Kassowitz Julie, Schall-Kassowitz; Philosophin

Geb. Wien, 8.12.1882

Gest. Wien, 4.7.1924

Herkunft, Verwandtschaften: Ihr Vater war der bekannte Kinderarzt Max Kassowitz (Pressburg, 14.8.1842 – Wien, 23.6.1913) und ihre Mutter Emilie Kassowitz, geb. Rosenthal, (Wien, 4.11.1854 – Wien, 28.5.1938), Gründerin des Vereins abstinenter Frauen (1902). Sie hatte vier Geschwister: Anna, Antoine Edmund, Ernst und Karl.

LebenspartnerInnen, Kinder: J. Sch.-K. war mit Heinrich Schall (Wien, 1868 – Wien, 1.12.1931) verheiratet und hatte mit ihm zwei Kinder: Hedi Schall und Herbert Schall (1913-1943). Sie selbst nahm den Doppelnamen Schall-Kassowitz an.

Ausbildungen: Sie besuchte die gymnasiale Mädchenschule in Wien bis sie im Jahre 1901 die Maturitätsprüfung erfolgreich ablegte. Danach studierte sie von 1901 bis 1906 an der philosophischen Fakultät der Universität Wien Naturwissenschaften und Philosophie. In ihrem Ansuchen zur Erlangung des Doktorgrades ist zu finden, dass sie zunächst in Philosophie in Kombination mit Zoologie promovieren wollte, wobei dieses jedoch gestrichen wurde und sie somit nur in Philosophie antrat.

In den ersten Semestern befasste sich J. Sch.-K. ausschließlich mit der Zoologie und Botanik. Erst im siebenten Semester erfolgte ein kompletter Schwenk zur Philosophie. Sie besuchte dann Vorlesungen der Professoren Jodl, Stöhr und Exner, aber auch zwei des (damals noch) Privatdozenten Dr. Reininger. Die Dissertation von J. K., eingereicht im Frühjahr 1907, trägt den Titel „Teleologie als Lebensform“ und beschäftigt sich mit dem Streit der Meinungen zwischen Vitalismus und Mechanismus, teleologischer und kausaler Naturbetrachtung. Die teleologische Betrachtungsweise in der Naturwissenschaft und der Naturphilosophie erlebte ja zu dieser Zeit gerade massiven Zulauf. Die Arbeit bildet eine logische und psychologische Analyse des Zweckbegriffs auf Basis von Kants Überlegungen in der „Kritik der Urteilskraft“. Die Begutachter der Dissertation waren die Professoren Jodl und Müller.

Laufbahn: In ihrem weiteren kurzen Leben engagierte sich J. Sch.-K. an der Seite ihrer Eltern gegen den grassierenden Alkoholismus. Sie verfasste mehrere Artikel zu diesem Thema in den verschiedensten Zeitschriften. 1921/22 erschien ihre bekannteste Publikation „Vom Wirtshaus zum Volkshaus: Ein Völkerbeisp. demokratischer Befreiungspolitik u. seine Anwendung f. Mitteleuropa“, welches ein Plädoyer für die Selbstbestimmung auf Gemeindeebene in Fragen des Handels und Verkaufs von Alkoholprodukten darstellt. Darüberhinaus verfasste sie, und war Herausgeberin von Sammlungen der Arbeiten ihres Vaters Max Kassowitz.

Qu.: UA Wien, Rigorosenakt, Nationale; UB Wien, Dissertation.

W.: „Ursachen und Zwecke: eine Studie zur Psychologie des naturwissenschaftlichen Denkens” (1909), Die Tagung des Weltbundes abstinenter Frauen. In: Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine, Wien, 2. Jg., H. 3” (1907), Die ethische Bedeutung der Alkoholfrage. In: Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine, Wien, 3. Jg., H. 1” (1908), Wohnungsreform und ihre Bedeutung für die Frauen. Nach dem Vortrag gehalten in der Versammlung des Bundes österreichischer Frauenvereine am 15. März 1910. In: Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine, Wien, 5. Jg., H. 4” (1910), Praktische Ziele der Frauen im Kampfe gegen den Alkohol. In: Neues Frauenleben hrsg. von Auguste Fickert, Wien, 15. Jg., Nr. 10” (1903), Der X. Internationale Kongress gegen den Alkoholismus in Budapest, seine Beziehung zu den Frauen und zur Erziehungsfrage. In: Neues Frauenleben, 17. Jg., Nr. 9” (1905), Der Kongress des Frauen-Abstinenz-Weltbundes in Boston. In: Neues Frauenleben, 18. Jg., Nr. 12” (1906), Englische Gartenstädte. In: Neues Frauenleben, 22. Jg., Nr. 6” (1910), Die moderne Frau und die Antialkoholbewegung. In: Dokumente der Frauen hrsg. von Auguste Fickert u.a., Wien, Bd. 7, Nr. 8” (1902), Kassowitz, Max: Gesammelte Abhandlungen. In Verbindung mit August Büttner, Carl Hochsinger, […], mit biographischen und erläuternden Anmerkungen versehen und hrsg. von Julie Kassowitz-Schall.[…]” (1914), Vom Wirtshaus zum Volkshaus: Ein Völkerbeisp. demokratischer Befreiungspolitik u. seine Anwendg. f. Mitteleuropa” (1921), Nüchternheitsarbeit der städtischen Wohlfahrtsämter in Deutschland. In: Internationale Zeitschrift gegen den Alkoholismus 31” (1923), Der wissenschaftliche Nüchternheits-Unterricht: Begründung u. Entwicklung. Autoren: Thomas Davison Crothers, Wilhelmine Lohmann, Otti Kühn, Julie Schall-Kassowitz” (1923)

L.: http://freepages.genealogy.rootsweb.ancestry.com/ (24.06.09), http://www.literature.at/ (15.09.09), http://www.geni.com/ (29.08.09)

 

Reinhard Stanzl