Karlweis Marta, verh. Stross, Wssermann; Schriftstellerin, Psychologin und Psychoanalytikerin
Geb. Wien, 27.4.1889
Gest. Lugano, Schweiz, 2.11.1965

Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Emilie Kraus, Vater: Carl Karlweis, Bruder: Oskar

LebenspartnerInnen, Kinder: Walter Stross (1883-1946); Jakob Wassermann (10.3.1873 – 1.1.1934); Töchter Bianca (geb. 1908) und Emmy (geb. 1911) aus erster Ehe, Sohn Carl Ulrich (Charles) (geb. 1924) aus zweiter Ehe

Marta Karlweis wurde am 27. April 1889 in Wien geboren. Sie war die Tochter des erfolgreichen Schriftstellers und Dramatikers Carl Karlweis, der auch in der Verwaltung Karriere machte als Oberinspektor bei der Generaldirektion der Südbahn. Er war mit Schnitzler, Hofmannsthal, Bahr, Andrian und Beer-Hofmann befreundet. Kurz vor Martas Geburt war er gemeinsam mit seiner Frau Emilie, die er im Haus von Johann Strauß Sohn kennengelernt hatte, vom jüdischen Glauben zum Protestantismus konvertiert. Die Hochzeitsreise führte das Paar nach Altaussee. 1894 wurde Martas Bruder Oskar geboren der als Bühnen- und Filmschauspieler zu Berühmtheit gelangte – zunächst im deutschen Sprachraum, nach 1938 im amerikanischen Exil. Vermutlich ab 1904 besuchte Marta das Mädchenlyzeum am Kohlmarkt mit Gymnasial- und Fortbildungskursen der Reformpädagogin Genia Schwarzwald. 1908 beendet sie den letzten der vier Gymnasialkurse am Mädchen-Lyzeum, das Ablegen der Matura ist nicht dokumentiert. Bereits ein Jahr zuvor heiratete sie den Industriellen Walter Stross (1883-1946), Leiter einer Textilfabrik in Westböhmen. Dass sie 1908 ihre erste Tochter Bianca auf die Welt brachte, könnte Grund für einen fehlenden Matura-Abschluss sein. Wie Johann Sonnleitner in seinem Nachwort zu Karlweis‘ Roman „Die Insel der Diana“ (S. 438) erwähnt, soll sie durch beharrliches Kämpfen die Erlaubnis ihres Vormunds zum Beginn eines Studiums an der Universität Wien erlangt haben.

Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Emmy im Jahr 1911 begann sie ihre schriftstellerische Tätigkeit: Die Erzählung „Der Zauberlehrling“ erschien 1912. Der Titel bezieht sich auf Goethes Ballade und der als Zauberlehrling bezeichnete Protagonist scheitert sowohl menschlich als auch als Künstler. Den Namen Zauberlehrling erhielt er, als er einst eine Gespenstergeschichte erzählte und dabei „wie es ganz schauerlich war“ erbleichte. „Und diesen wunderlichen Schreck“ habe er „den ganzen Abend nicht mehr losgebracht. Irgendjemand hat da den dummen Witz gemacht: Die er rief, die Geister, wird er nun nicht los!“ (S. 45)

1913 führt das Münchner Residenztheater Karlweis‘ Komödie „Der Herrenmensch“ auf, die von der Kritik unterschiedlich aufgenommen wird. Im Haus ihrer Schwägerin in Grinzing lernt Marta 1915 den erfolgreichen jüdischen Schriftsteller Jakob Wassermann (1873 – 1934) kennen. Er ist – nicht sehr glücklich – mit Julie Speyer verheiratet. Bald gehen Karlweis und Wassermann eine Beziehung ein und Karlweis erreicht schnell eine einvernehmliche Scheidung. Wassermann hingegen wird von seiner geschiedenen Frau bis zu seinem Tod mit Prozessen überhäuft und muss ihr seine Döblinger Villa überlassen. Mit Marta Karlweis lebt er seit 1919 in Altaussee im ehemaligen Domizil Leopold von Andrians; 1923 scheint Wassermann im Grundbuch als neuer Besitzer der Liegenschaft auf. Marta Karlweis‘ und Jakob Wassermanns Sohn Carl Ulrich kam unehelich auf die Welt, erst 1926 konnten Wassermann und Karlweis heiraten.

1919 erscheint im renommierten S. Fischer Verlag ihr Roman „Die Insel der Diana“, ebenda 1921 der historische Roman „Das Gastmahl auf Dubrowitza“. Wegen der schwierigen privaten Situation – Scheidung Wassermanns, Umzug nach Altaussee, Geburt des Sohnes – erschienen, abgesehen von der Novelle „Die Uhr auf dem Fenstersims“, erst 1928 wieder Bücher von Karlweis: Der Reisebericht „Eine Frau reist durch Amerika“ und der Roman „Amor und Psyche auf Reisen“. In „Eine Frau reist durch Amerika“ – von Schnitzler lobend erwähnt – schildert sie Hollywood: „Niemand hat Zeit, und jeder vertut sie; niemand sieht etwas, und alle haben alles gesehen. Alle wollen etwas, und keiner nimmt etwas an. Alle hasten nach etwas, und keiner weiß, nach was…“ (S. 132)

Der künstlerische Durchbruch gelang Karlweis 1929 mit dem Roman „Ein österreichischer Don Juan“, der die Monarchie entzaubert und die Ursachen für ihren Untergang offenlegt. Schonungslos beschreibt er die Doppelmoral der herrschenden Schichten – Adel und Großbürgertum – am Beispiel des Barons Erwein von Raidt und seiner Liebesabenteuer. Der Baron „war so bekannt als Don Juan, daß sein Diener Merlitschek ganz allgemein der Leporello hieß.“ (S. 9) „Er ist hübsch, elegant, gesucht, er besitzt zwar keinen hohen Geist, aber ungewöhnlich viel Witz, Kraft, Verve, Klugheit und eine reizvolle Bösartigkeit in der Konversation.“ (S. 18). Zunächst Liebhaber der verwitweten Hofrätin Löwenstein, verführt er auch deren junge, unerfahrene Tochter Cecile. Als diese schwanger wird, lässt er sie augenblicklich fallen, arrangiert die geheime Geburt ihres Kindes, das sofort zur Adoption freigegeben wird sowie ihre Heirat mit einem wohlhabenden Rheinländer. Schon im ersten Satz des Romans wird mit dem Datum des 30. Jänner 1889 auf die Parallelen zwischen dem Baron Raidt und Kronprinz Rudolf hingewiesen, „diesem Selbstzerstörer und Liebesmörder“ (S.12). Auch in der Mayerling-Affäre hatte ja die Vertuschung oberste Priorität.

1930 wird ihr Roman „Schwindel. Geschichte einer Realität“ in der Neuen Freien Presse abgedruckt und erscheint 1931 als Buch beim S. Fischer Verlag; mit ihm erreicht Karlweis den Höhepunkt ihres dichterischen Schaffens und er ist auch ihr letztes literarisches Werk, abgesehen von der kurzen „Geschichte einer kärntnerischen Baronin“. Der mehrdeutige Titel des Romans bezieht sich einerseits auf den Kauf eines Zinshauses, als sichere Investition gedacht, letztendlich aber ein Betrug. Auf der anderen Seite geht es aber auch um das Vorgaukeln bürgerlicher Scheinwelten, die nur mittels betrügerischer Handlungen aufrechterhalten werden konnten. „Es war niemals festzustellen, wie hoch sich die Summe belief, die Leo tatsächlich durchgebracht hatte, denn der Hauptposten, eine unglaubliche Anzahl feinster Krawatten, zwei Anzüge, ein Mantel und ein schwarzer Seidenhut, erwies sich als unbezahlt…Summen fliegen durch die Luft wie Hexen auf ihren Besen, bald solche, bald solche, niemand weiß eigentlich, wer wem wieviel schuldet…“ (S. 68 f.)

Später verfasste Karlweis nur noch eine umfangreiche Biografie Wassermanns, die 1935 mit einem Geleitwort Thomas Manns veröffentlicht wurde.

Nach dem plötzlichen Tod Jakob Wassermanns 1934 musste Karlweis das hochverschuldete Haus in Altaussee versteigern und ging in die Schweiz, wo ihre Töchter aus erster Ehe lebten. In Zürich nahm sie ihr Studium der Psychologie wieder auf, u.a. bei Carl Gustav Jung. Manchmal schrieb sie Zeitungsartikel vorzugsweise über Schriftsteller wie Stifter, Hesse oder Hofmannsthal; und sie hatte häufigen Kontakt zu Thomas Mann. Wegen des zunehmenden Antisemitismus und der Bedrohung durch die Nationalsozialisten besuchte ihr Sohn Carl Ulrich, der zunächst Schüler des Theresianums in Wien gewesen war, ab 1937 die Bembridge School auf der Isle of White, wo er 1940 als feindlicher Ausländer interniert und nach Kanada überstellt wird; seit seinem Weggang aus Wien nennt er sich Charles. Marta Karlweis reist 1939 nach Kanada, wo sie ab 1941 als Staatsbeamtin arbeitet und die Freilassung ihres Sohnes erlangt. 1944 erhält sie die kanadische Staatsbürgerschaft. Nach Kriegsende übernimmt sie in Ottawa eine psychoanalytische Praxis. 1957 erscheint ihr psychoanalytischer Aufsatz „Zur Frage der Postpartum Neurose“ in der angesehenen, von Alexander Mitscherlich herausgegebenen Fachzeitschrift „Psyche“. Zwar beschäftigt sie sich weiterhin mit literarischen Projekten, vollendet sie aber nicht, was wohl mit dem Verlust der Muttersprache im erzwungenen Exil zu erklären ist.

1965 besucht sie ihre Tochter Bianca, die in der Schweiz bei Lugano lebt und verstirbt dort am 2. November. Im Tessiner Dorf Muzzano wird sie begraben.

Werke (Auswahl):

Marta Karlweis: Der Zauberlehrling. Eine Erzählung. In: Süddeutsche Monatshefte, 9. Jahrg., 2. Bd. April – Sept 1912. Erste Buchfassung: München: Süddeutsche Monatshefte 1913

Marta Karlweis: Die Insel der Diana. Berlin: S. Fischer Verlag 1919

Marta Karlweis: Das Gastmahl auf Dubrowitza. Berlin: S. Fischer Verlag 1921

Marta Karlweis: Eine Frau reist durch Amerika. M. e. Vorbemerkung von Jakob Wassermann. Berlin: S. Fischer 1928

Marta Karlweis: Amor und Psyche auf Reisen. M. e. Begleitwort v. Jakob Wassermann. Berlin: Volksverband der Bücherfreunde im Wegweiser-Verl. 1928

Marta Karlweis: Ein österreichischer Don Juan. Zürich u. Leipzig: H. Grethlein Verlag 1929

Marta Karlweis: Schwindel. Berlin: S. Fischer Verlag 1931

Marta Karlweis: Jakob Wassermann. Bild, Kampf und Werk. Geleitwort von Thomas Mann. Amsterdam: Querido Verlag 1935

Marta Wassermann: Zur Frage der Postpartum Neurose. In: Psyche, JG. 11 (1957), Heft 2, S. 140-155

Literatur und Quellen:

Archiv des Literaturmuseums Altaussee

Marta Karlweis: Eine Frau reist durch Amerika. M. e. Vorbemerkung von Jakob Wassermann. Berlin: S. Fischer 1928

Marta Karlweis: Ein österreichischer Don Juan. Hrsg. Mit e. Nachwort von Johann Sonnleitner. Wien: DVB Verl. 2015

Marta Karlweis: Der Zauberlehrling. Novellen. Mit einem Nachwort hrsg. von Johann Sonnleitner. Wien DVB Verl. 2021

Marta Karlweis: Das Gastmahl auf Dubrowitza. Mit einem Nachwort hrsg. von Johann Sonnleitner. Wien: DVB Verl. 2017

Marta Karlweis: Die Insel der Diana. Mit einem Nachwort hrsg. von Johann Sonnleitner. Wien: DVB Verl. 2025

Marta Karlweis: Schwindel. Geschichte einer Realität. Wien: DVB Verlag 2021

Autorin der Biografie: Gerda Königsberger