Kempny Hedy, Ps. Fiammetta bzw. F. B.; Journalistin und Schriftstellerin
Geb. Gutenstein, NÖ, 21.12.1895
Gest. New York City, New York, USA, 16.5.1986
Hedwig, genannt Hedy Kempny, wird am 21. 12. 1895 als drittes Kind des Ehepaares Kempny geboren. Ihr Vater, Dr. med, Peter Kempny (1862 Wien -1906 Gutenstein), ist Arzt, Pianist, Komponist (Ps. Fritz Walden) und Naturforscher, als welcher er mit Erforschung von Insekten Niederösterreichs, der Steiermark, Südtirols, Norwegens, Rumäniens, des Orient und der Marschall-Inseln weit über die Grenzen der Monarchie bekannt wird. 1886 hatte er Sub Auspiciis Imperatoris promoviert und nach Absolvierung des Turnus am Wiedner Krankenhaus im Alter von 25 Jahren seine Arztpraxis in Gutenstein eröffnet.1888 heiratete er seine Verlobte Valentine Berger (1866–1928), die seine wissenschaftlichen und musikalischen Interessen teilt. Der Ehe entstammen die Kinder Valentine, später verehel. Schützenhofer (1889 –1958), Peter (1890–1894), Hedwig, genannt Hedy (1895–1986) und Otto, später Dr. iur. (1897–1932). Mit 44 Jahren erliegt Kempny einem Herzleiden. Zutiefst betroffen verlässt seine Witwe Gutenstein und übersiedelt mit den drei Kindern wieder nach Wien.
Hedy Kempny – ebenfalls tief betroffen vom frühen Tod ihres Vaters – beginnt bereits mit 13 Jahren nicht nur Tagebuch zu schreiben, sondern verfasst auch literarische Skizzen. 1912 schreibt sie ihren ersten Brief an Arthur Schnitzler.
Abgesehen vom Klavierstudium am Konservatorium ist sie seit Kindheit vom Theater fasziniert. Am 2. Mai 1912 legt sie am Konservatorium die Schauspiel-Talentprüfung bei Eugenie Petrasch-Wohlmuth (bei der Mitte der 1890er-Jahre auch Marie Reinhard, Arthur Schnitzlers damalige Geliebte, Schauspielunterricht genossen hatte) erfolgreich ab. Diese bestätigt Hedy Kempny bemerkenswerte schauspielerische Begabung und bestärkt sie im (kostspieligen) Wunsch, Schauspielunterricht zu nehmen. Doch die Realisierung dieses Wunsches scheitert zunächst an der Finanzierbarkeit.
Bald danach tröstet sie jedoch die ihr bekannte Primaballerina Maria („Mizzi“) Kohler (Tochter des Redakteurs der Neuen freien Presse): Durch ihre Vermittlung ermöglicht Kohler ihr, bei Hofburgschauspieler Ferdinand Gregori (1870 –1928) – dem damaligen Direktor des Konservatoriums – Schauspielunterricht zu nehmen.
Am 26. März 1913 beginnt sie ihre Tätigkeit als Bankangestellte in der Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft („Bank am Hof“).
1916 beendet Hedy Kempny den Schauspielunterricht, da Gregori kriegsbedingt nach Deutschland zurückkehren muss.
Bereits in frühen Jugendtagen hatte Hedy Kempny, mit dem Lyriker und Violinisten Wolfgang von Miklosich (1893-1919) in Gutenstein und später in Wien musiziert. Eingezogen im Ersten Weltkrieg gerät Miklosich 1915 in Sibirische Gefangenschaft (Lager Beresowka). Während seiner dreijährigen Gefangenschaft wechseln Wolfgang und Hedy trotz schwierigster Umstände Briefe, durch die sich zwischen ihnen eine tiefe Zuneigung entwickelt, die Wolfgang veranlasst, Hedy im Lauf der Zeit etwa 40 Gedichte zu widmen.
Am 15. Februar 1919 sendet Hedy Kempny ihren dritten Brief an Arthur Schnitzler, der nicht nur den Beginn einer ca. 600 Stücke umfassenden Korrespondenz zwischen ihr und Schnitzler bis zu dessen Tod am 21. Oktober 1931 Tod darstellen, sondern auch eine tiefe, freundschaftlich-platonische Vertrautheit – von unzähligen Gesprächen, gemeinsamen Unternehmungen, Reisen und Spaziergängen begleitet – begründen sollte. Elemente Hedy Kempnys vielschichtiger Persönlichkeit inspirierten Arthur Schnitzler für einige seiner Frauengestalten („Fräulein Else“, „Der Weg ins Freie“).
1919 aus dem Lager entlassen, stirbt Miklosich am 26. März entkräftet bei Einschiffung in Wladiwostok an der Spanischen Grippe. Von seinem Tod erfährt Hedy Kempny erst Ende September 1919, der sie in eine Phase tiefer Traue stürzt.
Nach erfolgreichen Essays für österreichische Zeitungen schreibt sie ab 1925 auch für Schweizer Zeitungen regelmäßig „Feuilletons“ (z. B. St. Galler Tagblatt).
Ende des Jahres 1933 schließt die Niederösterreichische Escompte-Gesellschaft in der Folge des Bankenkrachs für immer ihre Pforten, und Hedy Kempny tritt in den Phaidon-Verlag als Mitarbeiterin ein.
Zu Beginn des Februar 1939 verlässt Hedy Kempny aus Ablehnung des neuen Regimes aus freien Stücken Wien und lässt sich für acht Jahre in Zürich nieder. Zuvor hatte sie – abgesehen von ihren Tagebüchern – als einziges Gut die Briefe Arthur Schnitzlers und ihre Briefe an ihn (die sie nach Verfügung Schnitzlers kurz nach dessen Tod von seiner Haushälterin ausgefolgt bekam) in verschiedene Päckchen verteilt und an verschiedene Freunde in der Schweiz von verschiedenen Postämtern „in die Freiheit“ aufgegeben.
In Ermangelung einer Arbeitserlaubnis schreibt sie für Schweizer Zeitungen unter dem Pseudonym Fiammetta oder den Initialen F. B. 1947 verlässt sie Zürich und wählt New York als ihren neuen Lebensmittelpunkt. In New York tritt sie in das Management des Verlages von Fritz Ungar („Frederick Ungar Books“), dem szt. Inhaber des Wiener Phaidon Verlages, ein, in dem sie bis in ihr 86. Lebensjahr tätig bleibt.
1984 erscheint im Rowohlt Verlag das Buch „Das Mädchen mit den dreizehn Seelen – Hedy Kempny-Arthur Schnitzler, Briefe und Tagebuchblätter“,(Transkription der Texte, Interpolation relevanter Tagebuch-Einträge und Gestaltung: Heinz P. Adamek, Hrsg.).
In dieser Zeit wird Hedy Kempny von der österreichischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der fortlaufenden Herausgabe der Tagebücher Arthur Schnitzlers als Vertraute und Zeitzeugin bei Fragen der Transkription und Entzifferung mancher handschriftlich oder inhaltlich rätselhafter Einträge zu Rate gezogen.
1985 wird Hedy Kempny vom Bundespräsidenten das Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.
Auch in ihren letzten Lebensmonaten frönt sie ihrer Leidenschaft des “Korrespondierens “ – etwa mit Erika Pluhar aber auch mit Bundespräsident Kirchschläger.
Am 16. Mai 1986 stirbt Hedy Kempny an Herzversagen in New York.
Hedy Kempny war die Cousine der Opernsängerin Jenny Korb (1869-1937).
Literatur:
Hedy Kempny / Arthur Schnitzler – Das Mädchen mit den dreizehn Seelen. – Adamek, Heinz P. (Hrsg.). – Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt 1984.
Hemberger, Marie-Theres: Dreizehn Seelen. – Buch der Woche. – Wien: Die Presse 27.2.1985.
Johnston, Andreas Scott: Notizen aus der Zuneigung. Ein besonders Buch. – Nürnberg: Nürnberger Nachrichten/Wochenmagazin 1985.
Schmieg, Elisabeth: Das Mädchen mit den dreizehn Seelen. – Heidelberg: Theater-Illustrierte Nr. 3/85.
er: Flucht aus Furcht vor dem eigenen Wesen. – New York: Aufbau 6. Dez. 1985.
N.N.: The Girl with Thirteen Souls. – Wien: Tafelspitz International No. 1 Spring 1985.
Heinz P. Adamek: Hedy Kempny und Arthur Schnitzler. Ein (gem)einsamer Weg – in: „Kunstakkorde – diagonal“. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2016.
Autor der Biografie: Heinz P. Adamek