Kierer Theresia; Fleischhackerin

Geb. Wien, Datum unbekannt

Gest. Wien, 30.3.1777

LebenspartnerInnen, Kinder: Aus ihrer ersten Ehe mit einem Herrn Döbler, ebenfalls Fleischhackermeister, hat sie einen Sohn namens Anton Döbler, der eine Fleischerei in der Rossau sein eigen nennt. Ihr zweiter Gatte ist Johann Kierer, mit dem sie vier weitere Kinder großzieht: zwei Söhne, wovon der ältere, Johann, ebenfalls Fleischhackermeister wird, und Anton, der Student ist und noch zu Hause beim Vater lebt, sowie die Töchter Theresia, verehelichte Seitz, Fleischhackerin in der Leopoldstadt, und Maria Anna, verehelichte Turnerin und Kaufmannsfrau in der Rossau.

Ausbildungen: Keine nachweisbar, in ihrer ersten Ehe hat sie aber alle Grundbegriffe des Gewerbes erlernt. Dies kommt in ihrer zweiten Ehe zum Ausdruck, da ihr Mann im Hintergrund bleibt, sie alle Amtsgeschäfte alleine abwickelt und bestens über die Finanzlage ihrer Fleischerei informiert ist.

Laufbahn: Th. K. tritt erstmals 1773 vor den Magistrat, als sie sich über ihren Nachbarn, den Tischlermeister Johann Hiertz, beschwert. Dieser lagert verschiedene Latten und Verschläge so nahe an ihrem Haus in der Leopoldstadt, dass ihr nicht nur die Sicht versperrt wird, sondern auch, wie sie sich ausdrückt, „hiedurch es den Vorbeygehenden zu einem S.V. öffentlichen Abtritt dienet und so eckelhaft gemacht worden, daß ich diesen meinen Garten wie sonsten Bestand Weise zu verlassen von der Zeit an gehinderet, mithin auch aller Nutzung besagten Gartens beraubt worden bin“. Im letzten Punkt ihrer Beschwerde stellt sie zudem fest, dass die ganze Nachbarschaft durch diesen Holzstoß gefährdet sei, da nicht nur allerlei Gesindel ihn als Versteck benütze, sondern auch leicht Brände entstehen könnten. In einem Lokalaugenschein werden tatsächlich alle genannten Mängel festgestellt, Herrn Hiertz aber nur befohlen, den Stapel vom Grundstücksrand wegzurücken und die obersten Latten abzutragen. Dies ist Frau K. aber nicht genug. Sie sucht solange um eine vollständige Entfernung an, bis der Magistrat ihr zu verstehen gibt, dass sie bei nochmaliger Einreichung einer Beschwerde bestraft würde, vor allem weil sie in ihrem letzten Gesuch nur mutwillige Anschuldigungen nicht nur gegen Hiertz, sondern auch gegen die zuständigen Räte vorgebracht hat. Diese Angelegenheit sollte in negativer Weise auf sie zurückfallen, als sie ein anderes Gesuch beim Wiener Rat vorbringt. Ein Jahr später meldet sich Th. K. im Namen ihres Mannes Johann Kierer, der mit neun anderen bürgerlichen Fleischhackermeistern eine Sozietät gebildet hat, um Schlachtvieh einzukaufen: Laut ihren Angaben hätte ihr Gatte die hieraus entstandenen Schulden vollständig bezahlt, doch der Gläubiger der Sozietät, Peter Schnell, hätte eine gerichtliche Exekution erwirkt, in deren Folge nicht nur die ihrem Mann gehörende Hälfte des gemeinsamen Hauses, sondern auch ihre versteigert und an Franz Bart verkauft worden wäre, worauf sie eine nochmalige Lizitation erwirkt und das Haus um 6.605 Gulden zurückgekauft hätte. Doch der Magistrat spricht Peter Schnell die weitere Exekution zu, weshalb sie um einen fünfjährigen Zahlungsaufschub bittet. Dabei kommt es jedoch zu einigen Turbulenzen, da Peter Schnell und sein Advokat meinen, Frau K. versuche, die Exekution mutwillig hinauszuzögern, indem sie immer wieder neue Forderungen und Ansuchen stelle: zuerst der Hausrückkauf, wobei sie den Käufer „mit aller Gwald verdrungen“ habe; dann die Stundung der Schulden, obwohl sie durch den Hauskauf ihre Zahlungsfähigkeit unter Beweis gestellt habe; nun fordere sie, den Kaufpreis für ihre Haushälfte von der Exekution auszunehmen, wodurch sie die Prozesskosten absichtlich in die Höhe triebe und allerorts Verwirrung stifte. Weiters betreffe sie die zweite Exekution gar nicht, sondern nur ihren Mann, „von dessen unglücklichen Zustand sie so viel Lärmens macht“. Der Magistrat, letztendlich Frau K.s müde, „welche gewohnt ist, alle, auch die unschicksamsten Mittel zu ergreifen, um die Exekution zu hemmen, um Aufzüge zu versuchen, und um die Sach in die äußerste Unordnung zu bringen [und] auch diesmal, mittelst des angesuchten Moratorii [Zahlungsaufschub] einen ähnlichen Schritt gewagt“ habe, überlässt die Entscheidung der NÖ. Regierung, weil er sich nicht mehr imstande sieht, die Angelegenheit zu regeln. Hätte sie zurückhaltender agiert, so wäre der Magistrat möglicherweise auf den von ihr vorgeschlagenen Zahlungsaufschub eingegangen, oder aber sie hätte ohne ihre Hartnäckigkeit alles verloren. Interessant ist, dass sich ihr Mann während des ganzen Streits im Hintergrund hält und sich kein einziges Mal zu Wort meldet. Anzunehmen ist, dass er nicht gerade ein Vorbild seiner Zunft war und sein Meisterrecht nur durch Heirat erhalten hat, während Frau K. selbst schon länger das Fleischergewerbe betrieben hat und daher mehr Routine besitzt. Diese Vermutungen sind nicht nachweisbar, doch ihre Versuche, dem Mann alle Schuld an der Misere aufzubürden, sowie der Kampf um ihre Rechte zeigen, dass sie eher die leitende Position einnahm, anstatt nur als Vertretung ihres Mannes zu agieren. Während sie durch ihre Aktivitäten als eine beeindruckende Persönlichkeit erscheint, wird sie in den Akten als „lästiges, stures Frauenzimmer“ beschrieben. Ihre Verlassenschaftsabhandlung bringt etwas Licht in ihre Vergangenheit und bestätigt die Vermutung, dass Frau K. schon länger in diesem Gewerbe tätig war. Ihr erster Mann war ebenfalls Fleischhacker, als Witwe ermöglichte sie Johann Kierer, durch Heirat das Meisterrecht zu erlangen. In einem Punkt der Verlassenschaft scheint auf, dass er ihr für die Überlassung ihres Gewerbes 4.000 fl. zahlen musste. Ihr Vermögen war ziemlich umfangreich, weswegen sie ein Testament mit reichhaltigen Stiftungen hinterlassen konnte. Ihr Sohn Adam Dobler erhielt 1.200 fl., ebenso ihr Mann Johann und die Tochter Maria Anna. Der Jüngste, Anton Kierer, erbte 3.200 fl., weil er noch nichts von der Mutter bekommen hatte. Die Tochter Theresia erhielt keinen Anteil, da sie schon genug bekommen hatte. Johann Kierer setzte sie als Universalerben ein. Frau K. konnte nicht nur ihr Haus behalten, sie rettete auch ihr Vermögen aus dem früheren Schuldnerstreit, was auf ihre Willensstärke und Durchsetzungskraft verweist.

Qu.: WStLa, Alte Registratur. Berichte vom 29. Dezember 1773 und 1. März 1774. WStLa, Alte Ziviljustiz. Verlassenschaftsabhandlung vom 30. März 1777.

L.: Kretschmer 2000

 

Sigrid Kretschmer