Kafka Helene, Sr. Maria Restituta; Ordensfrau und Widerstandskämpferin
Geb. Brünn-Hussowitz, Mähren (Brno-Husovice, Tschechien), 1.5.1894
Gest. Wien, 30.3.1943
In bescheidenen Verhältnissen als sechstes von sieben Kindern des Schuhmachers Anton Kafka und der Maria, geb. Stehlik 1894 in Mähren geboren, übersiedelte H. K. 1896 mit ihrer Familie nach Wien. Dort besuchte sie die Volks- und die Bürgerschule und anschließend eine einjährige Haushaltungsschule. Anschließend arbeitete sie als Dienstmädchen und als Verkäuferin in einer Tabaktrafik. 1913 beginnt sie ihre Tätigkeit als Hilfsschwester im Städtischen Krankenhaus Lainz. 1914 tritt sie in die Ordensgemeinschaft der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe ein, der der Krankenpflegedienst in diesem Spital obliegt. Im Mutterhaus der Franziskanerinnen in der Hartmanngasse in Wien-Margareten beginnt sie 1915 ihr Noviziat und nimmt den Ordensnamen „Schwester Maria Restituta“ an. Ihre ersten Ordensgelübde legt sie im folgenden Jahr ab, das Ordensgelübde auf Lebenszeit im Jahr 1923. Nach kurzer Tätigkeit im Krankenhaus von Neunkirchen kehrt sie 1917 für weitere zwei Jahre an das Krankenhaus Lainz zurück. 1919 tritt Sr. R. ihren langjährigen Dienst am Landeskrankenhaus Mödling an, wo sie sich bald als Erste Operationsschwester und Anästhesieschwester an der Chirurgischen Abteilung qualifiziert. Aufgrund ihres Engagements und ihrer Menschlichkeit erwirbt sie sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch bei der Bevölkerung große Sympathien. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Deutsche Reich“ gerät H. K. bald mit den Repräsentanten des Regimes in Konflikt, die auch auf Krankenbetreuung und Seelsorge Einfluss zu nehmen versuchen. So hängt sie trotz Verbots in den Räumen der Chirurgischen Abteilung Kruzifixe auf und organisiert eine illegale Taufe. Da sie aufgrund ihrer Qualifikation unentbehrlich ist, sehen sich die nationalsozialistischen Funktionäre vorerst genötigt, sie weiterhin in ihrer Position zu dulden. Am 8. Dezember 1941 diktiert R. einer Schreibkraft des Spitals ein Schmähgedicht mit patriotischem Charakter („Soldatenlied“), das sie tags darauf in einem kleinen Kreis von Kolleginnen vorträgt, sowie eine Flugschrift mit dem Titel „Deutsche katholische Jugend“. Sie wird dabei belauscht und an einen ihr feindlich gesinnten SS-Arzt, Dr. Lambert Stumfohl, denunziert. Nach neuerlichen Auseinandersetzungen wird sie von Dr. Stumfohl bei der SD-Außenstelle Mödling angezeigt und am 18. Februar 1942 aus dem Operationssaal heraus verhaftet. Während ihrer Haft im Wiener Landesgericht arbeitet sie in einer Widerstandsgruppe aus Mithäftlingen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung mit, die gefährdete Gefangene unterstützt und die Kommunikation zwischen den Gefängnisabteilungen aufrechterhält. Sie engagiert sich weiters in der Betreuung kranker und schwangerer Insassinnen. Am 29. Oktober wird sie vom Volksgerichtshof wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tod sowie zum Ehrenrechtsverlust auf Lebenszeit verurteilt. Am 30. März 1943 wird sie trotz mehrerer Gnadengesuche, u. a. von Kardinal Innitzer, im Wiener Landesgericht hingerichtet.
Sr. M. R., an der als einzige Ordensfrau im „Deutschen Reich“ ein Todesurteil vollstreckt wurde, gilt heute als Symbolgestalt des österreichischen Widerstands. 1978 wurde ihr posthum das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs verliehen. 1997 wurde durch Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien das NS-Urteil für nichtig erklärt. Am 21. Juni 1998 erfolgte die Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II. Das Andenken R.s wird durch zahlreiche Erinnerungszeichen bewahrt, so u. a. durch eine Gedenktafel an der 1992 nach ihr benannten städtischen Wohnhausanlage in 1050 Wien, Margaretenstraße 105. In Mödling wurde 1995 jene Gasse, in der sich ihre langjährige Wirkungsstätte befand, nach ihr benannt. 2000 erfolgte die Benennung des Platzes neben der U6-Station Handelskai in 1200 Wien als Maria-Restituta-Platz.
W. u. a.: Beinhauer 1993, Beinhauer 1999, Dokumentationsarchiv 1984, Dokumentationsarchiv 1998, Exenberger/Arnberger 2001, Franziskanerinnen 1998, Kapp 1958, Maimann 1983, Sagardoy 1996, Sauer 1998
Christine Kanzler