König Alma Johanna; Schriftstellerin

Geb. Prag, Böhmen (Praha, Tschechien), 18.8.1887

Gest.1942?

Herkunft, Verwandtschaften: Ihre Mutter, Susanne König, geborene Herdan, stammt aus einer reichen jüdischen Gutsfamilie, die Familie des Vaters, k. u. k. Hauptmann Karl König, aus Skole bei Stryi in Galizien, im Haus König wird neben Deutsch auch Polnisch gesprochen. Eine Schwester und ein Bruder.

LebenspartnerInnen, Kinder: Am 18. Dezember 1921 heiratet sie in der Kirche Maria Treu im 8. Bezirk den 11 Jahre jüngeren adeligen Leutnant Bernhard Freiherr von Ehrenfels, damals Bankbeamter, arriviert, blond und blauäugig, ganz ein Gegenstück zu ihr. Sie erhofft sich eine stabile gesellschaftliche Position durch ihn. Doch er macht Geschäfte und verbraucht bald A.s Vermögen, das Paar lebt von ihrem Schreiben. 1936 Scheidung.

Ausbildungen: A. K. besucht das Höhere-Töchter-Institut Gunesch, später die vom Wiener Frauen-Erwerbverein geleitete Höhere Mädchenschule, die Matura legt sie nicht ab.

Laufbahn: A. K. betreut in ihrer Jugend die todkranke Mutter, die stirbt, als sie 26 ist. Bis zum Tod der Mutter schreibt sie unter dem Pseudonym Johannes Herdan (Jugendname ihrer Mutter) Gedichte und kleine Erzählungen, die ihr Jugendfreund, der Lyriker Alfred Grünewald, in Zeitschriften veröffentlichen lässt. Ab 1910 gehört sie zu einem literarischen Kreis, dem anfangs Felix und Robert Braun, deren Schwester Käthe Braun-Prager, eine Freundin A.s, der Mann Käthes Hans Prager, Alfred Grünewald, Emil Lucka und der Bibliothekar Eugen Antoine angehören. A. macht die Bekanntschaft mit Stefan Zweig, u. a. auch mit Max Mell. Eugen Antoine wird zu einem besonderen Herzensfreund, mit dem sie zu Ende des 1. Weltkrieges kurze Zeit verlobt ist und dem sie die „Sonette einer Liebenden“ in der „Windsbraut“ widmet, ihrem ersten Gedichtband, der 1918 erscheint. Durch die Hundenovelle „Schibes“, 1920 erschienen, wird A. bekannt. Diese Geschichte von der Treue eines Hundes zu einem Schmied in einem österreichisch-galizischen Dorf wurde damals mit Crambambuli von Ebner-Eschenbach verglichen. 1919 war A.s despotischer Vater gestorben und hinterließ ihr genug Vermögen zur Erhaltung der Wohnung in der Schmidgasse und ein kurzes Gefühl der Freiheit.

Ab 1926 lebt das Ehepaar zur Vertuschung von Ehrenfels Machenschaften ständig in Algier, er ist ab 1927 österreichischer Honorarkonsul. A. leidet unter dem Klima, Krankheiten, Einsamkeit und der Untreue und den Betrügereien ihres Ehemannes und hat Heimweh nach Österreich. In all dem Unglück ist die Sahara trotzdem ein großes Erlebnis für sie. 1930 wird Ehrenfels wegen seiner Geschäfte und disziplinären Problemen seines Amtes enthoben, er setzt sich nach Berlin ab, wo er mit seiner zukünftigen Frau zusammenlebt, A. bezahlt seine Schulden. 1936 wird die Ehe geschieden.

1922 war A.s erster Roman erschienen, „Der heilige Palast“ über das Leben der byzantinischen Kaiserin Theodora. Er begründete ihren Ruf als temperamentvolle Malerin von Sinnlichkeit und farbenfrohen Bildern. Über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes hinaus bekannt wird sie mit ihrem Roman „Leidenschaft in Algier“ 1932, ein Roman über eine österreichische Chemikerin in Algier, die sich einem Frauenheld körperlich hingibt, trotz moralischer Abneigung. K.s Hauptfiguren waren meistens Frauen, sie gestaltete sie zeitgemäß „fatale“ oder „fragile“, als „Neue Frau“ oder androgyn. Der Eros steht im Mittelpunkt, die Frau in Beziehung zum Mann. Raynaud sieht A. K.s „Erotomanie“ als typische literarische Mode, von der Jahrhundertwende herkommend, ebenso wie ihre Vorliebe für Übergangszeiten oder Epochen der Dekadenz. Sie weist auf die Beziehung ihres Pathos und mancher Symbole zum Expressionismus hin, der Beziehung zur Neuromantik.

Ab 1933 dürfen ihre Bücher in Deutschland nicht mehr verkauft werden, in Österreich, angewiesen auf den deutschen Markt, nimmt ihr als Jüdin kein Verleger mehr ein Buch ab. „Leidenschaft in Algier“ wird 1933 in Berlin verbrannt. Im Herbst 1933 klopft ein junger Mann an ihre Tür, um Grüße von Bekannten aus Danzig zu überbringen. Es ist der Welthandelsstudent Oskar Tauschinski, 27 Jahre jünger als sie, aus Polen stammend. Sie gibt ihm den Namen Jan, nach dem Jungen Jan in „Schibes“, und er wird die große Liebe ihres Lebens. Ihm gewidmet sind die „Sonette für Jan“, die posthum erscheinen.

1938 wird ihr die Gemeindewohnung gekündigt. Verzweifelte Versuche der Ausreise scheitern. Sie muss oft das Quartier wechseln, am Schluss lebt sie in Untermietzimmer, zuletzt in der Rögergasse 18 gemeinsam mit einer alten, verängstigten Frau in einer engen Kammer. Sie schreibt dort 1941/42 ihren Roman „Der jugendliche Gott“, am Bettrand sitzend, ein Brett auf den Knien, ohne die dafür bestimmte, jahrelang zusammengetragene Bibliothek. Seit August 1941 kennzeichnen gelbe Sterne die Türen jüdischer Wohnungen, Tauschinski hat als Arier keinen solchen Stern, er besucht sie oft, für beide ein großes Risiko. An den Wochenenden geht sie, den gelben Stern versteckt hinter Handtasche und Manuskript, in seine Wohnung und diktiert ihm den Roman. In der Nacht zum 22. Mai 1942 wird sie von der Gestapo in ein Sammellager in der Sperlgasse im 2. Bezirk gebracht. Eine jüdische Ärztin im Lager überbringt Tauschinski die restliche Handschrift des Romans und die letzten Nachrichten: „Mein lieber Junge, ich schreibe Dir, nachdem ich mich heiß gewaschen und auch ganz gut gegessen habe […]. Mein Herz, ich habe nur die Sorge, daß Du dich sorgst, nicht schläfst, nicht issest! […] Ich höre Minsk! Grüße alle, die an mich denken, ich liebe Euch alle, und danke Euch für alles. Ich vertraue auf Gott, der mich wunderbar stärkt! Mein Junge, mein kleiner Junge-ich weiß…“ (Letzte Briefe an O. J. Tauschinski, Typoskript, WSTLB Hs). Am 27. Mai 1942 wurde sie in das Ghetto Minsk transportiert, danach gibt es keine Nachricht mehr von ihr.

Vor ihrer Deportation 1942 vermacht A. ihren Nachlass durch Vereinbarungen mit Freunden ihrem Freund Oskar Tauschinski. „Jan“ erwirkt nach dem Krieg Veröffentlichungen und Ausstellungen, hält Vorträge und schreibt Artikel über sie, Hörspiele nach ihren Werken, die im Österreichischen Rundfunk gesendet werden. Er stiftet den Alma-Johanna-König-Preis, der alle fünf Jahre vergeben wird. Tauschinski starb 1993 und lebte bis zu seinem Tod als Schriftsteller und Übersetzer in Wien. Er sah A. nicht als Widerstandskämpferin, noch als Teil der umstrittenen „Inneren Emigration“, sondern als Sonderfall des geistigen Widerstands.

Qu.: Tagblattarchiv AK Wien; WSLb, Druckschriftensammlung. Nachlass: WStLb, Handschriftensammlung; ÖNB Handschriftensammlung.W. u. a.: „Die Windsbraut“ (1918), „Die Geschichte von Half dem Weibe“ (1924), „Eiszeit des Herzens“ (1925), „Leidenschaft in Algier“ (1922), „Sonette für Jan“ (1946), „Sahara. Nordafrikanische Erzählungen und Skizzen“ (1951)

 

Ursula Scholda