Mahler, der die gleiche Klasse des Konservatoriums besucht.
Mitglsch.: Mitglied des österreichischen Komponistenbundes; des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen; des Damenchorvereins Wien, wo sie als Ehrenpräsidentin die Leitung innehat sowie im Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen (ab 1920 werden die letzten beiden Gruppen zum Verein „Panthea“ zusammengeschlossen); weiters Mitglied der Wiener Bachgemeinde und seit 1929 Mitglied der Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM).
W.: Verfasst über 250 Werknummern, breites Spektrum: Opern, Oratorien, Messen, Melodramen, A capella-Stücke, (Klavier-)Lieder, Orchesterwerke, Kammermusik, Klavier- und Orgelwerke, sowie eine Kantate und die Schrift „Frauenschönheit – eine Legende“, 2. März 1909, (ONB). Bekannte Stücke sind: „Blume und Weißblume“, Märchenspiel in 3 Akten. Mit Text ihres Bruders Richard, nach dem Volksbuch „Flos und Blankenflos“. Aufführungen am 13. Oktober 1910 im Stadttheater Hagen/ Westfalen und am 29. Oktober 1912 in Bielitz/Schlesien. „Der heilige Leopold“, mit Text ihres Bruders Richard. Premiere in Klosterneuburg, Stiftskellersaal am 10. Dezember 1933.
L.: Altmann 1936, BLÖF, Eisenberg 1891, Gruber 1990, Kralik von Meyrswalden 2009, Kürschner 1954a, Marx/Haas 2001, Müller 1929, ÖBL, Weissenbäck 1937, Wikipedia, www.aeiou.at, www.kralikklassik.de, Musik und Gender im Internet: http://mugi.hfmt-hamburg.de/